Kapitel 107

1.7K 55 3
                                    

Harper PoV.

Die zwei Wochen im Krankenhaus gingen, dank Jaydens Gesellschaft und den zahlreichen Besuchen der anderen, schnell um. Auch meine Schmerzen hatten so weit nachgelassen, dass ich mich wieder halbwegs bewegen konnte, ohne sofort zusammenzuzucken. Die neue Herzklappe arbeitete, wie sie sollte und meine Werte stimmten, weshalb mich der Arzt heute guten Gewissens entlassen konnte. Natürlich mit den warnenden Worte, „Nichts heben, keine körperliche Anstrengung, nur das Nötigste machen, keine zu enge Kleidung und am besten auf den BH verzichten. Wenigstens noch zwei; drei Wochen. Am besten jedoch 5 bis 6 Wochen.". Seine Worte nahm ich mir wirklich zu Herzen, auch, wenn es mir schwerfiel, die anderen für mich „Arbeiten" zu lassen, würde es vorerst wohl so sein.

Es war erst kurz nach sieben, weshalb Jayden neben mir noch tief und fest schlief. Vorsichtig löste ich mich von ihm, weil ich auf Toilette musste und ich so hibbelig war, endlich wieder nachhause zu gehen, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Und nein Jayden hatte nicht die ganze Zeit mit bei mir im Bett geschlafen. Nur von gestern auf heute, weil der Arzt mir gestern Abend noch alle Kabel und Geräte entfernt hatte. Sozusagen war das die erste angenehme Nacht seit zwei Wochen. Denn mit diversen Kabeln, wo man jeden Moment Angst haben musste, dass man sie sich selbst rausriss, blieb nicht viel von dem erholsamen Schlaf übrig. Nachdem ich mich endlich von dem Anblick von Jaydens schlafendem Gesicht losreißen konnte, stand ich langsam auf und lief Richtung Bad.

Denn ich wollte jetzt unbedingt noch duschen gehen, bevor ich die anderen zuhause traf. Das Go dazu hatte mir der Arzt erst gestern gegeben. Aber da es da schon zu spät war, ging ich eben jetzt duschen und vor allem Haare waschen. Gesagt. Getan. Mit nassen Haaren stieg ich vorsichtig aus der Dusche, nicht, dass ich noch ausrutschte und wegen einem Bruch ins nächste Krankenhaus geschleppt wurde. Darauf konnte ich die nächste Zeit nämlich wirklich gern verzichten. Ich nahm mir den Bademantel vom Haken, streifte ihn mir über und band ihn vorne locker zu. Erst danach drehte ich mich zum Spiegel, weil ich eine scheiß Angst hatte, wie meine Narbe aussah. Das Pflaster wurde nämlich auch gestern erst gelöst und weil ich nicht wollte, dass Jayden sie so sah, hatte ich ihn sogar vor die Tür geschickt. Weil ich wusste, dass sie garantiert, knallrot, dick und hässlich war.

Deshalb hatte ich selbst auch noch keinen Blick darauf geworfen und am liebsten sollte das auch so bleiben. Ich fuhr fort mir die Zähne zu putzen, wobei mein Brustkorb noch ordentlich zog. Was mich irgendwie aufregte. Klar ich musste meinem Körper Zeit geben, sich zu erholen und zu regenerieren, aber es war trotzdem frustrierend, dass es so lang dauerte und die einfachsten Aufgaben unangenehme Auswirkung hatten. Sozusagen wurde mir jetzt erst klar, bei welchen scheinbar einfachen Tätigkeiten man völlig unbewusst seinen Oberkörper benutzte. Gerade als ich die Zahnpasta ausspuckte, meinen Mund ausspülte und mich wieder aufrichtete, was erneut ordentlich wehtat, öffnete sich der obere Teil des Bademantels und gab den Blick auf meine Narbe frei.

Wie gebannt starrte ich sie an. Und war absolut schockiert von deren Anblick, weil alle meine Befürchtungen wahr geworden waren. Denn alles, wovor ich Angst hatte, war eingetreten. Sie war knallrot, dick, hässlich und hatte nichts mehr gemeinsam mit meiner alten, an deren Anblick ich mich die letzten Jahre gewöhnt hatte. Immer noch total fassungslos rieb ich mir die Augen in der Hoffnung, ich würde mir das nur einbilden. Was nicht der Fall war. Die Narbe sah noch genauso aus, wie davor. Ich schob den Bademantel noch ein Stück zur Seite, um die Narbe komplett zu sehen. Was ich lieber hätte lassen sollen, weil mir dadurch ungehindert Tränen über die Wangen liefen. Ich schniefte, vergrub meinen Kopf in meinen Händen und wollte nicht wahrhaben, dass ich damit leben musste.

Es würde wahrscheinlich Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern, bis sie auch nur eine annähernde Ähnlichkeit mit der Alten aufwies. Und das ärgerte mich. Ich hatte gerade erst gelernt mich trotz meiner Narbe schön zu finden. Was ich allein Jayden zu verdanken hatte. Aber diese Akzeptanz löste sich bei dem Anblick meiner neuen Narbe sofort in Luft auf. Alles futsch. Einfach weg. Als wäre es nie da gewesen. „Was ist passiert Harper?", erklang plötzlich Jaydens raue Stimme hinter mir. Blitzschnell zog ich den Bademantel wieder zusammen, wischte fahrig meine Tränen weg und drehte mich dann zu ihm um. Mit der Gewissheit im Hinterkopf, dass er mir sofort ansah, dass ich geweint hatte. Trotzdem versuchte ich seine Frage mit einem einfachen, „Nichts." abzuwimmeln.

The Fate of LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt