3. Nichts verändert und trotzdem keinen Plan

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Als es zu dämmern begann, hielt die Kutsche endlich am Hauptquartier. Ich stürzte nach der stundenlangen Fahrt schon beinahe nach draußen und streckte mich ausgiebig. Mir tat nach dem Gerüttel ordentlich mein Steißbein weh. Außerdem war die harte Sitzbank und meine immer nachlässiger werdende Haltung nicht gerade förderlich. Von Levi bekam ich nur einen abschätzigen Blick. Der sollte mal dringend an seiner Mimik feilen und vielleicht anregen, dass die Kutschenbänke ausgepolstert werden.

Während Ruby und ich unser Gepäck von der Kutsche zerrten, hörten wir eine bekannte Stimme begeistert rufen: „Ihr seid wieder da!" Etwas leiser kam hinterher: „Ihr habt ganz schön lange gebraucht." Ruby und ich stellten den letzten Koffer auf den Boden, um dann an der Kutsche vorbeizuschauen, die sich gerade in Bewegung setzte. War wohl nur eine Taxikutsche. Also doch nichts mit Polsterbänken. Schade.

Vor den zwei Männern stand unsere liebste aufgedrehte Wissenschaftlerin. „Das Gespräch hat länger gedauert als gedacht. Außerdem sind uns noch zwei alte Bekannte über den Weg gelaufen", erklärte der blonde Kommandant und drehte den Kopf zu uns. Wir konnten gar nicht reagieren, so schnell war Hanji bei uns und zerquetschte uns an ihrer Brust. „Was macht ihr denn hier?", wurde uns aufgeregt ins Ohr geschrien. Keiner von uns konnte antworten, stattdessen versuchten wir uns aus dem Würgegriff unserer Freundin zu befreien, um nicht zu ersticken.

Als keine Antwort kam, drückte sie noch fester zu und ich fing langsam an zu röcheln. Ich ... brauche ... Luft! Toll, noch nicht einmal außerhalb der Mauern gewesen und schon die zweite Nahtoderfahrung. Umständlich klopfte ich auf Hanjis Arm und keuchte erstickt: „Luft!" Überrascht schaute sie einen Moment zu mir, ehe ihr Hirn schaltete und sie uns mit einem entschuldigenden Lächeln losließ. Nach Luft ringend stützten wir uns ein paar Sekunden mit den Händen auf die Knie, bevor Ruby der Titanenfanatikerin antwortete: „Zuhause war nicht das Gleiche ohne euch." Und schon wurden wir wieder von Liebe erdrosselt. „Das ist ja süß!" Erst als nun Ruby Hanji auf den Arm klopfte, ließ sie uns mit einem lachenden „Ups, tschuldigung" los.

Nun mischte sich Erwin wieder ein und fragte Hanji: „Zeigst du ihnen ihr Zimmer?" Natürlich war die Frage eher ein Befehl in Form einer Frage, schließlich war er hier der Kommandant und Hanji hatte zu folgen. Darüber, dass sie einfach so ein Zimmer für uns frei hatten, ohne überhaupt zu wissen, dass wir kommen würden, wunderte ich mich jetzt auch nicht sonderlich. Wir sind immerhin beim Aufklärungstrupp. Als Hanji zustimmend nickte, drehte sich der Blonde um und verschwand gefolgt von Levi im Gebäude. Hanji klatschte begeistert die Hände zusammen und erklärte: „Na dann los." Sie schnappte sich unsere Reisetasche und ging voraus. Mühselig schleppten wir unsere Koffer hinter Hanji her, die uns voller Freude in den zweiten Stock führte. Na klar, sie hatte ja auch das leichteste Gepäckstück.

Vor einer einfachen Holztür, was hier zugegebenermaßen fast alle Türen waren, blieb sie stehen und erklärte uns, dass das unser neues Zimmer war. Wir bedankten uns, betraten das Zimmer und sahen uns um. So wie das letzte Mal befand sich wieder ein Stockbett an der einen Wand und ein Schreibtisch mit Stuhl an der anderen. Gegenüber der Tür war wieder ein Fenster. Alles sah aus als wäre es dasselbe Zimmer. Selbe Bettwäsche, selbe Raumausstattung, selbe Größe. Nur war alles diesmal spiegelverkehrt. Und anstatt auf den Trainingsplatz schauten wir diesmal auf den Hof und den Eingang des Gebäudes. Hey, wir konnten Leute stalken.

Als wir den ersten Koffer auf das untere Bett hebelten, meinte Hanji, sie würde uns passende Kleidung besorgen und gleich wieder da sein. Während also Hanji unauffälligere Kleidung besorgte, leerten wir unser Gepäck und verstauten die restlichen Sachen. Fünf Minuten nachdem Hanji verschwunden war, stand sie auch schon wieder im Zimmer und drückte uns jeweils einen Stapel Kleidung in die Hand. „Am besten ihr zieht euch um und kommt dann zum Abendessen", meinte die Brillenträgerin und war schon drauf und dran zu gehen. Doch kurz vor der Tür drehte sie sich noch einmal zu uns und fragte: „Ihr wisst doch noch, wo der Speisesaal ist, oder?" Ruby und ich wechselten einen Blick, bevor wir etwas verunsichert nickten. Das reichte Hanji und  sie verschwand mit einem „Supi, bis gleich" aus unserem Zimmer, wobei sie die Tür mit ihrer üblichen Sanftheit zukleschte.

Wortlos wechselten wir in die Uniform und verließen das Zimmer mit ein paar Präsenten. Da wir ja nun ein anderes Zimmer hatten, sahen wir erst links und rechts den Gang entlang und versuchten einen Anhaltspunkt zu finden, der uns bekannt vorkam. Woher waren wir nochmal schnell gekommen? Verwirrt wechselten wir einen Blick. „Let's try the left way", meinte Ruby schließlich. Auf gut Glück folgten wir nun dem Gang links, bis wir zu einer Treppe kamen. Das war ja schon einmal gut, also gingen wir die Treppe nach unten. Allerdings fühlte sich der Weg viel länger an als er eigentlich hätte sein sollen. „War das vorher auch schon so lang?", fragte Ruby in den menschenleeren Stiegenaufgang.

Ich wollte ihr antworten, als wir allerdings schon am Ende der Treppe ankamen und im Keller standen. „Äh, ich glaube, das war der falsche Weg", erklärte ich mit Blick in den von Fackeln beleuchteten Gang. „Ach ne", kam sarkastisch von meiner Freundin, was ich gekonnt ignorierte und stattdessen weiterging. Schnaubend folgte mir Ruby. Nicht lange und wir kamen zu einer Zelle, die mit eingestaubten Stühlen vollgestellt war.

Nur kurz nahm ich zu Kenntnis, dass Erwin damals als er uns bei unserem ersten Besuch verhörte, seinen Stuhl wohl von hier hatte. Also konnte der Weg doch nicht SO falsch sein. Allerdings wunderte ich mich etwas, dass Levi es zuließ, dass auch nur das kleinste Etwas verstaubte. Geschweige denn eine ganze Sammlung von Sesseln. Aber solange ich das nicht putzen musste, war es mir ziemlich schnurz.

Zwei Minuten später kamen wir an einer weiteren Treppe an, die diesmal nach oben führte. Am anderen Ende der Treppe kam uns die Umgebung gleich viel bekannter vor. „Ah, ja. Das kenn ich doch", meinte ich als wir schließlich in der Eingangshalle standen und schlussendlich auch zum Speisesaal fanden.

Was mir als erstes auffiel war, dass hier um einiges mehr Leute saßen als das letzte Mal als wir hier waren. Und überraschenderweise schien sich keiner darüber zu wundern, dass plötzlich zwei Unbekannte beziehungsweise zwei Verschollene auftauchten. Im Gegenteil. Wir wurden behandelt als wären wir schon immer Teil des Aufklärungstrupps. Während wir unsere Freunde suchten, wurde uns öfter ein schöner Abend gewunschen und auch ein guter Appetit.

Wir antworteten gerade wieder auf einen Gruß mit einem „Ebenfalls" als Ruby mir auf die Schulter tippte und auf eine Gruppe Jugendlicher zeigte, zu der wir uns daraufhin mit viel Geschubse durchschlugen. Was war es auch so voll hier?

Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt