76. Wir waren eben noch nie normal

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Die nächste Woche war wie die vier vor unserem freien Tag. Na ja, fast. Jean hatte Ruby ein zweites Mal gefragt, ob sie sich nicht doch vorstellen könnte, mit ihm eine Beziehung zu beginnen, doch sie hatte abermals verneint. Na gut, ansonsten war es aber trotzdem wie die letzten Wochen. Vor Sonnenaufgang aus dem Bett gezerrt werden, Frühstücken, Training bis die Sonne wieder weg war, dazwischen noch Mittagessen, nach dem Training Abendessen und tot ins Bett fallen ... und das Ganze von vorne. So schlurften wir heute wieder wie zwei Zombies zum Frühstück. Ruby war da allerdings noch schlimmer dran als ich, denn die hatte sich gestern Abend noch eingebildet, sie müsse jetzt unbedingt einen Film schauen. Dementsprechend stark waren ihre Augenringe. Und auf dem Weg durch die Tür zum Speisesaal knallte sie gleich einmal gegen den Türrahmen. Benommen sah sie die Wand hoch, während ich seufzte und meine Freundin weiterzog. „Ich habe dir noch gesagt, dass der Film eine schlechte Idee war. Aber nein, Madame musste ja unbedingt noch einen Film schauen", meckerte ich sie voll, während ich ihr einen Teller mit dem Frühstück in die Hand drückte und wir weiter zu unserem Team gingen. „Ja, gestern empfand ich das noch als gut Idee", maulte Ruby zurück und wir plumpsten auf unsere Plätze.

Während wir von den anderen Anwesenden einen müden, leicht verwirrten Blick bekamen, den wir gar nicht bemerkten, grummelte ich schon halb in mein Brötchen nuschelnd: „Ja, jetzt siehst du, was du davon hast." Die Reaktion darauf war ein Schnauben, bevor Ruby kräftig von ihrem Käsebrötchen abbiss. Als es leise wurde und keiner sprach, wandten Ruby und ich uns schließlich unseren Freunden zu, die uns nach wie vor etwas irritiert und überrascht ansahen. „Was is'?", fragte Ruby verwirrt in die Runde und Connie deutete mit offenstehenden Mund zwischen Ruby und mir hin und her. Da sonst keiner etwas sagte und ich Connies Geste nicht deuten konnte, meinte ich: „Spuck's aus." Doch Connies Mund klappte einfach nur auf und zu wie bei einem Fisch am Trockenen. Ja, so verstehe ich sicherlich, was er meint.

Frustriert atmete ich aus und fragte dafür den Rest: „Also, kann mir jetzt bitte jemand erklären, warum ihr uns anschaut, als wären wir das achte Weltwunder?" „Ihr streitet euch", erklärte Sasha schließlich etwas kleinlaut und fügte noch leiser hinzu: „Ihr streitet euch sonst nie." Ruby und ich wechselten einen überrumpelten Blick, ehe wir Sasha anschauten und Ruby erwiderte: „Wir streiten nicht." Jean zeigte nun ebenfalls zwischen uns hin und her und warf ein: „Es hört sich aber ganz so an." Wir wandten uns ihm zu und ich erklärte: „Das ist nicht streiten. Das ist nur die Ausübung konstruktiver Kritik an den Handlung einer anderen Person ... mit einem Hauch von Emotionalität." „So etwas machen wir oft", meinte nun auch Ruby und fügte belustigt an, „Tz, streiten." Ich schüttelte lächelnd den Kopf, während ich im selben Tonfall einwarf: „Ja wirklich", bevor wir beide wieder unser Essen aufnahmen. Dass wir dabei weiterhin etwas irritiert angestarrt wurden, ignorierten wir einfach. „Ihr seid komisch", stellte Eren fest und wir sahen zu ihm. „Ist das was Neues?", fragten wir den braunhaarigen zeitgleich und bekamen ein amüsiertes „Nein" von dem braunhaarigen. Na, also, dann benimm dich nicht so doof.

Nachdem jeder fertig gefrühstückt hatte, wurden wir wie jeden Morgen von unserem Viehtreiber wieder auf den Trainingsplatz gescheucht. Wir begannen mit den üblichen Laufrunden. Und weil jeder ziemlich mürrisch dreinschaute, beschloss ich sie ein wenig aufzuheitern. „Hey!", versuchte ich die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken und fragte, „Wie nennt man einen Titanen, der nicht schwimmen kann?" Ich bekam von Eren, der mich gerade überholte, einen schiefen Blick zugeworfen, so nach dem Motto Was willst du denn jetzt, bitte?, und nahm das als Anlass meinen Witz zu vollenden: „Titanic." Die Reaktion war das morgendliche Grillenzirpen. Von Ruby bekam ich wenigstens belustigt zurück: „Das war ein echt schlechter Flachwitz." Sasha hingegen, die mit Connie ein paar Meter vor uns rannte, wandte sich an ihren Laufpartner und meinte: „Das verstehe ich nicht", und auch Connie zuckte die Schultern. Ach, stimmt ja, ich hatte ganz vergessen, dass in dieser Welt niemand die Titanic kannte. Na, dann können sie das ja auch gar nicht verstehen. Mann, ihr macht mich echt fertig, Leute.

Da mir sonst nichts Besseres einfiel, vergingen die restlichen Runden schweigend. Danach verkloppten wir uns wieder gegenseitig beim Nahkampftraining und dann ging es auch schon zum Mittagessen. Dort gab es mal wieder irgendeine graue Pampe, die nach nicht viel schmeckte. Ernsthaft, die Leute hier sollten echt mal richtig kochen lernen. Ich meine, ich kann auch nicht besonders gut kochen, obwohl ich das in der Schule lerne, aber besser als dieses Zeug ist mein Essen allemal. Na ja, egal, Augen zu und durch.

Nach dem Essen wurden wir dann wieder mit dem 3D-Manöver getriezt. Levi war ständig darauf aus, dass wir unsere Fehler ausmerzten und trieb uns dementsprechend  an. Nach wie vor war er mit meinen Drehungen und meinen „langsamen" Richtungswechseln unzufrieden. Und Ruby würde angeblich zu viele unnütze Bewegungen machen, die zu viel Gas verbrauchten. Diese „zu vielen Bewegungen" sah ich zwar nicht, aber okay. Von meiner Runde wieder zurückkommend setzte ich bei den anderen auf der Plattform auf und grinste recht zufrieden mit mir in die Runde: „Ich bin offen für Feedback." „Du bist scheiße", kam nüchtern von Ruby und ich nickte ihr leicht lächelnd zu: „Danke." „Gerne", nickte sie ebenfalls. „Ihr verhaltet euch heute wirklich komisch", warf Jean ein und wurde nicht weiter beachtet. Mit Levis „Besser, aber noch nicht perfekt", stellte ich mich wieder neben Ruby und schaute Eren, der als nächstes dran war, zu wie er sich unter Levis prüfenden Blick schlug.

Nachdem sich jeder einmal durch Levis Überprüfung geschlagen hatte, wollte Levi „Teambuilding" machen. Nicht dass er exakt dieses Wort verwendete, aber es hörte sich trotzdem irgendwie an, als würden jetzt solche Übungen kommen wie lass dich fallen und ein anderer fängt dich auf. Und weil Levi ja bei seinem Training allgemein etwas ... sagen wir extrem war, ging ich an den Rand der Plattform, um nachzusehen wie tief es nach unten ging. Als mir von der Höhe schon fast schwindelig wurde, trat ich wieder einen Schritt zurück und zeigte nach unten, während ich skeptisch fragte: „Wir springen da jetzt aber nicht runter und lassen uns auffangen, oder?" Von meinen Kameraden bekam ich einen verständnislosen Blick, während Levi einmal unmerklich tief durchatmete und dann ein „Nein" herausbrachte.

Schlussendlich war es doch nur ein Wettkampf zwischen zwei Teams, wer erfolgreicher im Team Titanen erledigte. Natürlich hatten wir wieder die Diskussion, wer in welches Team sollte, da Ruby und ich uns ums Verrecken nicht trennen wollten. Deswegen wurden wir dann kurzerhand von Levi  mit Sasha und Mikasa in ein Team gesteckt, wodurch es dann zu Jungs gegen Mädels wurde. Am Ende gewann natürlich ganz klar unser Mädels-Team. Tja, wir hatten es eben drauf ... und Mikasa.

Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt