96. Guten Morgen, Dornröschen

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Eine Stunde, nachdem wir Peter und Fred auf die Mauer gebracht hatten, wurden wir von Erwin informiert, dass, sobald Armin und Jean aufwachen würden, sich die Vorgesetzten von Eren und Mikasa zum Keller führen lassen und wir danach auf direktem Weg zurück nach Trost reiten würden. Und da Jean und Armin noch immer den Schlaf der Gerechten schliefen, saßen wir auf der Mauer und langweilten uns. „Sag mal, war die Pistole eigentlich entsichert als du auf Flocke gezielt hast?", fragte ich Ruby, welche mich verwirrt ansah. „Ich dachte, die hätten gar keine Sicherung", erwiderte sie und ich zog die Augenbrauen zusammen. „Wirklich? Ich dachte schon. Einfach weil ich mir nicht vorstellen kann, dass man uns mit ungesicherten Waffen herumrennen lässt", meinte ich und Ruby und ich sahen uns einige Augenblicke überlegend an.

Zwei Doofe, ein Gedanke. Schon im nächsten Moment zog Ruby ihre Pistole hervor und wir suchten nach einer Sicherung. Natürlich hatten wir keine Ahnung, wie eine Sicherung aussah, weshalb wir die Waffe hin und her drehten, bis zum Gehtnichtmehr. Und leider kam es wie es kommen musste, wenn man uns eine Waffe gab, die wie sich herausstellte, nicht gesichert war ... es löste sich ein Schuss. Ich kann euch beruhigen, es traf niemand Wichtiges. Nur Flocke kippte mit einer Kugel im Kopf tot um. Also kein tragischer Verlust.

Erschrocken sahen wir zu der Leiche, aus welcher das Blut wie aus einem Geysire hervorsprudelte. „Was zum Teufel habt ihr getan?", fragte Eren, der soeben über die Mauer nach Shiganshina hineinwollte, uns entsetzt und Ruby streckte die Waffe von sich. „Ihr wusstet alle, dass ich mit Waffen nicht umgehen kann!", rief Ruby, woraufhin ich meinte: „Da seht ihr's. Genau das passiert, wenn man uns eine Pistole in die Hand drückt, die keine Sicherung hat." Von Levi kam nur ein Kopfschütteln kombiniert mit einem „Ihr könnt auch gar nichts." Erwin deckte den Leichnam mit seinem Umhang ab und sagte nichts weiter dazu. Unsere Kameraden, die Eren gefolgt waren, sahen uns einfach geschockt an und Hanji, die mittlerweile einen Verband um ihr verletztes Auge hatte, näherte sich uns vorsichtig und schlug vor: „Wie wär's, wenn ich das nehme." Sie nahm Ruby den Revolver ab und steckte ihn selbst ein. Eren sah so aus, als wollte er noch etwas sagen, allerdings machte ihm Jean da einen Strich durch die Rechnung. Denn plötzlich schoss der Körper der Pferdefresse in die Höhe und das Erste, das aus seinem Mund kam, nachdem er kurz starr an uns vorbeischaute, war: „Ich hasse Fisolen."

Mein Mund klappte einfach nur sprachlos auf. Das war das, was ihm als erstes einfiel? Als Ruby sich jedoch mit einem freudigen „Jean!" auf ihren Freund warf, musste ich ebenfalls erleichtert auflachen. Ich legte dem hellbraunhaarigen eine Hand auf die Schulter und lächelte: „Schön, dass du noch lebst, Jean." So gut es mit Ruby um den Hals eben ging, nickte er mir zu.

Es dauerte ein bisschen, bis Ruby Jean endlich losließ. In dieser Zeit konnte ihn sogar der Rest des Team begrüßt. Eben hatte Connie seine Freude darüber, dass Jean noch lebte, ausgedrückt und sich neben seinen besten Freund gesetzt, da ließ Ruby endlich von Jean ab und sah ihn überlegend von oben bis unten an. „Weißt du? Irgendwie ... jetzt wo du den Titanen gegessen hast, bist du attraktiver geworden", stellte Ruby fest und ich versuchte mein Lachen durch ein Husten zu tarnen. „Wie bitte, was?", fragte Jean bedröppelt und auch Connie konnte sein Lachen nur schwer unterdrücken. Ruby schien zu bemerken, dass sie wohl in ein Fettnäpfchen getreten war und bügelte schnell aus: „Nichts, babe, hab' dich davor auch schon geliebt." Jean sah sie noch einen Moment komisch an, schüttelte es dann jedoch ab und lächelte zufrieden.

Ab da begann wieder das große Warten für Ruby und mich, während der Rest weitersuchte. In dieser Zeit erzählte uns Jean von Reiners Erinnerungen, die hauptsächlich aus Selbstzweifel und Schuldgefühlen bestanden, weshalb sie uns keinerlei Informationen lieferten, außer dass Reiner psychisch ein einziges Wrack war. Also, nichts Neues. Ich hoffte nur, dass Jean das nicht noch gestörter machte als ohnehin schon. Aber er wirkte noch immer wie der Alte, deshalb machte ich mir jetzt erst einmal keine Sorgen. Erst wenn er anfing, Historia anzugraben. Dann würde ich ihm ordentlich eine überziehen. So verging Minute um Minute, in der wir warteten, dass Armin auch endlich aus seinem Titanenkoma aufwachte.

Ich hatte mein Zeitgefühl total verloren, seit uns Jean seine Essensgewohnheiten mittgeteilt hatte. Deshalb konnte ich auch nicht sagen, wie viel Zeit verging, bis sich Armin verwirrt aufrichtete und nicht recht zu wissen schien, wo er sich befand. Das war mir in dem Moment aber sowas von Schnurz. Halb vor Freude am Heulen warf ich mich um Armins Hals. Armin wusste mit meiner Geste mal so gar nichts anzufangen, weshalb er einfach verwirrt und starr dasaß. Das war mir ebenfalls völlig egal. Immerhin hatte ich schon fast geglaubt, dass er doch noch draufgehen würde, anstatt durch den Titanen gerettet zu werden. „Mach mir nie wieder solche Sorgen, ja?", meinte ich schniefend und löste meine Umarmung. Ich packte den Blonden an den Schultern und hielt ihn so etwas auf Abstand. Fest sah ich ihm in die Augen und wiederholte leicht zitternd: „Nie wieder."

Armin behielt seinen verwirrten Ausdruck, der sich gleich darauf auf Levi richtete als dieser feststellte: „Du bist wach", und eine Rauchgranate abfeuerte, die die anderen darüber informierte, dass jetzt bald Showtime war. „Was ... Was ist überhaupt passiert?", fragte Armin und sah hilflos zwischen mir und Levi hin und her. „Du bist fast abgekratzt und hast dann Berthold gefressen", erklärte Ruby die Sachlage mit so viel Feingefühl wie ein Trampeltier. Entsetzt sah Armin meine Freundin an und stammelte: „Ich habe ... Berthold gefressen? ... W-Wieso?" Ich legte meinen Kopf schief und antwortete mitleidig: „Na, weil du nur noch Grillkohle warst." In Ordnung im Nachhinein gesehen, war meine Antwort recht kaltschnäuzig, aber in dem Moment kam es mir nicht so heftig vor. Zumindest bis ich es dann ausgesprochen hatte.

Als Armins entsetzter Blick zu mir schwankte, verzog ich entschuldigend mein Gesicht. „Sorry, ich habe zu spät angefangen zu denken", entschuldigte ich mich und fing mir gleich einmal einen Schlag auf den Hinterkopf von Levi und einen Boxer auf den Oberarm von meiner Freundin. Ja, die hatte ich verdient.

Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt