94. Dienstvergehen? Ist doch nur halb so schlimm

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Dieser kleine, dämliche ... In meinem Kopf formten sich tausende und abertausende Beleidigungen für dieses rothaarige Trampeltier. Natürlich musste Flocke im ungünstigsten Moment mit dem halbtoten Erwin ankommen. Mir war klar, dass Levi den Verlauf dieser Situation zu genüge kannte. Immerhin hatten wir die Mission gefühlt hundert Mal durchgekaut. Und dennoch hatte ich keine Zweifel, dass Levi trotzdem entschlossen war einen seiner Untergebenen für Erwin zu opfern ... und das ging mir gehörig gegen den Strich. Natürlich war es selbstsüchtig von mir, Erwin sterben zu lassen ... aber zu meiner Verteidigung ... Erwin hatte sich bereits damit abgefunden zu sterben, sollte es so weit kommen, wie es nun mal jetzt gekommen war.

Halb auf dem Dach hängend erläuterte Flocke hoffnungsvoll und kurz vorm Heulen die Fakten: „Kommandant Erwin blutet stark. Ich glaube nicht, dass er es überlebt, wenn wir nicht bald etwas unternehmen." Starr schauten wir drei auf den rothaarigen. Ich war plötzlich so sauer, dass ich dem Idioten mit bloßen Händen den Kopf abreißen hätte können. „Bitte, er braucht die Spritze", flehte der Soldat. Mein Blick wandte sich zu Levi, der mit einem Ruck das Kästchen an seine Brust zog. „Levi", knurrte ich warnend. Wir hatten das zig Mal durchgekaut und Erwin hatte jedes Mal gesagt, wenn es nicht anders ginge, sollten wir ihn sterben lassen. Aber nein! Levi beschloss zum schlechtesten Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte, einen Befehl zu verweigern!

„Ich werde die Hälfte der Spritze Erwin geben und ihn Berthold fressen lassen", verkündete der schwarzhaarige, „Und wer die andere Hälfte bekommt, werde ich entscheiden, wenn wir alle bei Reiner sind." „Aber so viel Zeit haben wir nicht!", schrie Eren verzweifelt, während ich meine Kiefer wütend aufeinanderpresste. Levi half Flocke auf's Dach und legte Erwin neben sich. „Du willst wirklich einen Befehl missachten?", fragte ich durch zusammengebissenen Zähnen und sah meinen Vorgesetzten ernst an. Mit dem üblichen emotionslosen Gesichtsausdruck sah Levi zu mir und erwiderte: „Wenn es der Menschheit nützt ... ja." Während Levi Erwin die Ärmel hochkrempelte fühlte ich mich vollkommen hilflos. Wie ein Tier im Käfig begann ich auf und ab zu tigern und haderte mit mir selbst. Was sollte ich tun? „Aber Armin und Jean haben es doch ebenfalls beide verdient zu leben, oder?!", fragte Eren verzweifelt und wollte Levi in seiner Arbeit aufhalten, wurde jedoch von Flocke abgefangen.

Mein Blick schwenkte von Levi und Erwin zu Eren und Flocke und von denen zu Armin.  In diesem Moment fasste ich einen Entschluss. Ich ließ mich zu Levi rutschen und gerade als er die aufgezogene Spritze zu Erwins Arm senken wollte, hielt ich ihn auf. Wie ein Schraubstock zog ich meine Hand um sein Handgelenk fest und sah ihm stur in die Augen. „Du entscheidest emotional. So wie ich es tun würde und wie Eren es tut und wie jeder andere es tun würde. Erwin würde nicht wollen, dass wir emotional handeln. Er würde jede Variable berücksichtigen. Jede Möglichkeit genau abwägen", meinte ich und schlug vor, „Lass uns erst Berthold, Armin und Erwin zu Jean und Reiner bringen und dann entscheiden wer leben und wer sterben soll." Fest sah ich in die ernsten, grauen Augen. „Du bist nicht Gott, Levi. Das ist keiner von uns", fügte ich zerknirscht hinzu.

Stumm sah er mich an. „Lass mich los" forderte der Hauptgefreite und ohne Nachzudenken tat ich etwas, dass ich wohl alsbald bereuen würde. „Nein." Ich sah ihm an, dass er gleich handeln würde. Dieses kurzzeitige Weiten der Iris, bevor sie sich wieder entschlossen zusammenzog. Es war eindeutig, dass er jeden, der ihm im Weg war, außer Gefecht setzen würde ... und ich war so eine Person. Allerdings kam es glücklicherweise nicht dazu. „Lass Eren sofort los!", schallte die Stimme meiner Freundin über uns hinweg. Irritiert sah jeder in die Richtung, aus der die Aufforderung kam. Am Rand des Daches stand meine Freundin mit vom Weinen geröteten Augen und blutverschmierten Händen und zielte mit einer Pistole auf Flocke. Etwas völlig Unwichtiges, was mir an dem Bild auffiel: Ihr Haare saßen perfekt.

Geschockt sah der rothaarige, der Eren im Schwitzkasten hatte zu meiner Freundin und hob schließlich die Hände. Eren stürzte zu mir und klammerte sich ebenfalls an Levis Handgelenk. Ohne die Pistole von Flocke abzuwenden, schaute sie zu uns und befahl schon fast: „Jean und Armin bekommen die Spritze." „Nein, Kommandant Erwin wird die Menschheit retten. Er ist brillant. So einen brillanten Kopf braucht diese Hölle. Ihr wisst es noch nicht, aber jenseits der Mauer sind alle tot ...", warf Flocke ein und während Eren geschockt zu seinem Kameraden sah, stellte ich nüchtern klar: „Doch das wissen wir. Sonst wärst du nicht hier." „Was?", fragte der rothaarige ungläubig und sah uns geschockt an, „Aber ..." er wollte irgendetwas entgegensetzen, doch in dem Moment begann Erwin zu murmeln: „Was ist passiert?" Verwirrt schauten wir alle den blonden an und sahen ihm dabei zu, wie er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Kopf griff.

„Was zum Teufel ...", fing ich an, wusste aber nicht, wie ich weiter machen sollte. Langsam setzte sich Erwin auf und sah verwirrt umher. „Was ist hier los?", fragte er und versuchte die Situation zu begreifen. „Du lebst", stellte Ruby völlig irritiert fest, „aber ... how?!" Mein Kopf ruckte von Erwin zu Levi und ich meinte: „Ist doch vollkommen egal. Jetzt können wir Jean und Armin verwandeln und dann ist alles wieder gut." Unschlüssig schaute Levi zwischen Erwin und mir hin und her. Ich ließ Levis Handgelenk los und schrie: „Jetzt hör auf so dämlich zu gucken und mach endlich was! Erwin lebt! Da müssen wir doch nicht weiter diskutieren, wer das Serum bekommt!" Levi schien leicht überfordert und sah zu Erwin, der sich langsam wieder fing, und Levi zunickte. „Gut", stellte der Hauptgefreite fest. Hätte ich noch Tränen übriggehabt, hätte ich vermutlich jetzt vor Freude zu Flennen angefangen.

Ruby steckte die Waffe weg und wir halfen Erwin auf die Beine. Zu fünft verließen wir das Dach und suchten einen sicheren Platz. Während Armin Berthold fraß, zeigten wir Levi, wo Jean lag. Als wir bei ihm ankamen, war nur noch Hanji dort, welche Connie und Sasha ebenfalls weggeschickt hatte. Levi spritzte Jean das Serum und unterdessen sammelten wir Connie und Sasha ein und brachten sie ebenfalls zu den anderen.

Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt