Die nächste Zeit zog schnell vorbei. Langsam wurde es kälter und die Blätter der Laubbäume nahmen bereits die unterschiedlichsten Farben an. Und nein, sie wurden nicht blau oder rosa! Bevor hier jemand auf komische Gedanken kommt. Das Training war genauso anstrengend wie immer und ja ... eigentlich war's das. Mehr passierte nicht. Ach, ja, und Connie hatte endlich wieder seine normale Haarfarbe und keinen Orangestich mehr.
Heute war ebenso ein nichtssagender Tag. Es war später Vormittag, wenn ich mich nach dem leichten Hungergefühl richtete. Wir befanden uns im Nahkampftraining und wie immer wurde jede noch so kleine Bewegung von Levi beobachtete. In der Zeit, in der Ruby und ich jetzt hier waren, hatten wir große Fortschritte beim Training gemacht. Zumindest wenn man Hanji davon sprechen hörte, allerdings gab selbst Levi zu, dass wir uns, ich zitiere „ganz passabel entwickeln". Und das soll schon was heißen, wenn unser Griesgram vom Dienst sowas sagte. Während Ruby sich mit Eren kloppen durfte, versuchte ich Jean sein dämliches Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. Bevor jemand fragt: Die Partner wurden zugeteilt. Deshalb konnte ich mir nicht mal eben jemand anderen aussuchen. Aber was soll's ich werde diesem ungehobelten Gaul schon die Fresse polieren.
Nachdem ich eben das zweite Mal auf dem Hosenboden landete, stemmte ich mich wieder in den Stand, atmete tief durch und versuchte mein Bedürfnis, sich blindlinks auf diesen Trottel zu stürzen, zu unterdrücken. Hochkonzentriert nahm ich wieder meine Ausgangsposition ein. Jean machte einen Schritt nach rechts und ich tat es ihm gleich, sodass wir uns weiterhin gegenüberstanden. Wir begannen uns gegenseitig zu umkreisen und warteten, dass einer von uns den ersten Schritt machte. Ha, nicht mit mir, Jean. Als ich mal wieder meine Geduld bewies, die ich durchaus haben konnte, wenn ich wollte, kam Jean mit einem Kampfschrei auf mich zu und zielte mit einer Faust auf meine Nieren. Ich blockte den Schlag ab und zielte mit meiner Faust nun auf seinen Kopf. Jean ließ sich fallen, entkam so dem Schlag und versuchte mir die Füße wegzuschlagen. Schnell machte ich zwei Schritte nach hinten, stolperte typischerweise glatt über meine eigenen Füße, konnte mich aber noch fangen, bevor ich aufgrund von Tollpatschigkeit wieder am Boden hockte. Diese kurze Unsicherheit nutzte das Pferdegesicht natürlich gleich und setzte einen Tritt in meine Magengrube hinterher. Wow, der hat voll gesessen. Ich hielt mir den schmerzenden Bauch, versuchte aber gleichzeitig meine Deckung nicht zu vernachlässigen. Mir war zwar leicht übel, aber ich versuchte es zu ignorieren. Drei Siege gönnte ich ihm auf keinen Fall.
Bis ich meine Deckung wieder vollständig aufgebaut hatte, verlegte ich mich für ein paar Sekunden auf's Ausweichen, was Jean dazu veranlasste zu sagen: „Na, gibst du auf?" Schnaubend nahm ich meine Deckung wieder auf und grinste provokant: „Das hättest du wohl gerne, was?" Jean schenkte mir nur ein überhebliches Grinsen und kam erneut auf mich zu. Er zielte mit seiner Faust genau auf mein Gesicht. Gerade rechtzeitig drehte ich mich zur Seite, dass ich nun mit dem Rücken zu meinem Gegner stand und ihm mit Schwung meinen Ellbogen in den Magen pfeffern konnte. Jean keuchte schmerzerfüllt auf und krümmte sich leicht zusammen. Da ich mir ziemlich sicher war, dass ihn das nicht lange aufhalten würde, brachte ich schnell einen Abstand zwischen uns. „Gar nicht schlecht", schnaubte er, hatte dabei allerdings immer noch dieses überhebliche Grinsen im Gesicht. Mal sehen, wie lange dir das bleibt.
Ich wartete, dass mein Gegner wieder ordentlich stand und ging in die Offensive. Mit drei schnellen Schritten war ich bei ihm und wollte ihm meine Faust auf eine ungeschützte Stelle auf seiner linken Seite rammen. Allerdings fing er meinen Schlag ab, hielt meinen Arm fest, weshalb ich ihn etwas überrascht anblickte, und zielte nun mit einem Tritt genau auf mein Bein. Irgendwie schaffte ich es, mich unter meinem eigenen Arm durchzuwinden, sodass Jean meinen Arm losließ und den Angriff aufgrund der flötengehenden Balance abbrechen musste. Wir atmeten beide als würden wir einen Marathon laufen, doch das hielt doch jemanden wie Jean Kirstein nicht davon ab, gleich noch einen Angriff zu starten. Gezielt schwang er sein Bein in die Luft und zielte auf meinem Kopf. Ich ließ mich fallen, sodass sein Bein schön über mich drüber schwang und schlug ihm stattdessen sein Standbein weg. Mit einem „Uff" kam mein Gegner im Gras auf. „Ha, Sieg!", jubelte ich breit grinsend, ehe ich nickte und meinte: „Wurde aber auch mal Zeit." Jean sah mich nur mit einer hochgezogenen Augenbraue vom Boden aus an. Aus Kameradschaftlichkeit hielt ich ihm die Hand entgegen, die er sogar ergriff und sich von mir aufhelfen ließ.
„Das war gar nicht schlecht", meinte Jean widerstrebend, woraufhin ich meinen Kopf neigte und meinen unsichtbaren Hut als Dank zog. Wir stellten uns erneut in die Ausgangsposition und gerade als ich einen Schritt auf meinen Gegner zu machen wollte, ertönte der Ruf: „Hauptmann Levi!" Jean und ich sahen zu der Quelle der falschen Anrede und auch die anderen hielten in ihrem Tun inne und besahen sich neugierig den jungen, mir unbekannten Soldaten, der auf Levi zueilte. Noch während der Junge, etwas jünger als wir, nehme ich an, auf Levi zulief, rief ich: „Hey, du Spacko!" Der Soldat wurde langsamer und sah sich verwirrt um. „Es heißt Hauptgefreiter Levi!" Nun identifizierte der Junge mich als Sprecherin und blieb fünf Meter vor Levi vollkommen verwirrt stehen. Sein Mund formte das Wort „Was?", woraufhin ich weiter erklärte: „Es heißt nicht Hauptmann! Nicht Captain! Nicht Corporal! Sondern Hauptgefreiter! Und wenn es Hauptgefreiter heißt, dann sagt man gefälligst auch Hauptgefreiter!" Absolut überrumpelt starrte mich der Soldat an und schien nicht zu wissen, was er nun tun sollte, bis Levi den Jungen ansprach. „Ignorier die Irre. Sag mir lieber, was du willst." Irre? Nur ab und zu. Aber schon witzig, wie ich mich über solche Nichtigkeiten wie falsche Anreden aufregen konnte.
Bevor der Soldat dem Schwarzhaarigen erklären konnte, warum er gerade wie ein Wildgewordener auf ihn zu gerannt war, wurden wir noch mit Nachdruck angewiesen: „Und ihr trainiert weiter." Ohne ein Wort wandten wir uns alle wieder unserem Gegner zu und nahmen unser Training wieder auf. Natürlich war ich typisch neugierig und spähte, während Runde vier immer wieder zu Levi und dem Soldaten. Was die da wohl besprachen? Das würde mich ja mal in- ... unachtsam wie ich war, hatte ich Jeans Fuß voll in den Magen bekommen und kippte vor lauter Überraschung einfach zu Boden. Flach atmend lag ich am Rücken und versuchte Wolken zu zählen, um die Schmerzen auszublenden. Während sich Jeans Gesicht in mein Blickfeld schob, hörte ich Ruby rufen: „Toni, alles okay?" „Alles guuut!", rief ich zurück. Jean sah mich skeptisch an und fragte: „Sicher? Du bist ziemlich bleich um die Nase." Kein Wunder, mir war gerade speiübel und schwindelig, aber wer wäre ich, wenn ich das einfach so zugeben würde. „Ja, ja. Gib mir nur einen Moment. Ist gleich wieder vorbei." Mit einem „Warte kurz" verschwand der hellbraunhaarige aus meinem Blickfeld. Zwanzig Wolken später wurde ich an den Schultern in eine sitzende Position gedrückt und von hinten wurde mir ein Wasserbeutel gereicht. „Äh ... Danke", meinte ich überrascht und versuchte den stärker werdenden Schwindel wegzublinzeln. Ich trank einen Schluck von dem kühlen Wasser und mein Kopf wurde wieder klarer. Ungewöhnlich freundlich von Jean. Der heckt doch was aus. „Es reicht! Geht Mittagessen!", wurde uns von Levi zugerufen, der nun mit dem Soldaten verschwand.
Als ich Jean den Trinkbeutel zurückgab, hockte sich Ruby vor mich und sah mich besorgt an: „Und du bist sicher, dass es dir gut geht?" „Ja, du siehst aus wie eine Leiche", bestätigte Connie, der sich hinter Ruby gestellt hatte.„Ach was, ist nur halb so schlimm, wie's wirkt", winkte ich ab und hievte mich schwankend in den Stand. Mit „Na los, lasst uns Essen gehen" schlingerte ich in Richtung Eingangstor und brachte es zusammen eine Hauskante mitzunehmen. Ich machte eine hundertachtzig-Grad-Drehung und lag wieder am Boden. Man, das kratzt jetzt an meinem Stolz. Und wie konnte es anders sein, wurde ich von Ruby ordentlich ausgelacht. Wir waren eben wirklich beste Freundinnen. In meinem Blickfeld erschienen Ruby und Armin, die es irgendwie zusammenbrachten, mich wieder hochzuzerren und auf die Füße zu stellen. Auf dem Weg zur Kantine nahmen sie mich in die Mitte, sodass sie rechtzeitig verhindern konnten, dass ich noch einmal umkippte ... oder eine Hausmauer mitnahm. Allerdings hatten sie nicht mit den wenigen Stufen zum Speisesaal hinunter gerechnet, die ich der Länge nach hinuntergerutscht wäre, wenn sie mich nicht aufgefangen hätten. Und sie haben auch nicht damit gerechnet, dass ich, anstatt über die Bank zusteigen, darüberfliegen würde und auf dem Tisch landen würde. „Dein Essen wirst du jawohl noch alleine Essen können. Oder sollen wir dich füttern?", kam schließlichvon Ruby als wir alle saßen. „Das sollte ich gerade noch hinbekommen", lachte ich etwas beschämt. War. Das. Peinlich.
DU LIEST GERADE
Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!
FanfictionTeil 3 der Attack on Titan becomes reality-Reihe Nachdem die Charaktere aus der Attack on Titan-Welt wieder in ihre Heimat abgereist waren, versanken Ruby und Tonia in tiefer Melancholie ... aber nur bis sie die Idee hatten, ihren Freunden nachzurei...