12. Was ist hilfreich und absolut widerlich?

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Ich schluckte gerade den letzten Löffel meiner Suppe, da öffnete sich die Tür bereits wieder. Herein kam Hanji vollbepackt mit allerlei Phiolen und Döschen in den verschiedensten Größen. Ich legte den Löffel neben die leere Schüssel und sah meiner neuen persönlichen Krankenschwester dabei zu, wie sie die ganzen Sachen auf dem Schreibtisch abstellte. Wollte mich die Irre etwa einbalsamieren? „Sag, Hanji, für was ist das ganze Zeug?", fragte ich etwas ängstlich. Sie legte eine Hand an ihr Kinn und begann: „Das hier ist gegen Fieber, das hier gegen Husten, das hier gegen Schnupfen ... ähm und das hier ist äh ...", sie überlegte kurz und stieß schließlich aus „Ah ja, genau. Das ist gegen alle möglichen Schmerzen." Meine Augen wurden stetig größer als sie bei jeder Nennung immer auf eine Gruppe an Behältnissen zeigte. Nur das Letzte war lediglich ein einziges kleines Fläschchen. Das war doch jetzt ein Scherz. Gegen Husten, Fieber und Schnupfen hatte sie zehn verschiedene Sachen, aber für verschieden Schmerzen hatte sie nur ein Fläschchen?

Ich stieß leicht frustriert die Luft aus und beschloss mir lieber eine Tasse Tee einzuschenken. Außerdem war ich viel zu fertig, um mich jetzt aufzuregen. Der Tee dampfte wie ... frisch gekochter Tee eben, weshalb ich erst einmal viel pusten musste. Ich konnte heißen Tee nämlich erst trinken, wenn er lauwarm war ... das ist ein Widerspruch in sich, oder? Ach egal. Auf alle Fälle beobachtete ich Hanji, während ich meinem Tee zu einer weniger zungengefährlicheren Temperatur verhalf.

Fachmännisch blickte sie die Medikamente an und griff sich schließlich eine dunkelblaue und eine braune Glasphiole. Mit denen in der Hand kam sie die zwei Schritte zum Bett und stöpselte die braune Phiole auf. „Riech mal da dran." Ich zog skeptisch meine Augenbraue hoch, stellte jedoch meine Tasse ab und nahm das Fläschchen entgegen. Ich sog den Geruch des Inhalts einmal ordentlich auf und begann sofort wieder zu husten. Was auch immer da drin war, es brachte meine Nasenhaare dazu zu brennen wie ein Wald von ausgetrockneten Bäumen. Hustend streckte ich der Abteilungsführerin das Mittel wieder entgegen und fragte erstickt: „Was zum Teufel ist das?" „Extrem konzentriertes Minzextrakt." Aha.

„Und wie sieht's aus?", wurde ich gefragt. Ich versuchte auf meinen Körper zu hören und antwortete schließlich: „Ich glaube, meine Zunge ist taub." Hanji stieß ihren Atem aus und erwiderte: „Das meinte ich doch gar nicht, du Dödel. Riechst du wieder was?" Sag das doch gleich. Ich schnupperte in den Raum. Und tatsächlich meine Nase war nicht mehr zu ... dafür roch ich jetzt, dass das Zimmer wie eine Kräuterapotheke roch. Aufgrund der vielen verschiedenen Gerüche, die sich miteinander vermischten verzog ich das Gesicht. Das freute meinen Kopf ja mal so gar nicht.

Ich kniff die Augen zusammen, um die Kopfschmerzen zu mildern. „Und jetzt trink das hier." Ich öffnete meine Augen und vor diesen schwebte nun die dunkelblaue Phiole. Das schmeckte bestimmt widerlich. Mit verzehrtem Gesicht griff ich das Fläschchen und setzte an. „Und schön austrinken", wurde ich angewiesen. Kurz bevor ich jedoch den Inhalt in meinen Mund kippte, machte ich einen Rückzieher und schüttelte mich mit weggestreckter Phiole, aufgrund des zu erwartenden Geschmacks. Als wäre die Medizin eine dicke fette Spinne betrachtete ich sie mit Abneigung. Allerdings zwang ich mich das Fläschchen erneut anzusetzen. Als ich mir den Inhalt in den Rachen leerte, hielt ich mir die Nase zu. Nur leider brachte das nicht viel. Das Zeug war bitterer als hundertprozentige Rohschokolade. Mich schüttelte es einmal durch und Hanji nahm mir das Behältnis mit den Worten „Am besten schnell etwas nachtrinken" ab. Auf den Rat meiner Pflegerin hörend nahm ich mir die Tee Tasse und schluckte großzügig, sodass ich gleich wieder anfing zu Husten. Das war ein verdammter Teufelskreis.

Um das Husten endlich loszuwerden, nahm ich einen weiteren gesitteteren Schluck. Diesmal jedoch fiel mir etwas auf. Skeptisch beäugte ich den Tee. „Du hast nicht zufällig irgendwo Zucker rumstehen." Sie sah mich kurz überrumpelt an, lächelte dann aber entschuldigend und erklärte: „Tut mir leid zu teuer." Ich seufzte. Dann eben nur farbiges Wasser. „Lass das bloß nicht Levi hören. Er hat den Tee gemacht." Verwirrt schaute ich zu Hanji. Wie...? Ach, ich hatte wohl einfach nur laut gedacht. Mein Blick veränderte sich und ich nickte trübselig. Jetzt wusste ich wieder, warum ich morgens keinen Tee trank, sondern einen Krug Wasser. Ich trank noch eine weitere Tasse des geschmacksfaden Tees und reichte Hanji anschließend das Tablett. „Danke." Sie lächelte mich fürsorglich an und meinte: „Am besten du schläfst jetzt. Ich komme dann später wieder." Gleichzeitig bewegte sie sich Richtung Tür und wurde zum Ende hin immer leiser, bis sie schließlich die Tür schloss. Vermutlich hatte sie recht. Ihrem Rat folgend ließ ich mich wieder in die Kissen fallen und schloss die Augen. Eingekuschelt in die Decke wartete ich schließlich, dass ich wegdriftete ... was ziemlich lange auf sich warten ließ.

Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, fühlte ich mich wie gerädert und das Licht hatte eine leicht rötliche Färbung. Ich hasse krank sein. Meine Augen glitten zur Uhr. Halb sechs. Ich hatte den Tag komplett verschlafen. Ich stieß meinen heißen Atem aus. Auch egal. Ich war krank und Kranke durften das.

Ich schloss erneut meine Augen, hatte aber nicht vor jetzt noch einmal einzuschlafen. Allerdings hatte ich nichts anderes zu tun, weshalb ich eingewickelt in meine Decke den Geräuschen lauschte, welche zu meinem Zimmer durchdrangen. Es war vor allem Getrampel und laute Stimmen. Ich öffnete meine Augen erst als ich das Quietschen der Zimmertür vernahm. Ohne meine Position zu ändern, schielte ich zum Eingang. Durch diesen kam eben Ruby und schaute zu mir. „Wie geht's dir?" Ich zog ganz undamenhaft meinen Rotz wieder hoch und erwiderte halb in meinem Polster versunken: „Naaaah ... so gut wie." Ruby, die wohlgemerkt noch immer im Türrahmen stand, was ich ziemlich eigenartig fand, begann zu grinsen. Sie trat ganz durch die Tür und ihr folgten sechs weitere Personen. Hätte nicht gedacht, dass eine ganze Einheit in unser Zimmer passen würde.

Nun grinsten mich sieben Gesichter an. „Wie geht's dir, Tonia?", wurde ich erneut gefragt. Nur diesmal von Eren. Ich rollte meine Augen zu dem Titanenjungen und nuschelte: „Geht so weit." Daraufhin richtete ich mich wie ein Zombie auf und wickelte mich im Schneidersitz in meine Decke ein. Dass meine Haare zurzeit ausschauten als wäre ein Vogel eingezogen, interessierte mich dabei nicht sonderlich. Wie bereits gesagt: ich war krank. Ich durfte das. Während Armin mir eine Schüssel mit Suppe reichte und ich mich bei ihm bedankte, hatte Ruby ihre Schuhe abgestreift, war zu mir hochgeklettert und sah nun auf unsere Freunde herab.

Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt