46. Heilige Scheiße, was tust du?! ... Was tu ich?!

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Es verging eine Stunde nach der anderen, die Stimmung wurde ausgelassener und die Leute angetrunkener. Toll, nicht? Mikasa hatte sich vor einer Stunde verabschiedet mit der Begründung, dass sie morgen fit sein wollte. Am liebsten hätte ich mich ihr angeschlossen, allerdings schaffte ich es nicht mich von meiner Babysitterrolle gegenüber Ruby loszueisen, da sie schon das ein oder andere Bierchen intus hatte und meiner Meinung nach ein wenig ZU gut drauf war. Versteht mich nicht falsch, hier brachten alle noch einen geraden Satz heraus, aber sie verhielten sich wie Kleinkinder. Selbst Armin ließ mich dieses Mal im Stich und hatte wohl etwas zu viel Alkohol im Blut. Wäre Alkohol nicht so widerlich, würde ich mich schon längst volllaufen lassen, um mir das nicht ansehen zu müssen. So ungern ich das zugebe, aber nüchtern sein ist echt mies.

Absolut gelangweilt lehnte ich also bei meinen Teamkollegen am Tisch und hörte dem Gespräch zu, welches soeben von der Stimme meiner Freundin unterbrochen wurde: „Hey! Wen findet ihr eigentlich cooler? Eren mit seiner Titanenkraft oder Levi als den stärksten Soldaten?" Ohne zu zögern, sprang Eren auf, hob eine Hand als würde er aufzeigen wollen und rief: „Eren!" „Du zählst nicht. Setz dich wieder hin", grummelte Ruby wie ein trotziges Kleinkind, woraufhin Eren beleidigt die Arme verschränkte und wieder auf die Bank plumpste, um zu schmollen. „Also, ich finde ja Levi viel cooler", stellte Jean fest. Woraufhin Sasha rief: „Ich bin für Eren!" „Nein. Levi", warf nun auch Connie ein. „Eren!", widersprach Sasha energisch. „Levi!", kam nun wieder von Jean. Und so ging das einige Male hin und her, während ich kurz die Augen schloss. So. Ein. Kindergarten. „ARMIN!", wurde plötzlich von dem gleichnamigen voller Begeisterung eingeworfen, woraufhin der blonde irritiert von den anderen angesehen wurde. Ich seufzte und ließ mit einem genervten Stöhnen meinen Kopf von der Hand rutschen und ihn auf die Tischplatte knallen. „Wofür habe ich das verdient?", jammerte ich gegen das Holz. Was habe ich dem Universum getan, um immer wieder zwischen angesoffenen Leuten zu landen.

„Armin for president!", rief plötzlich Rubys Stimme und ich sah auf und bekam einen halben Herzinfarkt. Ruby kletterte auf den Tisch und stand vor- und zurückschwankend auf der Kante. Erschrocken fuhr ich hoch und schrie Ruby streng an: „Runter vom Tisch!" Der Moment, in dem Ruby mich überrascht anblickte und nach hinten kippte als sie schmollte: „Aber wieso?", dauerte für mich eine kleine Ewigkeit. Mit pochendem Herzen meinte ich mit bestimmter, lauter Stimme: „Sofort!" Ich fühlte mich ein wenig wie die Mutter von sechs Rotzlöffeln. „So eine Spielverderberin." Grummelnd stieg sie vom Tisch und setzte sich beleidigt an ihren Platz, während sie von Eren ausgelacht wurde. Völlig fertig setzte ich mich ebenfalls wieder und vergrub mein Gesicht in den Händen. WARUM?!?!

Einmal tief durchatmend sah ich auf, stieg über die Bank und wollte gehen. „Wo gehst du hin?", fragte mich Armin in meinem Rücken. Ich drehte mich um und antwortete dem blonden, der mich neugierig von dem Tisch aus ansah: „Zu jemanden, der noch nicht so vernebelt ist wie ihr Weichbirnen." Mit Schwung wandte ich mich wieder um und setzte meinen Weg fort. Vielleicht ein bisschen hart, aber das werden sie schon verkraften. „Hält man ja nicht aus", murmelte ich zu mir selbst und steuerte auf die einzige verbleibende Person im Raum zu, die mit Sicherheit noch nüchtern war und bei der ich mich nicht wie ein verschüchtertes Mädchen verhielt. Schnaubend platzierte ich mich auf der Bank mit Blick auf den Tisch meiner Freunde. „Die Schnauze voll?", kam die monotone Frage zu meiner Linken. Ich drehte meinen Kopf zu Levi und statt zu antworten, stellte ich eine Gegenfrage: „Fühlst du dich so, wenn Hanji dich zulabert?" Ohne auf seine Antwort zu warten, beobachtete ich wieder das Gegröle meiner Teamkollegen. Von meiner Linken kam ein zustimmendes Brummen. Wie hält der das nur aus? Ich mache schon nach ein paar Stunden schlapp und er fühlt sich tagtäglich so. Mann, Mann, Mann. Ich legte meine verschränkten Arme auf den Tisch und bettete meinen Kopf darauf. „Ich werde das Folgende nicht zweimal sagen und wehe du lässt es dir zu Kopf steigen, aber du tust mir echt leid." Ich schielte zu Levi und wartete auf seine Reaktion. Allerdings kam keine. Dann nicht. Stumm nebeneinandersitzend sahen wir den Mitgliedern der Spezialeinheit einige Zeit dabei zu, wie sie quer über den Tisch etwas diskutierten und sich dabei aufführten wie eine Horde wildgewordener Affen. Und sowas nenne ich wirklich meine Freunde?

Irgendwann donnerte Levi seinen Krug auf den Tisch, was mich aufschauen ließ. Er warf mir nur einen kurzen Blick zu als er sich mit einem kühlen „Gute Nacht" verabschiedete ... oder zumindest wollte er das. Denn kaum stand er auf und wollte über die Bank steigen, um sich in seine wohlverdiente Ruhe zurückzuziehen, klammerte ich mich an Levis Arm und zog ihn zurück auf die Bank, während ich ihn verzweifelt ansah. „Wo willst du hin? Du kannst mich doch nicht mit den Irren alleine lassen." Ich sah kurz zu meinen Freunden, ehe ich wieder in die skeptischen, grauen Augen blickte. „Wer weiß, vielleicht werd' ich dann ja noch dümmer. Und ich will nicht dümmer werden", jammerte ich und erntete nur eine hochgezogene Augenbraue. In einem letzten verzweifelten Versuch schoss ich all meinen Stolz in die nächste Galaxie und flehte meinen Vorgesetzten an: „Bitte ... Lass mich nicht alleine." Ich schaffte es sogar eine Träne rauszudrücken. Ha, das war echt eine Glanzleistung. Das ich tatsächlich so verzweifelt war, hier vielleicht alleine rumzusitzen, und deswegen fast zu flennen anfing, muss ihm doch niemand verraten. Schließlich verdrehte er die Augen und nuschelte: „Meinetwegen. Dann mache ich eben noch 'nen Tee." Anstatt sich hinzusetzen, schnappte er sich unsere Krüge und verschwand in der Küche. Mir widerstrebte es zwar ihn gehen zu lassen, aber ich wollte nicht auf meinem Glück, dass er doch hierblieb, herumtrampeln wie auf lästigen kleinen Insekten, deswegen sagte ich lieber nichts.

Zehn Minuten später stellte mir der schwarzhaarige eine Tasse vor die Nase, die ich überrascht ansah. Während der Hauptgefreite schon an seiner Tasse nippte, roch ich erst einmal daran. Ich konnte den Geruch nicht zuordnen, weshalb ich die dunkle Flüssigkeit skeptisch betrachtete. Das ist zu hundert Prozent Schwarztee ... Ich hasse Schwarztee. Um Zeit zu schinden, pustete ich so lange bis der Tee lauwarm war und ich nun doch einen Schluck trinken musste. Augen zu und durch. Ah, bitte lass den besser sein als alle die ich bisher gekostet habe. Während ich die Augen zusammenkniff und trank, versuchte ich mir einzuprügeln: Levi meint es nur gut. Tu es für Levi. Spätestens als ich dann einen Schluck trank und ihn fast sofort wieder ausgespuckt hätte, dachte ich dann nur noch: Der Kerl hasst mich abgrundtief. Eigentlich wollte ich zumindest die Tasse austrinken, aber als es mir beim zweiten Schluck fast hochkam, schob ich mit verzogenem Gesicht die Tasse von mir und meinte zu Levi: „Danke für den Tee, aber ich glaube, ich werde mich mit Schwarztee nie anfreunden." Levi sah mich nur kurz skeptisch an, ehe er den Kopf schüttelte und etwas das sich nach „Banause" anhörte nuschelte. So saßen wir weiterhin schweigend da.

Nach einer Stunde, in der Levi und ich nicht mehr als fünf Wörter gewechselt hatten, begannen mir die Augen zuzufallen und mein Kopf immer wieder nach vorne zu kippen, woraufhin ich hochschreckte und das Ganze zwei Minuten später wieder von vorne begann. Wieso konnte Ruby nicht einfach schlafen gehen? Als ich abermals kurz davor war wieder wegzunicken, wurde ich an der Schulter gerüttelt und sah verschlafen zu Levi, dessen Hand noch immer auf meiner Schulter ruhte. „Geh schlafen. Ich pass auf, dass sie sich nicht aus Versehen selbst absticht", meinte er augenverdrehend und ich brauchte kurz, um das Gesagte zu begreifen. „Wirklich?", fragte ich unsicher. Als er dann nickte, hatte mein Hirn einen Kurzschluss und ich warf mich dem Schwarzhaarigen um den Hals. „Danke, ich schulde dir was", nuschelte ich an ihm hängend wie eine Klette. „Ja ist gut", kam genervt zurück und ich merkte, dass es schleunigst Zeit wurde, dass ich verschwand. Deswegen nahm ich schnell wieder einen gebührlichen Abstand ein und ... verbeugte mich? Also, ich habe keine Ahnung, wo das herkam, aber ich brachte es zusammen mich zu verbeugen, während ich mich noch einmal bedankte, um mich dann müde winkend mit einem dahergebrabbelten „Gute Nacht" zu verabschieden. Als ich dann aus dem Speisesaal draußen war und fröhlich und kurz vorm Einschlafen auf dem Weg in mein Bett war, stockte ich mitten auf der Treppe. Was zum Teufel hatte ich da eben getan?! Ich habe Levi umarmt und mich vor ihm verbeugt. Wieso zur Hölle mache ich sowas? Bin ich lebensmüde? Mir kam die Nacht auf der Expedition wieder in den Sinn und ich konnte mir meine letzte Frage mit einem klaren „Ja" beantworten. Dann ist ja alles gut. Erleichtert, dass ich das nun geklärt hatte und nun offiziell geistig nicht mehr ganz gesund war, ging ich grinsend ins Bett und schlief mit dem fröhlichen Gedanken Ich werde Levi nie wieder unter die Augen treten können ein.

Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt