20. Dafür sind beste Freundinnen da

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Wie ich bereits vermutet hatte, konnte es Levi nicht auf sich sitzen lassen, dass eines der zwei unfähigsten Teammitglieder eben mal nichts machte. Deshalb durfte ich flott das Pferd absatteln und in den Stall bringen und dann hieß es Nahkampftraining.

Grinsend stellte ich mich wieder zu Ruby, die noch immer dreinschaute wie Muffi von den Schlümpfen. Nur nicht so blau. Da Levis Trainingsmethode nach dem Motto „Learning by doing" ablief, ließ er Ruby und mich einfach mal gegeneinander antreten. „Ist das nicht ein wenig unfair? Ruby hat doch einen Vorsprung im Training", fragte ich in der Hoffnung, abwenden zu können, dass ich elendig gegen meine Freundin versagte. „Ein echter Gegner wird sich nicht zurückhalten, nur weil du nicht so viel Erfahrung hast wie er", kam die ernüchternde Antwort. War ja klar. Sowas hätte ich eigentlich erwarten können.

Ich verdrehte die Augen und wandte mich schnaubend Ruby zu, deren Blick entschlossen war, mich dafür büßen zu lassen, dass ich ihren freien Nachmittag zerstört hatte. Na ja, war ich selbst dran schuld.
Wir stellten uns in die bereits gelernte Ausgangsposition, die uns Levi bei unserem ersten Besuch wortwörtlich eingeprügelt hatte. Rubys entschlossener Blick heftete sich auf mich und ich sah mich jetzt schon jammernd am Boden liegen. Meine Gedanken waren ja mal wieder positiv heute. Ich beobachtete jedes Zucken meiner Freundin und wagte nicht zuerst anzugreifen, da ich nicht wusste wie, weil ich nicht wusste wie Ruby auf was reagieren würde. Im Endeffekt versuchte ich gerade irgendwie alle möglichen Aktion-Reaktion-Situationen durchzudenken. Allerdings wollte ich das alles so schnell wie möglich machen, weshalb in meinem Kopf schließlich nur ein Wirbel aus nicht zu fassen bekommenden Gedanken entstand. „Hör auf zu denken", wurde mir plötzlich von Levi mitgeteilt. „Hä?" Ich drehte mich irritiert zu dem schwarzhaarigen. Konnte der jetzt wirklich schon Gedanken lesen?

Auf so einen Moment hatte Ruby wohl gewartet. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Bewegung und hörte das leise Geräusch von raschelndem Gras. Gerade noch machte ich zwei schnelle Schritte zurück und Rubys Schlag ging ins Leere. Es hatte wohl doch seine Vorteile wegen den Katzen schon beinahe paranoid auf jedes kleinste Geräusch zu achten. Ruby verlor allerdings keine Zeit und kam mir sofort hinterher. Mit einer zugegeben wirklich eleganten Drehung katapultierte sie ihren Fuß auf meine Kopfhöhe und ließ ihn nun auf eben diesen zusausen. Also, damit war jegliche Freundschaft zwischen uns erst mal dahin. Haarscharf zischte ihre Schuhsohle an meinem Gesicht vorbei als ich mich noch gerade rechtzeitig ein Stück zurücklehnte. Oh man, Levi hatte wohl wirklich eine Vorliebe für Tritte. Ich erkannte in ihrer Haltung keinerlei Angriffsfläche. Ich vermutete mal, dass es Hunderte gab, aber ich sah eben null davon. Also musste ich wohl eine andere Strategie suchen.

Ich nahm einige Schritte Abstand, um vielleicht eine eingebende Idee zu erhalten. Als mir auffiel, dass meine Freundin den Abstand sofort wieder aufschloss, kam mir DIE Idee. Bevor ich meine Eingebung jedoch umsetzen konnte, führte Ruby allerdings einen Schlag in Richtung meiner Magengrube aus, den ich zu spät kommen sah, weshalb ich den wohl oder übel einstecken musste. Mit mehr Wucht als ich vermutet hatte, traf mich der Schlag. Oh ha, ich glaube, ich muss gleich kotzen. Leicht gekrümmt stand ich da und hoffte auf Gnade. Meine Hoffnung ging flöten als Ruby erneut mit ihrem Fuß auf meinen Kopf zielte.

In meinen Gedanken blitzte ein Bild auf und schon hatte ich eine neue Verteidigung. Ich griff Rubys Knöchel in der Luft und klammerte meine Hände darum. Ruby sah mich mit großen Augen an, ehe sich ihr Blick wieder verfinsterte. „Lass los", fauchte sie mich an. „Nö." „Lass los." „Nö." „Let. It. Go." Das war jetzt aber wirklich unglücklich ausgedrückt. Das hätte sie nicht sagen dürfen. „Let it go. Let it gooo. Turn away and slam the door."* Ruby hob eine Augenbraue. Sie brauchte gar nicht so zu schauen, dass hatte sie selbst zu verschulden. Ihre Ablenkung ausnutzend stellte ich mich breitbeinig etwas seitlich zu ihr auf, platzierte einen meiner Füße vor ihrem Fuß, der noch am Boden stand und zog das Bein in meiner Hand nach vorne. Sie ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht wiederzufinden. Als das allerdings erfolglos blieb und sie fiel, klammerte sie sich an meinen Arm und so landeten wir beide am Boden.

„Unentschieden?", keuchte ich. In den Himmel schauend vernahm ich ein gebrummtes „Na gut". Wir richteten uns wieder auf und ich streckte ihr die Hand entgegen. „Quit?" Mit finsterem Gesichtsausdruck haute sie mir die Faust in die Seite und schlug dann mit einem Grinsen ein als hätte sie das schon ganze Zeit im Gesicht kleben gehabt. „Quit." Ja, ja ich war selbst dran schuld, ich weiß. Mit einer Friede, Freude, Eierkuchen-Stimmung zwischen uns standen wir auf und gingen erneut in die Ausgangsposition.
Das Training dauerte noch einige Zeit, bis wir von Levis Aufforderung Duschen zu gehen entlassen wurden.

Schneller als ein Blitz verließen wir den Trainingsplatz, um nicht doch noch irgendetwas aufgebrummt zu bekommen. Wir holten uns neue Kleidung aus dem Zimmer, gingen Duschen und warfen die schmutzige Wäsche in unserem Zimmer auf einen Haufen. Um die würden wir uns wann anders kümmern. Weil mir ziemlich warm war, suchte ich noch nach einem Haargummi und kramte in einem Kulturbeutel herum. „Ich weiß doch, dass ich welche eingepackt habe", murmelte ich vor mich hin und leerte schließlich den Beutel aus. Es kam alles heraus. Nur kein Haargummi. Genervt stöhnte ich auf.„Wieso findet man die Dinge eigentlich nie, wenn man sie sucht?!" „Es ist so!", stimmte mir Ruby zu und verschränkte ihre Arme. Entnervt stopfte ich die Sachenwieder zurück in den Beutel als ich stockte. Ein Grinsen breitete sich aufmeinem Gesicht aus. „Schau mal, was ich gefunden habe", meinte ich zu Ruby und hielt einen Salzstreuer in die Höhe. „Halleluja, es gibt einen Gott!", rief meine Freundin aus. Ich überreichte ihr den Salzstreuer und suchte noch ein paar Minuten weiter, ehe ich entnervt aufgab und wir schließlich mit unserem Heiligtum essen gingen.
Das war vielleicht mal ein Tag. Aber endlich ein gewürztes Abendessen zu haben, machte alle Strapazen weg.

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* Eigentlich sollte ich es nicht erwähnen müssen, aber aus Copyrightgründen tu ich's trotzdem: "Let it go" ist aus dem Film "Die Eiskönigin"/„Frozen" und gehört logischerweise nicht mir.

Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt