73. Mir war ein Picknick noch nie so suspekt

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Auch die darauffolgende Woche behielt Jean seine sonderbare Freundlichkeit bei. Sowohl beim Training als auch bei Rubys Morgenkaffee, den sie schon gar nicht mehr hinterfragte. Mittlerweile schien meiner Freundin sein komisches Verhalten schon gar nicht mehr aufzufallen, während ich einfach noch immer skeptisch blieb. Konnte doch nicht sein, dass der einfach nur so freundlich war, ohne Hintergedanken zu haben. Selbst Connie entging die anhaltende Freundlichkeit seines Kameraden nicht und so hatte er mich gestern mit misstrauischer Miene gefragt, ob ich wüsste, ob zwischen Ruby und Jean etwas laufen würde. Natürlich verneinte ich und fragte lachend, auf was für dumme Gedanken er doch komme, ehe ich direkt danach zu Ruby sprintete und ihr dieselbe Frage stellte, woraufhin ich eine ähnliche Antwort wie Connie von mir bekam.

Das alles lief natürlich während des Trainings ab. Denn wer glaubte, Levi würde nach drei Wochen pausenlosen Trainings jetzt etwas humaner sein, der täuschte sich gewaltig. Erst nach fünf Wochen gab er uns nach einem eingehenden Gespräch mit Erwin einen freien Tag. Und das wirklich erst, nachdem uns unsere Kameraden dazu überredet hatten erst mit Levi und als dieser nicht einlenkte, dann mit Erwin zu sprechen, der Levi dann fast dazu zwang uns einen Tag frei zu geben, bevor wir die nächste Shiganshina-Planbesprechung beendeten ... und weil Levi danach so missmutig dreinschaute, hatten wir uns sogar bei ihm entschuldigt, ohne wirklich zu wissen wieso.

Tja, und so hatten wir heute einen freien Tag. Die Sonne knallte für Anfang März vom Himmel, als wäre es tiefster Hochsommer und schmolz die restlichen Schneereste. Ruby und ich hatten endlich mal wieder ausgeschlafen und beendeten entspannt unser Frühstück. Zurück in unserem Zimmer stellte sich Ruby gleich einmal überlegend vor den Kleiderschrank, weshalb ich skeptisch fragte: „Suchst du irgendetwas Bestimmtes?" Sie wandte sich nicht von der Kleidung ab und erwiderte: „Ich überlege, was ich zu dem Picknick heute anziehe?" Hä? Was für ein Picknick? Interessiert legte ich den Kopf leicht schief und hob eine Augenbraue.

„Okay, was hat man mir schon wieder nicht gesagt?", ließ ich verlauten und wartete auf eine Antwort. Es dauerte zwar etwas, da Ruby erst eine Bluse aus dem Schrank nahm, sie entfaltete, betrachtete, wieder zusammenfaltete und zurücklegte, bevor sie sich zu mir drehte und mir nüchtern erklärte: „Jean macht ein Picknick und hat alle aus dem Team eingeladen." Kaum war sie fertig, drehte sie sich wieder zu dem Schrank und überlegte weiter. Jean machte ein Picknick? Für das ganze Team? Jetzt wird's aber wirklich gruselig. Jean machte sich doch nicht einmal die Arbeit, die Zutaten für das Essen klein genug zu schneiden, weshalb man zum Essen seines Eintopfes schon fast ein Messer benötigte. Und da machte er wirklich für acht Personen ein halbes Buffet? Mal ganz zu schweigen, dass ich davon nichts wusste ... allerdings war ich für ihn ja noch immer Luft, also war das jetzt nicht so verwunderlich, aber trotzdem!

„Und wann soll das genau sein?", fragte ich weiter und bekam von meiner Freundin, die mit ihrem Kopf im Kasten steckte, zurück: „Heute Mittag bei irgendeinem See. Soll angeblich ganz easy zu finden sein." Ich ließ meinen Kopf einfach nur auf die andere Seite fallen und meinte nüchtern „Aha." Irgendwas war doch faul an der ganzen Geschichte. „Seit wann hast du die Einladung denn schon?", hakte ich nach. „Seit einer Woche." Mir klappte der Mund nach unten. Ich war kurz davor sarkastisch loszulachen. Wenn dieses Picknick schon seit einer Woche feststand und keiner in dieser Zeit ein Wort darüber verloren hatte, war da definitiv irgendwas faul. Immerhin waren unsere Teamkollegen richtige Tratschtanten.

Als Ruby und ich dann auf dem Weg zum Picknick, nach zwei falschen Abzweigungen, wo wir plötzlich im ärgsten Dschungel standen, endlich zu dem See gefunden hatten und dort eine einfache Decke, wo gerade so zwei Personen darauf Platz hatten, ausgebreitet war, wusste ich auch genau, was faul war. Dieser kleine Maulesel schmeißt sich an die Ex von seinem besten Freund ran. Ja, ihr habt richtig gehört, Connie und Jean hatten sich wieder einigermaßen eingekriegt.

Ich blieb skeptisch stehen und verschränkte die Arme. Soll ich was sagen oder einfach meine Klappe halten? Auch Ruby blieb stehen und sah misstrauisch auf das liebevoll drapierte Picknick. „Das ist aber nicht für alle", stellte Ruby mit einem gewissen Unterton fest, den man gerne als Grollen bezeichnen konnte. Rubys Blick sprach ebenfalls Bände ... und zwar Bände wie Game of Thrones. Jean entfiel das keinesfalls, denn der kratzte sich verlegen am Nacken und versuchte irgendwo in seinem mit Holzwolle gefüllten Kopf eine Antwort zu finden. Tja, Jean, das nächste Mal solltest du einfach ehrlich sein. „Ähm ... Hm ... das ist so ...", brachte unser Gegenüber heraus. Wie süß ... er ist total verknallt.

Und das war der Moment, an dem ich einfach umdrehte und meinte: „Sagt Bescheid, wenn es für mich doch noch was zu essen gibt." Ruby rief mir noch ein vorwurfsvolles „Tonia" nach, das ich geflissentlich ignorierte und zurück zum Hauptquartier ging. Ich würde mich da sicher nicht einmischen. Zumindest nicht solange, bis Ruby meinte, Jean bräuchte eine Abreibung. Dann würde ich mich mit Freuden einmischen, aber ansonsten würde ich mich da nicht hineinziehen lassen. Das war mir alles schon zu verwirrend mit Jean und seinem netten Verhalten. Mit dieser Einstellung plumpste ich am Waldrand an einen Baumstamm, der von der Sonne angestrahlt wurde und sah dumm ins Nichts. Gut. Was mache ich jetzt?

Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich dort saß und in meinen Gedanken herumdümpelte, doch irgendwann knurrte mein Magen und ich ging zum Mittagessen. Leicht müde ließ ich mich neben Armin fallen und löffelte stumpf mein Essen. Den skeptischen Blick der anderen bekam ich genauso wenig mit wie das Gespräch, das sie führten. Ich wurde schließlich aus meiner Stumpfsinnigkeit geholt als vor meinem Gesicht eine Hand herumwedelte. Langsam drangen die Geräusche um mich herum wieder zu mir durch und ich sah verwirrt zu Eren, der mir gegenübersaß und mir fast die Hand ins Gesicht schlug. „Hm?", machte ich aus meiner Trance erwachend. „Connie hat gefragt, wo Ruby ist?", erklärte mir der braunhaarige. Ich seufzte: „Jean anschreien", aß einen Bissen Eintopf und ergänzte, „Glaube ich zumindest." „Und wo ist Jean?", fragte nun Connie misstrauisch, woraufhin ich in einer beinahe wehmütigen Tonlage erwiderte: „Picknicken." Während ich ungerührt weiteraß, wurde Connies Blick noch misstrauischer. Wie gesagt, ich würde mich da nicht noch einmal einmischen. „Wie darf man das verstehen?", fragte Connie nun energisch nach und ich warf ihm meinen besten Mir doch egal, sieh selbst nach-Blick zu als ich erklärte: „So wie ich es gesagt habe." Demonstrativ stopfte ich mir einen Löffel in den Mund, um zu zeigen, dass das Thema für mich beendet war.

Doch Connie schien gerade erst in Fahrt zu kommen. „Ja, aber das ist doch ...", begann er bereits zu wettern und ich donnerte meine Hand auf den Tisch, während ich aufstand. „Jetzt hör einmal zu. Mir ist deine Eifersuchtskrise gerade scheiß egal. Ruby hat mit dir Schluss gemacht, also kann es dir doch völlig schnuppe sein. Und wenn es das nicht ist, dann hör wenigstens auf mich da mit hineinzuziehen. Klar?", grollte ich und plumpste mürrisch wieder auf meinen Hintern, während ich von den fünf Anwesenden einfach nur leicht überfordert und irritiert angesehen wurde. Danach war es erst einmal ruhig am Tisch.

Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt