49. ... der vollgerotzten Halstücher und der Strafen

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Also, so langsam, könnte ich darauf wetten, dass mein Leben innerhalb der Mauern öfter vor meinem inneren Auge vorbeilief als außerhalb der Mauern. Und das soll schon was heißen, möchte ich meinen.

Um auf den Punkt zu kommen, könnt ihr euch das so vorstellen: Eren schnäuzte sich in das Stofftuch, dass neben den Papierstapeln lag und somit offensichtlicher als offensichtlich Levi gehörte. Wir konnten ihm natürlich nur mit offenem Mund zusehen und in unserer Position verharren, während Eren nur verwirrt fragte: „Was?" Ruby schloss den Mund und wollte ansetzen etwas zu sagen als hinter uns eine Tür zufiel. Erschrocken sahen wir zur Küchentür, vor der Levi mit einer Teekanne in der Hand stand. Bei zwei Sekunden längerer Betrachtung fiel mir auf, dass der oberste Knopf seines zugegeben schneeweißen Hemdes offen waren und sein Hals nicht von dem üblichen Halstuch geziert wurde. Scharf sog ich die Luft ein. Oh Götter, beschützt uns!

Levi sah skeptisch zwischen uns zwei Geschockten hin und her. Von seiner Position aus verdeckten wir Eren und sein vollgeschnoddertes Halstuch vollkommen. In diesem Moment, wo man uns in die Tiefen unserer Seele blickte, wusste ich noch nicht, ob ich darüber glücklich sein sollte oder nicht. Doch das Problem löste sich zum Glück drei Sekunden später in Luft auf als Levi eine Augenbraue hochzog und fragte: „Was ist?" Ohne irgendetwas abzusprechen, traten Ruby und ich instinktiv einen Schritt auseinander und zeigten auf Eren, ehe wir beide gleichzeitig ausriefen: „Er war's!" Während wir so dastanden und anklagend auf Eren zeigten, der nun langsam begriff, welchen Fehler er begangen hatte, herrschte eisige Stille. Ich hätte wirklich wetten können, dass mit jeder dahinschleichenden Sekunde, die verging, die Temperatur abnahm.

Nach den längsten zehn Sekunden in meiner bald zu Ende gehenden Lebensgeschichte machte Levi schließlich mit undurchschaubarer Miene einen Schritt auf uns zu. Dann noch einen und noch einen ... und so weiter und so fort, bis er sich äußerlich entspannt vor die Dokumente fallen ließ, sich seelenruhig einen Tee einschenkte und eines der Papiere vor sich zog. Einfach nur sprachlos verfolgten unsere drei Augenpaare jede Bewegung. Er überprüfte und unterzeichnete geschlagene zwei Dokumente, ehe er seinen Blick wieder hob, den Stift weglegte und uns mit stahlhartem Blick anschaute. Jetzt ist es so weit ... schon wieder. „Ihr werdet demnächst sämtliche Fenster im Haus putzen", kam mit der gewohnt monotonen Stimme. Kein Hauch von Wut oder sonst irgendwas. Wir drei nickten einfach nur eifrig, glücklich noch zu leben. Wir trauten uns nicht einmal eine andere Bewegung, ohne Erlaubnis zu machen. Eren hatte unser Glück immerhin schon genug strapaziert. „Außerdem werdet ihr Morgenfrüh zehn Strafrunden laufen", ergänzte der schwarzhaarige, was mit einem dreistimmigen „Jawohl!" beantwortet wurde. „Und jetzt verschwindet", endete unser Vorgesetzter, während er seine Arbeit erneut aufnahm. Schneller als man schauen konnte, waren wir aufgesprungen und aus dem Speisesaal geeilt. Keiner wollte Levis Laune auf weitere Proben stellen. Das war haarscharf.

Draußen am Gang, auf dem Weg den anderen mittzuteilen, dass wir Eren gefunden hatten, knurrte ich den braunhaarigen an: „Das war mir dieses Gespräch definitiv nicht wert!" Schnaubend verschränkte ich die Arme und drehte mich wieder nach vorne. Von Ruby wurde der Titanenwandler einfach nur gänzlich ignoriert. Als wir die Treppe in den ersten Stock hochgingen, kam uns Hanji entgegen, die freudig rief: „Ihr habt ihn gefunden!" „Was für eine Freude", grummelte ich sarkastisch. Eren hatte einen gewissen Sicherheitsabstand eingenommen als würden Ruby und ich möglicherweise spontan explodieren. „Was ist denn mit euch los?", fragte nun Hanji überrascht und Ruby fauchte in Erens Richtung: „Levi und Erens Midlifecrisis sind passiert." „Es tut mir ja leid, in Ordnung?", meinte Eren und bekam einstimmig von uns zurück: „NEIN!" Damit stapften wir die Treppe weiter hinauf und Ruby rief miesgelaunt über ihre Schulter: „Wenn mich wer sucht, ich gehe schlafen." „Aber in zwei Stunden gibt es Abendessen", warf Hanji ein. Doch Ruby warf nur ihre Hände in die Luft und erwiderte: „Na und?!" Damit dackelten wir nun endgültig in unser Zimmer.

Ruby ließ sich einfach volle Kanne auf das Bett fallen und schrie in ihr Kissen: „That was an awful day!" Ich hingegen ging zum Schreibtisch und nahm mir das darauf stehende Buch, welches ich mir vorherige Woche von Hanji ausgeborgt hatte. Mit dem Lederbuch in der Hand wedelte ich zu Ruby: „Ich bin draußen und lese ein bisschen, falls du mich suchst, du „That was an awful day"." „Ist gut", kam in einer Mischung aus gedämpftem Trällern und genervtem Grummeln aus dem Kissen. Ich schenkte meiner Freundin noch einen Oooookaayyyy-Blick, griff mir im Vorbeigehen eine Decke aus dem Kasten und verschwand.

Auf dem Weg nach draußen suchte ich die Seite, bei der ich zuletzt aufgehört hatte zu lesen. Das war gar nicht so einfach. Das Buch enthielten keine Bilder und meine Genialität hatte es nicht für nötig gehalten ein Lesezeichen in die Seiten zu stecken,weshalb ich jetzt irgendeine Seite suchte, die in der Nähe einer Kapitelüberschrift lag ... was so ziemlich alle taten. „Toll gemacht, Toni. Ich bin stolz auf dich", meckerte ich mich selbst an, während ich die Treppen nach unten ging und weiter in dem Buch blätterte, „Du hast dich wirklich selbstübertroffen." Gekonnt wich ich einem entgegenkommenden Soldaten aus, der mich verwirrt ansah. „Kümmere dich um deinen eigenen Kram", motzte ich nach hinten, ohne aufzusehen und setzte meinen Weg fort. Als ich im Erdgeschoss ankam und schon über der Hälfte des Buches war, murmelte ich: „So weit war ich noch gar nicht, das muss weiter vorne sein", gefolgt von ein paar Verwünschungen, weil die Seiten aber auch wirklich fast alle gleich aussahen.

Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt