In den nächsten paar Wochen passierte nicht viel. Wie bereits angekündigt, fand jede Woche eine Planbesprechung zur Rückeroberung von Shiganshina statt, an welcher stets nur Erwin, Hanji, Levi, Ruby und ich teilnahmen, weil Erwin meinte, er wolle niemanden beunruhigen, bis wir eine Lösung für unser kleines Sterberatenproblem hatten. Wir hatten im Übrigen noch immer keine zufriedenstellende Lösung. Zwar Ansätze, aber mehr auch nicht. Ansonsten ... was soll ich sagen ... Training, Putzen, noch mehr Training und ... oh, ja, das könnte interessant sein: Ruby bekam seit mehreren Tagen Präsente von einem Unbekannten. Einmal ein Strauß Blumen, einen Brief mit wirklich schmalzigen Zeilen – ich hätte mich fast übergeben ... na ja, aber er war echt süß –, und sogar eine kleine Tafel Schokolade war dabei. Und da musste man dazusagen, dass man hier gut und gerne mal ein Monatssold hinblätterte, um ein Täfelchen dieser zartschmelzenden Herrlichkeit zu bekommen. Und um jetzt kurz das Wichtige zu erwähnen: Ruby hat die Schokolade mit mir geteilt. Ja, ich glaube, das war so ziemlich alles halbwegs Aufregende.
Tja, und wie jeden Tag saßen wir auch heute mit einem übersprudelnden Elan am Frühstückstisch und konnten es kaum erwarten, dass das Training begann. Eren war sogar schon so voller Energie, dass er mit dem Gesicht voran in seinem Frühstücksbrei gelandet wäre, hätte Mikasa die Schüssel nicht rechtzeitig weggezogen. Der Rest war nicht besser dran. Jeder sah so aus, als würde er auf einem Nagelbrett schlafen können. Seit wir nämlich sämtliche Karten über die Schlacht bei Shiganshina offengelegt hatten, stamperte Levi uns frühmorgens aus dem Bett und trainierte mit uns, bis die Sonne wieder hinter dem Horizont verschwand. Mich wunderte ja schon fast, dass wir überhaupt Essen gehen durften. Und wie jeden Morgen seit geschlagenen drei Wochen stellte Jean Ruby eine große Tasse Kaffee vor die Nase. Noch nicht schräg genug? Das Ganze passierte mit einem Lächeln und einem freundlichen „Hier, bitte."
Hatte sie Jean anfangs noch angesehen, als hätte er einen ordentlichen Rad ab, beachtete sie ihn jetzt schon gar nicht mehr, sondern sah einfach weiter verschlafen gerade aus und trank einen riesigen Schluck von der Tasse. So wie sonst auch warf ich auch heute Jean wieder einen skeptischen Blick zu, den er wie immer gar nicht mitbekam. Dass er meinen Blick nämlich einfach nur ignorierte, war so unwahrscheinlich wie die Wahrscheinlichkeit, dass Titanen plötzlich Flügel bekamen und über die Mauer flogen. Auch Connie warf der Pferdefresse ansonsten einen misstrauischen Blick zu, doch heute hatte er Schwierigkeiten seine Augen überhaupt offen zu halten.
Jean nicht aus den Augen lassend lehnte ich mich zu Armin und meinte: „Armin? Ich finde, Jean verhält sich komisch." Der blonde betrachtete die Pferdefresse nun ebenfalls und fragte: „Wieso?" Ich drehte meinen Kopf zu ihm und gab ihm diesen Ist das eine ernstgemeinte Frage?- Blick. „Jean ist nett", erläuterte ich betont, „ ... zu Ruby. Das ist schon an sich nicht normal, aber über so eine Zeitspanne ist es einfach nur gruselig." „Warum gruselig?", begann mein Sitznachbar leicht zu lachen. Ich atmete geschlagen aus. Dass man hier alles erklären musste. „Wie lange kennen wir uns jetzt schon?", fragte ich rhetorische und beantwortete die Frage sogleich selbst, „Ich schätze, jetzt einmal etwa ein Jahr. Wie oft hast du in dieser Zeit erlebt, dass Jean NETT zu Ruby oder mir war?" Armin sah überlegend auf seinen Tee und schien zu keiner Antwort gelangt zu sein als er wieder aufsah. „Es wird Zeit", verkündete Levi bedeutungsvoll, der sich sogar die Zeit nahm und seit vier Wochen jeden Morgen und Abend mit uns aß. Ich schnappte mein Geschirr und entgegnete Armin im Aufstehen noch: „Da siehst du's."
Auch wenn ich die Erste war, die ihr Geschirr weggebracht hatte, so war ich doch die Letzte, die den Speisesaal verließ, weil ich auf Ruby wartete, die daherschlürfte wie ein Zombie. Es hätte nur noch das undeutliche Gemurmel, das mit etwas Fantasie zu dem Wort „Gehirn" wurde, gefehlt. So gingen wir unseren Teamkollegen im Schneckentempo nach, wodurch uns in der Eingangshalle gleich einmal eine Überraschung erwartete. Jean stand beim Eingangstor und hielt es auf. Also, jetzt wird's wirklich schräg. Hatte Ruby dem Jungen eine Gehirnwäsche verpasst? Während Ruby durch das Tor schlurfte und sich müde bei der Pferdefresse bedankte, warf ich ihm einen misstrauischen Blick zu. Was hat er vor? Doch ich wurde davon abgehalten den Burschen weiter zu ergründen, da mir das Tor vor der Nase zugeknallt wurde, kaum dass Ruby draußen war. Vor dem verschlossenen Tor stehend regte ich mich gleich einmal lautstark auf: „Und was bin ich? Luft? Ist ja nicht so, dass ich ein Geist wäre und einfach so durch Wände gehen kann!" Sauer schnaubend drückte ich das Tor auf und depperte es so zu, dass ich vermutlich gerade das ganze Hauptquartier geweckt hatte.
Ich stellte mich zu meinen Teamkameraden, begann ebenfalls mir die Ausrüstung anzulegen und bekam als Begrüßung gleich einmal von Eren zugeflüstert: „Jean ist richtig gruselig, wenn er so freundlich ist." Armin, der direkt danebenstand, bekam von mir gleich entgegengeworfen: „Da hast du's", während ich auf Eren zeigte, der nur Bahnhof verstand. Armin überdrehte einfach die Augen und schenkte mir einen IST JA GUT!-Blick. Naw, das hat er von mir. Ich bin ja so stolz.
Sogar während des Trainings war Jean nett zu Ruby. Wenn er gegen sie im Nahkampf antrat, ließ er sie gewinnen, was meine Freundin wieder unheimlich aufregte, weil es dann nicht fair war und beim 3D-Manöver-Training überließ er ihr seine Attrappen, sobald er sie gesichtete hatte. Ich hingegen wurde gar nicht mehr beachtet. Kein abfälliger Blick. Kein spöttischer Kommentar. Und erst recht kein nettes Wort. Es grenzte schon an ein Wunder, dass er mir überhaupt auswich, wenn ich irgendwo stand oder ging, und er mir nicht einfach hineinrannte, als wäre ich Luft.
Als Levi das Training abends schließlich beendete, rief er Ruby und mich noch einmal zu sich und fragte allen Ernstes: „Was ist mit Jean los?" Es war nicht so, dass sonderlich viel Sorge in der Stimme des Schwarzhaarigen zufinden war, aber dass es ihn kalt ließ, konnte man definitiv nicht behaupten. „Ich habe keine Ahnung!", rief ich aus und bewegte meine Hände bei jedem Wort von oben nach unten, um das auch ja klarzustellen. „Er ist einfach nur ... SO!",stellte ich energisch fest und fuchtelte bei dem „SO" wild in der Luft herum. „Das ist nicht hilfreich", stellte Levi emotionslos fest und ich erwiderte mit viel zu viel Energie: „Ich weiß, aber es regt mich auf und jetzt ist ein verdammt guter Zeitpunkt dafür, weil du sowieso schon weißt, dass ich nicht mehr ganz dicht bin!" Levi stieß ein „Tz" aus und sah auffordernd zu meiner Freundin. Die jedoch zuckte einfach mit den Schultern und deutete mit dem Kopf auf mich. „Alles, was sie gesagt hat", war ihr einziger Kommentar und so wurden wir von Levi zum Duschen, Essen und Schlafen geschickt. Exakt in dieser Reihenfolge. Der Kerl weiß eben, wo seine Prioritäten liegen.
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Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!
FanfictionTeil 3 der Attack on Titan becomes reality-Reihe Nachdem die Charaktere aus der Attack on Titan-Welt wieder in ihre Heimat abgereist waren, versanken Ruby und Tonia in tiefer Melancholie ... aber nur bis sie die Idee hatten, ihren Freunden nachzurei...