42. Es gibt zwei Arten von Menschen: freundliche...

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Die nächsten zwei Monate bis Ende Oktober – wir hatten uns eigens einen Kalender gemacht, um den Termin nicht zu versäumen – nutzten Ruby und ich unsere wenige Freizeit, um eine kleine Halloweenparty zu organisieren. Und wenn ich klein sage, dann meine ich eigentlich für das ganze Hauptquartier, aber das machte doch keinen großen Unterschied, oder? Auf alle Fälle kam es uns zugute, dass Erwin heute eine Besprechung angesetzt hatte und wir somit den Tag frei hatten. Um noch in die Stadt zu kommen, waren wir so früh aufgestanden, dass die Kantine noch beinahe unbesetzt war. Insgesamt saßen erst fünf Soldaten im Raum verteilt und einer davon war unser griesgrämiger Vorgesetzter. Wir holten unser Essen und mit einer unüblich guten Laune für diese Uhrzeit setzten wir uns mit einem „Guten Morgen" dem Hauptgefreiten gegenüber. Dieser hob skeptisch eine Augenbraue, ehe er wieder seinen gelangweilten Blick aufsetzte und mit der Teetasse in der Hand fragte: „So gut gelaunt?" „Jap", grinste ich und Ruby fügte hinzu: „This day will be a great day." Levi fragte schon gar nicht mehr nach der Übersetzung, sondern zog einfach nur eine Augenbraue hoch und trank einen Schluck von seinem Tee. Wir redeten nicht viel miteinander, da Levi einfach von sich aus nichts sagte – was für eine Überraschung – und wir uns beeilten aus dem Hauptquartier zu kommen.

In Rekordzeit waren wir mit dem Essen fertig, hatten unsere Pferde gesattelt und waren auf den Weg in die nächste Stadt. Irgendwo auf einem Feldweg, der im Schatten eines Waldes lag und dadurch noch taunass war, fragte Ruby: „Was brauchen wir jetzt alles?" Ich drehte mich auf dem trabenden Pferd zu meiner Satteltasche um und kramte nach unserer Liste. Als ich das Stück Pergament in der Hand hielt, las ich laut vor: „Kürbisse, wenn möglich etwas Zucker, zur Sicherheit Mehl und Butter, kleinere Kerzen, etwas für die Kostüme, wenn wir was finden und ... ich glaube, das war's." Ich schaute zu Ruby und fügte hinzu, während ich das Blatt wieder zusammenrollte und in die Satteltasche stopfte: „Der Rest ist im Hauptquartier." Sie nickte und galoppierte an, was ich ihr gleichtat. Eine geschätzte halbe oder dreiviertel Stunde waren wir unterwegs, bis die Hufe von Kara und Dione auf Pflastersteine trafen.

In der Stadt banden wir unsere Pferde an einer Tränke an und hängten uns die Satteltaschen um, in denen sich unsere Einkaufsliste sowie unser Geld befand. Ja, wir bekamen jetzt unseren Sold. Nachdem ich Erwin wie versprochen noch schriftlich vorgelegt hatte, dass wir unseren Sold verlangten, hatten wir Ende September unser erstes selbstverdientes Geld in dieser Welt erhalten und waren somit direkt unabhängig. Aber das war jetzt eher nebensächlich. Viel wichtiger war, dass wir gerade auf einen Laden zusteuerten, der allerlei verschiedene Kerzen und anscheinend diverse Dinge verkaufte, die man als Dekoartikeln kategorisieren konnte. Ging ja schnell, ich hätte wetten können, dass wir erst die halbe Stadt ablaufen müssten, bevor wir so einen Laden fanden. Als Ruby die Tür aufstieß, klingelte ein Glöckchen und ein hagerer, älterer Mann, der gerade dabei war, einen Dekoteller zu arrangieren, drehte sich zu uns. „Was kann ich für euch tun, werte Fräulein?", lächelte er uns entgegen. Ich lächelte dem Mann mit der Halbglatze an und antwortete: „Wir suchen Kerzen. Etwa zehn Zentimeter groß. Haben sie sowas?" Die Augen des Mannes begannen beinahe zu leuchten als er erwiderte: „Ah ja, einen Moment, die habe ich im Lager stehen." „Kein Problem", lächelte ich freundlich und der Mann verschwand durch einen Vorhang, der in einem Durchgang in der Rückwand befestigt war und einen weiteren Raum vom Verkaufsraum abtrennte. Man hörte das Klappern von Schachteln und kurze Zeit später kam der Mann wieder. „So etwas?", fragte er und stellte uns eine weiße, etwa zehn Zentimeter große und fünf Zentimeter breite Kerze auf den Tresen. Wir traten näher, sahen uns an, nickten und Ruby bestellte: „Wir hätten gerne zwanzig Stück." Dem Mann entgleisten kurz die Gesichtszüge, ehe er breit grinste und in den abgetrennten Teil schrie: „EDMUND!" Dann wandte er sich wieder uns zu: „Mein Sohn wird Ihnen die Ware gleich bringen." „Ja, Vater?", kam von einer recht tiefen Stimme zurück. In den Raum trat ein Mann etwa Mitte zwanzig, Anfang dreißig mit roten Haaren und einem Bart. „Bring den zwei jungen Damen doch bitte zwanzig Stück davon", erklärte der Vater seinem Sohn und reichte ihm das Anschauungsexemplar. Der jüngere besah sich die Kerze und lächelte uns dann freundlich entgegen: „Sofort." Er war schon wieder verschwunden als Ruby und ich ihm noch ein „Danke" nachwarfen. „Und wie viel würde das dann machen?", fragte ich den Älteren. „Oh, das wären eigentlich fünfundzwanzig Silberstücke, aber für die Menge machen wir zwanzig." „Das ist aber sehr freundlich. Danke", erwiderte ich und bezahlte den Mann.

„Hier bitte", überreichte der Sohn nun Ruby zwei Stoffbeutel. „Vielen Dank und noch einen schönen Tag", winkten wir im Hinausgehen. Draußen verstaute Ruby unseren Einkauf in ihrer Tasche und meinte: „Der Sohn war voll süß." Ich begann zu lachen und schlug ihr leicht auf den Arm: „Lass das nicht Connie hören ... aber ja, er war süß, und falls jemand fragt, das habe ich nie gesagt."„Du paranoide Nudel", lachte nun Ruby, während wir auf die Bäckerei gegenüber zusteuerten. Wir betraten den Laden wieder mit dem Glöckchengebimmel und wurden abermals freundlich gefragt, was man für uns tun könne. „Verkaufen sie zufällig auch Mehl?", fragte Ruby die jüngere Dame mit der mehlstaubigen Schürze. Die Blondine hinter dem Tresen sah uns leicht überrascht an, antwortete dann jedoch: „Tut mir leid. Aber wenn ihr in Richtung Aufklärungstrupp reitet, kommt ihr an einer Mühle vorbei. Dort könnt ihr eines kaufen. Darf's sonst noch was sein?" Von meinem hypnotisierenden Starren auf die Vitrine aufschauend fragte ich: „Sie wissen nicht zufällig, wo man hier Zucker, Butter und Kürbisse bekommt, oder? Mh, und dann hätte ich gerne zwei Stücke von dem Hefekuchen."Die Bedienung holte eine Zange und fischte zwei Stücke von dem bestellten Kuchen heraus, während sie antwortete: „Für Zucker müsst ihr leider zur Mauer Sina, der ist zurzeit überall ausverkauft und die nächste Lieferung kommt erst nächste Woche. Kürbisse gibt es zwei Straßen weiter auf dem Markt und Butter könnt ihr auch bei dem Müller kaufen. Das macht fünf Kupferstücke." Ich überreichte ihr das Geld, wir bedankten uns herzlich und verließen den Laden wieder, mit dem Gebäck in einer Papiertüte.

Attack on Titan becomes reality 3 - We're back!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt