Kapitel 55

1.4K 66 5
                                    

Am Donnerstag kam ich gegen 16:45 Uhr in der Frauenarztpraxis an. "Sie müssen Frau Rudow sein." begrüßte mich eine schlanke Frau, um die 30 Jahre alt, mit Brille und Kittel. Ich nickte sofort: "Ja, genau." Sie nickte und schleppte mich gleich mit sich in den Behandlungsraum: "Na dann können Sie gleich mitkommen. Sie arbeiten also mit Julia zusammen?" Während ich ihr hinterher lief, erzählten wir weiter: "Ja, ich bin vor einigen Monaten nach Berlin gezogen und arbeite seitdem mit Julia zusammen. Ich bin wirklich froh, dass sie mich hierher vermittelt hat." Inzwischen saßen wir uns gegenüber an ihrem Schreibtisch und sie legte eine neue Akte an: "Ja, überhaupt kein Problem." Und dann begannen die ganz normalen Fragen, die einem immer vom Frauenarzt gestellt werden. "So, dann machen wir jetzt zuerst einen Ultraschall." Wir wechselten den Raum und ich mussten auf der Liege meinen Bauch frei machen. Als das kalte Geel auf meinem Bauch zu spüren war, zuckte ich leicht zusammen und Frau Hegert grinste leicht. Sie betrachtete den Bildschirm vor sich, sagte aber nichts, sondern fuhr immer wieder hin und her. Für mich war auf dem Bildschirm nichts erkennbar, so wie für die meisten Frauen. Sie räumte das Gerät wieder weg und wischte meinen Bauch sauber und meinte dabei: "Sie können sich wieder ganz anziehen und wieder rüber kommen." Ich war leicht irritiert, folgte aber ihrer Anweisung. Zurück im Büro schrieb sie eine ganze Menge in die Akte, ehe sie mich wieder ansah und breit grinsen: "Ich gratuliere Ihnen. Sie sind schwanger." Ich starrte sie an, als wäre sie ein Geist. Sofort wurde mir kotzübel. Ich stand auf und musste aufs Klo rennen. Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig bis zur Toilette und musste mich sofort übergeben. Ich wischte meinen Mund mit Toilettenpapier ab und starrte dann in den Spiegel über dem Waschbecken. Was hatte sie mir da draußen gerade gesagt? Ich soll schwanger sein. Das kann überhaupt nicht sein. Ich war schon seit 3 Monaten hier in Berlin und hatte nichts mit irgendeinem Typen. Sie muss sich geirrt haben. Ich atmete tief durch und ging zurück ins Behandlungszimmer. "Geht es Ihnen gut?" erkundete sie sich und ich nickte: "Ja, mir wurde nur gerade übel." Sie nickte und grinste wieder: "Ja, das ist in der Schwangerschaft so." Wieder musste ich mit dem Brechreiz kämpfen. "Sie müssen sich irren. Ich kann gar nicht schwanger sein. Ich hatte keinen Geschlechtsverkehr." Immer noch grinste sie. Langsam ging es mir richtig auf die Nerven. Verarscht sie mich hier gerade? "Frau Rudow, Sie sind alt genug und ich denke ich muss Ihnen nicht erklären, wie das Kind in Ihren Bauch gekommen ist." Die ist doch bescheuert. Wäre ich bloß zu einem anderen Frauenarzt gegangen. Plötzlich sah ich ein Bild in ihrer Hand und sie meinte: "Kommen sie mal dichter. Hier sehen sie von ihrem Kind sogar schon eine richtige Form. Sie sind bereits in der 18. Woche." Meine Augen drohten heraus zu springen. Was? 18. Woche? Ich war in der 18. Woche schwanger? Wie konnte ich das nicht bemerken? All die Zeichen habe ich übersehen. Meine Tage blieben aus, ich hatte oft Kopfschmerzen, konnte rund um die Uhr Essen und auch Rückenschmerzen hatte ich ab und an. Scheiße. 18. Woche. Als Frau Hegert meine Miene gedeutet und verstanden hatte, sah sie mich mitfühlend an: "Sie sind nicht mehr mit dem Vater zusammen?" Ich musste mit den Tränen kämpfen und schüttelte den Kopf. Sie griff über den Tisch nach meiner Hand: "Sie sind stark und sie schaffen das. Freuen Sie sich auf ihr Kind, es ist das tollste Geschenk auf Erden." Würde ich jetzt noch hier sitzen bleiben und mir ihr Gesülzen anhören, würde ich wohl gleich wieder über der Kloschüssel hängen. "Es tut mir leid, aber ich muss gehen." Ich rannt fast raus, doch sie kam mir hinterher und schrie fast: "Nehmen Sie das Ultraschallbild mit und ich habe Ihnen den nächsten Untersuchungstermin aufgeschrieben. Erholen Sie sich erst Mal ein paar Tage von der Nachricht." Ich nahm ihr das Bild und den Zettel ab und rannte raus. Ich atmete die Luft ein, bis meine Lunge nicht mehr Luft aufnehmen konnte. Ich rannte zur U-Bahn und fuhr in meine Wohnung. Mein Kopf war leer. Ich konnte an nichts denken, doch als ich auf meinem Sofa saß, realisierte ich alles. Ich war schwanger. In der 18. Woche. Ich stand auf und stellte mich vor den Spiegel. Ich hatte mich schon lang nicht mehr nackt im Spiegel angesehen. Und tatsächlich, man konnte wirklich schon einen Bauch sehen, der sich ganz leicht abzeichnete. Als ich das wahrnahm, begann ich bitterlich zu weinen. Ich war schwanger. Das geht nicht. Ich hatte gerade erst einen neuen Job bekommen. Wenn ich jetzt erzähle, dass ich schwanger bin, schmeißen die mich doch sofort raus. Und ich stand alleine da. Mein Kind würde ohne Vater aufwachsen, da dieser ja in Dortmund wohnt. Marco... Was er wohl dazu sagen würde? Und plötzlich lief es mir eiskalt den Rücken runter. 18. Woche? Hektisch holte ich meinen Handykalender raus und zählte zurück. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Genau vor 18. Woche hatten Mo und ich miteinander  geschlafen. Mein Heulkrampf wurde noch stärker. Das hatte ich jetzt davon. Ich war nicht nur schwanger, sondern wusste auch nicht, wer der Vater war. Das ist doch hier wie bei RTL. Ich fühlte mich so schlecht, wie noch nie in meinem Leben. Mein Kind wächst nicht nur ohne Vater auf, nein, ich kann ihm nichtmal sagen, wer sein Vater ist. Ich sah auf meinen Bauch und streichelte ihn. Plötzlich redete ich laut mit meinem Bauch: "Aber dein Papa ist 100%ig Fußballer." Ich lachte hysterisch auf, als ich das sagte. Ich saß richtig in der Scheiße. Schlechtes Verhältnis zu meinen Eltern, gar keinen Kontakt zu keinem der eventuellen Väter und fast allein in Berlin. 

Sind alle Fußballer arrogante Arschlöcher?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt