Kapitel 30

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Was machte Deutschland morgens um halb zehn, wenn es kein Knoppers hatte? Richtig einfach nur im Büro sitzen. Heute war Freitag und Jasi hatte eine Menge Termine mit irgendwelchen potentiellen Sponsoren. Am Samstag nach dem Spiel hatte ich es natürlich nicht mehr geschafft mit Marco zu reden. Es waren einfach immer zu viele Leute um uns herum. Und so ein Gespräch willst du einfach nicht mit Publikum führen. Und den Rest der Woche war er ja im Trainingslager und immer wenn wir gescypt hatten, war natürlich sein Mitspieler mit dem er sich das Zimmer teilte da. Glücklicherweise hatte Marco aber auch noch keine weiteren Bemerkungen in diese Richtung gemacht. Wahrscheinlich wusste er unseren Kuss richtig einzuordnen und ich machte mir völlig unnötig irgendwelche Gedanken.
Jasis Bürotür flog auf und sie stürzte an mir vorbei Richtung Toilette. Man, die hatte es aber eilig. Ich hörte von weitem Würgegeräusche. Okay, das erklärte jetzt die Eile.
"Boah, ich muss mir so einen dämlichen Virus eingefangen haben.", stöhnte Jasi als sie wieder an mir vorbei kam. "Das geht schon seit heute ganz früh so."
"Hast du denn irgendetwas gegessen, was schlecht gewesen sein könnte?"
Jasi rollte mit den Augen "Wenn ich wüsste, was schlecht gewesen sein hätte können, hätte ich es ja wohl nicht gegessen. So eine dämliche Frage aber auch"
Oha, Madam war zickig. Das bedeutete es ging ihr wirklich schlecht. Aber ich fand die Frage gar nicht so dämlich. Weil wenn man zum Beispiel Fisch oder Meeresfrüchte gegessen hatte, war eine Lebensmittelvergiftung ja jetzt auch nicht so selten.
"So, lausig wie es mir geht, schaffe ich die Termine niemals.", stöhnte sie schon wieder.
"Soll ich die Termine für heute absagen und verschieben?" Ich schaute sie abwartend an.
"Spinnst du, das geht gar nicht. Wir sind noch viel zu neu am Markt, um uns so etwas leisten zu können. Ich bin zufrieden, dass die uns überhaupt die Chance zu einem Gespräch geben. Nee, du musst da hin und die übernehmen."
Ich schluckte. Jasi hatte nicht wirklich gesagt, ich sollte die Termine übernehmen. Ich schaute sie an. Doch, sie hatte es gesagt. Ich musste wieder schlucken. Das ging nicht. Ich war dafür überhaupt nicht geeignet. Ich konnte doch nicht mit irgendwelchen Schlipsträgern verhandeln. Ich würde kein Wort herausbekommen. Und wenn ja, dann war es garantiert totaler Unsinn.
"Nee, das kann ich nicht. Du kennst mich."
Ehe ich eine Antwort bekam, rannte Jasi schon wieder los in Richtung Toilette. Okay, es hatte sie wirklich heftigst erwischt. Was sollte ich denn jetzt machen? Ich würde das niemals schaffen.
"Hey Kathi, schau mal wen ich hier mitgebracht habe.", grinste mich Roman an, der gerade durch die Tür kam. Mein Blick fiel zu der Person dahinter, die mich breit angrinste. Ich sprang auf und rannte quietschend zu Marco und fiel ihm um den Hals. Er zog mich sofort fest in seine Arme und knuddelte mich. "So sehr freust du dich, meine kleine Windpocke. Dann habe ich mich ja wohl richtig entschieden."
"Ich will euch ja nicht stören, aber ich würde jetzt genauso gerne von meiner Frau begrüßt werden. Kannst du mir sagen, wo sie ist?" Roman kam gerade leicht enttäuscht aus Jasis Büro.
"Der geht es ziemlich mies. Die ist auf Toilette.".
Roman schüttelte besorgt den Kopf "Heute früh ging es ihr auch schon schlecht. Ich habe doch gleich gesagt, sie soll im Bett bleiben, sie hat mir dann aber versichert, dass es ihr schon wieder gut geht. Ich werde sie mir jetzt schnappen und zum Arzt fahren." Roman lief entschlossen zu seiner Frau.
"Mensch Roman, jetzt übertreibe doch nicht gleich masslos. Ich habe einfach nur irgendetwas falsches gegessen. Da muss ich nicht gleich zum Arzt. Ich lege mich jetzt mit einem Pfefferminztee und Zwieback ins Bett und dann ist das morgen schon wieder okay.", hörte ich nur Jasis genervte Stimme, ehe sie an mir vorbei in ihr Büro lief. Was sollte das denn jetzt? Ich denke sie wollte sich hinlegen.
Roman stürmte hinter ihr her "Nix da. Wir fahren jetzt zum Arzt." Marco und ich schauten uns an und er grinste mich an "Das wird jetzt spannend. Roman mit seinem Bernhardiner Instinkt, wird nicht nachgeben und sie zum Arzt schleppen wollen. Und ich glaube meine Schwägerin wird stur bleiben. Auf wenn setzt du?" Ich musste auch grinsen. Alleine schon der Gedanke von Roman als Bernhardiner mit so einem Fässchen um den Hals, reichte dafür aus.
"Ich setze auf Jasi, die ihn gleich zusammenfaltet."
"Na gut, dann setze ich auf meinen Bruder, der sie sich einfach über die Schulter wirft oder den Arzt anruft und hierher bestellt."
"Du spinnst doch wohl, wegen so einem bisschen fahre ich doch nicht zum Arzt. Das kannst du total vergessen und jetzt lasse mich hier die Sachen zusammensuchen, damit ich sie Kathi geben kann, du aufgeblasener Samariter.", zickte Jasi auch prompt.
"Gewonnen.", grinste ich Marco an.
"Abwarten.", schmunzelte er nur zurück.
"Spinnst du?", hörte ich Jasi meckern "Lass' mich sofort runter."
"Nur, wenn du freiwillig zum Arzt gehst oder ich ihn wenigstens hier her kommen lasse.", kam Romans ruhige Stimme.
"Das ist ja noch peinlicher wegen so einer Lapalie die Leute auch noch aufzuscheuchen. Der Arzt hat mit Sicherheit mehr zu tun, als hier anzutraben. Der muss sich ja auch noch um wirklich Kranke kümmern. Und jetzt lasse mich endlich runter, sonst beiße ich dir gleich in die Schulter.", drohte Jasi.
"Überlege es dir. Oder du bleibst da, wo du bist." Roman hatte ja wirklich Geduld, so ruhig zu bleiben.
"Weißt du eigentlich wie jämmerlich das ist, so seine körperlich Überlegenheit auszuspielen. Dann gehen wir halt zum Arzt. Aber für's Protokoll nur unter Protest, du sturer eidgenössischer Bergmensch."
"Na geht doch.", man konnte hören wie Roman dabei grinste. Keinen Moment später stand Franzi vor meinem Schreibtisch und schmiss mir Akten darauf.
"Du weißt ja wann und wo die Termine sind. Du kriegst das locker hin. Ich gehe dann jetzt mit diesem schweizer Neanderthaler, der sich mein Mann schimpft, zum Arzt. Wenn etwas ist, erreichst du mich über Handy." Und schon verschwand Jasi dampfend.
"Du rufst bitte nicht an. Das läuft auch so." Romam schaute mich ernst an.
Ich nickte nur. Nach seinem beeindruckenden Auftritt eben, wollte ich es mir wirklich nicht mit ihm verscherzen. Ich hatte noch nie erlebt, dass Jasi einfach eingeknickt war.
"Du kannst sie ja unterstützen.", zwinkerte er seinem Bruder zu ehe er auch das Büro verließ.
"Was schaust du denn so verzweifelt?" Marco schaute mich besorgt an.
"Ich soll irgendwelche Sponsoren überzeugen Verträge mit uns zu schließen. Das schaffe ich niemals. Ich bekomme doch keinen klaren Satz raus." Verzweifelung war ja noch milde für meinen Zustand ausgedrückt. Ich war geliefert oder auch toter als tot, wenn ich das versaute.
"Du schaffst das locker und ich begleite dich einfach als deine mentale Stütze. Und wenn wir die Termine durch haben, gehen wir Essen. Ich lade dich ein, meine kleine Windpocke. Wir wuppen das zusammen." Marco kam zu mir und zog mich in seine Arme, ehe sich seine Lippen auf meinen wiederfanden. Die waren so weich und es fühlte sich so gut an. Marco löste sich wieder von mir "Und, immer noch nervös?"
Ich schüttelte grinsend den Kopf. Marco hatte es wirklich geschafft, dass ich meinen Kopf einen Moment ausgeschaltet hatte. Er hatte recht, wenn er dabei war, würde ich die Meetings schaffen. Trotzdem musste ich nachher unbedingt die ganze Sache mit ihm klären.

Zwei Schuss, ein Treffer  ✔Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt