Kapitel 101

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"Engelchen, ich fahre meine Eltern vom Flughafen abholen. Wir sind dann bald wieder da" Erik drückte mir noch schnell einen Kuss auf die Lippen, ehe er auch schon aus der Tür verschwand. Heute würde ich das erste Mal Eriks Eltern treffen, die es sich nicht nehmen lassen wollten zur Taufe ihres "Enkels" zu kommen und ihn und mich kennenzulernen. Auch Eriks Schwester würde kommen. Wenn ich ehrlich war, ging mir der Arsch auf Grundeis. Ich hatte ziemliche Angst, dass sie mich nicht mochten. Ich war mir zwar sicher, dass Erik mich deshalb nicht verlassen würde, aber blöd wäre es schon. "Du musst dir keinen Kopf machen. Christine, Thomas und Lisa werden dich mögen. Du wirst sehen, sie sind voll easy." Dogan drückte mich kurz. Irgendwie beruhigte mich das "Na, ich hoffe du hast recht.", brummelte ich.
"Ich habe garantiert recht und du musst hier jetzt nicht noch mehr rumwieseln. Das Haus ist picobello, du siehst auch gut aus. Also entspanne dich bis sie kommen." Er streckte mir eine Tasse mit dampfendem Tee entgegen und schob mich zum Sofa. Ich musste schon grinsen. Bei unserem ersten Treffen hätte ich niemals gedacht, dass er mal mein bester Freund werden würde, der so gut meine Gedanken lesen konnte. "Und morgen wird auch alles gut gehen." Dogan zwinkerte mir zu. Kaum dass wir saßen, klingelte es schon wieder an der Tür. Ich sprang auf und rannte los.
"Hallo, ich wollte schnell noch nach unserem kleinen Helden schauen bevor wir zu Roman und Jasi fahren.", grinste mich Karin an, umarmte mich kurz und schob sich dann auch schon an mir vorbei. Martin, der hinter ihr stand, zog mich auch in eine Umarmung und schaute mich entschuldigend an "Sorry, aber du kennst sie ja. Sie ließ sich nicht aufhalten und wollte unbedingt bei euch vorbei schauen. Ich habe versucht ihr klar zu machen, dass du noch genug für morgen zu tun hast."
"Eben drum sind wir ja auch hier." Karin kam mit Sascha auf dem Arm wieder uns entgegen "Nicht wahr, mein kleiner Mann. Die Oma ist jetzt da, um der Mama noch mit den letzten Vorbereitungen zu helfen, damit du morgen eine wunderschöne Taufe hast." Karin stupste dem Kleinen immer mit ihrer Nasenspitze gegen seine und Sascha quietschte und strahlte seine Oma an.
"Du, das ist lieb, aber wir haben schon alles fertig." Sicherheitshalber fing mein Kopf sofort wieder an zu rattern, ob ich auch wirklich nichts vergessen hatte.
"Na umso besser. Dann kann ich ja noch ein bisschen mit meinem kleinen Liebling herumschäkern." Karin war sofort wieder voll auf ihren Enkel fokusiert umd krabbelte an seinen Füsschen. Natürlich ertönte sofort wieder ein freudiges Quietschen und mein Zwerg strahlte mit seiner Oma um die Wette. Bei diesem Anblick schlug mein Herz gleich ein wenig schneller.
Martin räusperte sich nachdem er sich neben mich auf das Sofa gesetzt hatte und fuhr nachdenklich mit seinen Händen über den Stoff "Hat sich Marco jetzt eigentlich einmal bei dir gemeldet?" Diese Frage überraschte mich jetzt doch ein wenig. Ich schaute ihn an und schüttelte den Kopf "Nein, er scheint wohl meine Nummer verlegt zu haben." Ich versuchte damit die unangenehme betretene Stimmung etwas aufzulockern, was mir aber nicht wirklich gelang "Ich dachte er wäre jetzt mal wieder zu Verstand gekommen.", brummte er enttäuscht "Du hast schon gehört, was passiert ist?" Martin schaute zu Karin, die mit Sascha durch die Gegend lief und ihm alles mögliche auf Schweizerdeutsch erzählte. Mein Sohn schaute sie die ganze Zeit mit großen Augen interessiert an.
"Ja, ich habe bei Roman durch Zufall mitbekommen, dass Alexia eine Fehlgeburt hatte. Das ist wirklich nicht schön. Aber die beiden sind ja noch jung und zusammen werden sie das schon überstehen." Ich klopfte mir gerade selber für diesen dämlichen Spruch, der von meiner Urgroßmutter hätte stammen können, auf die Schulter. Also ob es eine Rolle spielte, wie alt man war. Der Verlust eines Kindes musste doch unwahrscheinlich schmerzhaft sein. Ich konnte und wollte mir mein Leben ohne Sascha nicht mehr vorstellen. Neben mir ertönte ein verächtliches Schnauben und Karin setzte sich mit Sascha zu uns auf das Sofa "Für eine Fehlgeeburt hätte es ja erst einmal ein Baby geben müssen." Wie meinte sie denn das jetzt? "Ja, aber diese Alexia war doch schwanger. Deshalb hat Marco sie doch geheiratet.", mischte sich jetzt auch Dogan ein, der das Gespräch die ganze Zeit still verfolgt hatte.
"Ja, das hat sie behauptet. Und richtig, Marco hat sie unter anderem deshalb auch so schnell geheiratet. Jetzt ist aber herausgekommenn, dass sie niemals schwanger war und das nur vorgespielt hat, genau wie die Fehlgeburt. Und alles nur damit mein Sohn, dieser Trottel sie heiratet und sie versorgt ist. Der Depp hat ja nicht einmal einen Ehevertrag gemacht.", meckerte Karin weiter. Das konnte doch echt nicht wahr sein. Ich musste mich verhört haben. Das Weib konnte doch nicht ernsthaft nur die Schwangerschaft gefaked haben. Wer machte denn sowas? Wie krank war die Braut eigentlich? Ich bekam fast ein wenig Mitleid mit Marco, der darauf reingefallen war. Genau in diesem Moment fielen mir aber wieder die Worte ein, die er mir an den Kopf geworfen hatte, als ich ihm von Sascha erzählt hatte. Spätestens jetzt war dieser Mitleidsanfall vorbei. Er hatte mich damals so damit verletzt, als er mir an den Kopf geworfen hatte, dass ich garantiert keinen Cent von ihm sehen würde. Tja, da war er dann wohl dummerweise an anderer Stelle weniger vorsichtig gewesen. Auch wenn ich ein schlechtes Gewissen bekam, aber so ganz konnte ich meine Schadenfreude doch nicht unterdrücken, dass er auf diese Tussi hereingefallen war. Irgendwie bekam doch jeder das, was er verdiente. Und ich hatte scheinbar einen wundervollen Sohn verdient.
"Ich hatte halt die Hoffnung, dass er sich besonnen hat und versucht mit dir doch noch alles vernüftig ins Reine zu bringen und wenigsten für seinen Sohn aufzukommen. Vielleicht braucht er ja nur noch etwas Zeit. Er muss ja jetzt auch erst einmal die Scheidung noch hinter sich bringen." Martin fuhr sich mit seinen Händen durch das Gesicht. Er versuchte seinen Sohn ein wenig in Schutz zu nehmen und gleichzeitig schien er immer noch die Hoffnung zu haben, dass Marco sich doch noch für seinen Sohn interessierte. Man konnte sehen, dass ihn das alles ziemlich mitnahm. Und was fühlte ich bei den Worten von der Scheidung? Ich hörte in mich hinein. Und um ehrlich zu sein, hörte ich gar nichts. Es war mir total egal, dass die beiden sich scheiden ließen. Ich würde Marco nicht einmal geschenkt zurück haben wollen. Und dafür gab es auch einen guten Grund und der schloss gerade die Tür auf. Sofort beschleunigte sich mein Herzschlag und mein Magen fing an zu kribbeln.

Zwei Schuss, ein Treffer  ✔Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt