Kapitel 67

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Vor einer Woche hatte ich den Anruf vom belgischen Reisebüro bekommen und jetzt lief ich hier mit Karin durch das Hotel in den Speisesaal. Wir waren gerade vor ein paar Stunden auf Mallorca angekommen. Vicki hatte zusammen mit Karin das gleiche Hotel ausgesucht, in dem ich mit meiner Schwester letzten Sommer gewohnt hatte. Seit dem letzten Sommer war wirklich viel passiert. Leider nicht nur schönes. Ich schüttelte kurz meinen Kopf. Diese schwarzen Gedanken hatten dort absolut nichts zu suchen. Gerade bekam ich einen leichten Tritt. Ja, mein Kleiner wollte mich wohl an sich erinnern und mir zeigen, dass es etwas ganz tolles in meinem Leben gab. Nämlich meinen kleinen Prinzen, den ich in ein paar Monaten in meinen Armen halten würde. Sofort brannte sich ein Strahlen in mein Gesicht. Ich würde die zwei Wochen hier auf Mallorca einfach genießen.
"Kathi, du strahlst ja so?" Karin schaute mich lächelnd an.
"Du, ich freue mich so auf die zwei Woxhen und dann auf den Kleinen." Ich würde einfach chillen und die Sonne genießen, was wollte der Mensch mehr.
"Ich freue mich auch." Das konnte man Karin auch richtig ansehen "Du siehst heute richig hübsch aus in deinem Hängerkleidchen. Schade, dass man gar nicht deine kleine Kugel sieht. Aber bei dir sieht man das ja meist nicht. So, jetzt lass uns aber einen Platz suchen und dann holen wir uns erst einmal etwas vom Buffet." Das war eine sehr gute Idee,  denn mein Magen forderte sich so langsam eine Befüllung, besonders da es hier so gut duftete. Im Vorbeigehen ließ ich schon einmal meine Augen schweifen. Mmmh ich sah schon die Paella Pfanne. Da musste ich gleich, sofort und ohne Umweg hin.
"Na los, geh dir schon etwas holen. Ich bestelle uns noch die Getränke. Du siehst ja schon total verhungert aus." Karin schmunzelte mich an. Das war dann der Startschuss für mich. Ich lief also mit einem Teller bewaffnet schnellen Schrittes zu der Paella Pfanne und knallte mir den Teller voll. Bei Paella konnte ich mich einfach nicht bremsen. Letztes Jahr mit Vicki hatte ich da auch immer zugeschlagen. Erik hatte immer darüber gegrinst. Holy shit. Was machte der denn in meinen Gedanken? Der hatte da überhaupt nichts zu suchen. Aber scheinbar schien mein Gehirn das anders zu sehen, denn es gauckelte mir allen Ernstes sogar den Geruch seines Rasierwassers vor. Egal. Mein Teller war beladen mit einem Berg Paella und den würde ich jetzt schnellstens an unserem Tisch eleminieren. Mir sollte sich auf meinem Weg dorthin lieber keiner in den Weg stellen. Ich drehte mich also total fokussiert auf meinen Teller um und stiefelte los, als ich auch schon mit etwas kollidierte. "Können Sie nicht aufpassen?", meckerte ich sofort los. Ein Teil meiner schönen Paella zierte das weiße T-Shirt vor mir. Ich schaute hoch in das Gesicht des T-Shirt-Trägers. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Was hatte ich eigentlich verbrochen, dass das Schicksal mich so hasste?
"So....sorry.", klang es mir sofort stotternd entgegen. "Du....du bist...bist auch hier. Wo...wo ist denn Marco?" Ganz schlechtes Thema. Ich schaute in ein Gesicht, dass von der Farbe Mister Krebs neidisch gemacht hätte.
"Der ist mit seiner Ehefrau in Venedig mit der Reise, die er eigentlich mir geschenkt hat, auf Hochzeitsreise.", knurrte ich. Ich war echt auf 180. Erst meinen Paellafressflash sabotieren und dann auch noch so blöde, unpassende Fragen stellen. Ich fing an schnell meine Paella mit meiner Serviette von seinem T-Shirt zu wischen. Safran machte aber auch blöde Flecken. Da würde wohl höchstens die Fleckenschere helfen.
"Lass ruhig, der Fleck ist nicht so schlimm."
"Kathi, alles okay?", hörte ich Karins Stimme hinter mir. "Oh, hallo Erik.", begrüßte sie auch gleich noch meinen gegenüber.
"Ähm, ja hallo Frau Bürki." Erik schaute irritiert zwischen Karin und mir hin und her und glühte jetzt wirklich im Endstadium.
"Das ist ja witzig, dass du auch hier bist.", fing Karin doch jetzt allen ernstes ein Gespräch an. Nein, ich fand das überhaupt nicht witzig. Bestimmt kam gleich Dogan um die nächste Ecke und ließ dämliche Sprüche ab.
"Ich muss dann auch wieder. War schön dich wiedergesehen zu haben, Kathi." War ja klar, dass er gleich weiter musste. Nicht dass sein Lauch ihn noch vermisste und zu lange auf ihn warten musste. Ich schaute Erik an, der mich musterte.
"Na, dann lasse dich mal nicht aufhalten, nicht dass Dogan eine Patrouille losschickt, um dich zu suchen." Den kleinen Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen.
"Ich...ich bin alleine .....alleine hier. Mich sucht niemand." Was stotterte der denn so herum? Hatte der schon immer diesen Sprachfehler? Das war mir vor einem Jahr gar nicht aufgefallen.
"Na dann setz dich zu uns. Ist doch netter, wenn man jemanden hat, mit dem man sich unterhalten kann.", schlug Karin vor. Das war überhaupt nicht netter. Ich wollte mich bestimmt nicht mit dem Kerl unterhalten, der mein Herz herausgerissen und darauf Flamenco getanzt hatte. Aber wenn ich hier noch lange herumstand und das ausdiskutierte, war meine Paella eiskalt und wenn ich etwas wirklich hasste, war es kaltes Essen.
"Wenn das für dich okay ist, Kathi, würde ich mich gerne mit an den Tisch setzen." Seit wann war der denn so zurückhaltend und rücksichtsvoll?
Ich gab einfach nur einen Brummton als Zustimmung von mir. Ich würde schon eine Runde Smalltalk überstehen und setzte zielstrebig meinen Weg zu unserem Tisch fort. Ich hatte schon viel zu viel Zeit ohne Paella im Magen verplempert.
"Soll ich dir noch einen neuen Teller Paella holen?" Erik schaute mich lächelnd an. Er hatte sich die ganze Zeit mit Karin über Mallorca und irgendwelche Ausflugsmöglichkeiten unterhalten. Ich hatte mich dezent aus dem Gespräch herausgehalten und meine ganze Aufmerksamkeit meinem Gaumengenuss gewidmet. Mein Kopf schoss hoch. Mein Herz fing an zu rasen als ich Erik anschaute. Genauso hatte er mich letztes Jahr auch immer verwöhnt. Er war immer besorgt, dass ich auch alles hatte. In meinem Kopf startete ein Film. Dummes Herz und dummer Kopf. Dieser Kerl hatte mich einfach sitzen lassen, meckerte ich in einem inneren Monolog mich selber an. Da brauchte ich keine alten Gefühle, die wieder aufkochten.
"Ich bin ja schon groß. Das kann ich schon selber.", brummte ich also mürrisch.
"Das weiß ich, aber ich hole dir lieber den Teller. Das ist sicherer für die Kleidung der anderen.", grinste er und stand einfach auf. Das hatte der doch nicht echt gesagt.
"So ein Arsch.", knurrte ich und schaute zu Karin, die grinste. "Aber ein Arsch, der dich ziemlich anhimmelt." Ich starrte sie ungläubig an. Das konnte doch gar nicht sein.

Zwei Schuss, ein Treffer  ✔Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt