Kapitel 106

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"Stille Nacht, heilige Nacht, alles schläft, einsam wacht." Leise war Weihnachtsmusik im Hintergrund zu hören. Zusammen mit der Familie Durm saß ich auf dem Sofa im Wohnzimmer. Erik neben mir hatte Sascha auf seinem Schoß, der völlig fasziniert zu den Lichtern und bunten Kugeln am Weihnachtsbaum starrte. Wir waren gerade aus der Kirche gekommen. Selbst die laute Orgelmusik schien ihn fasziniert zu haben.
"So, dann lasst uns jetzt die Gans essen." Christine kam aus dem Esszimmer, aus dem schon diese leckeren Düfte in unsere Nasen krochen.
Der Tisch war hübsch weihnachtlich eingedeckt. Es standen Kerzenleuchter in der Mitte des Tisches und aus den Schüsseln mit den Klößen und dem Rotkohl dampfte es lecker. Erik setzte Sascha in sein Kinderstühlchen zwischen uns, das seine Eltern extra gekauft hatten. Vor ihm stand sein Breischüsselchen. Auch wenn mir bereits das Wasser im Mund zusammenlief, musste ich jetzt erst einmal meinen Sohn füttern. Schweren Herzens wollte ich also gerade zu seinem Löffelchen greifen als Erik mir zuvor kam. "Engelchen, du kannst schon essen. Ich füttere den Kleinen.", zwinkerte er mir zu und grinste sein Lausbubenlächeln mit diesen niedlichen Grübchen, an denen gerade mein Blick hängen blieb. Ach menno, dieser Kerl wusste wirklich wie er mich immer wieder auf's neue um den Finger wickelte.
"Und ihr verlasst uns morgen schon wieder? Das finde ich echt blöd. Ich hatte mich so darauf gefreut mit euch Silvester zu feiern", meldete sich Lisa auf einmal zu Wort. Wieso verließen wir sie morgen schon wieder? Ich war davon ausgegangen, dass wir bis Anfang Januar, wenn das Training wieder anfing, hier bleiben würden. Ich schaute verwundert zu Erik, der seine Schwester, die sich gerade wieder eine Gabel mit Rotkohl in den Mund schob, böse anfunkelte. Was hatte das denn zu bedeuten?
"Habe ich was verpasst?", schoss es mir auch schon heraus. Erik fuhr sich mit seiner freien Hand durch den Nacken und giftete seine Schwester an "Danke, dass du mal wieder nicht dein Plappermaul halten konntest. Wie wäre es mal mit erst Hirn anschalten und dann losschnattern."
"Erik, es ist Weihnachten und ein Baby am Tisch, also beherrsche dich. Außerdem solltest du wissen, dass deine Schwester als Geheimnisträger völlig ungeeignet ist.", schritt sofort Thomas ein. Erik stöhnte auf "Ich weiß, dass Weihnachten ist, aber Miss Schnatterine musste ja unbedingt meine Überraschung kaputt machen. Wie konnte ich auch erwarten, dass sie endlich alt genug wäre, um dicht zu halten." Er schaute verzweifelt zu mir und sah unglaublich süss aus mit dieser Strähne, die ihm auf einmal in die Stirn fiel. "Es sollte eigentlich eine Überraschung für dich werden, aber wir fliegen morgen zusammen mit Sascha in den Urlaub." Ich riss meine Augen auf. Wir flogen in den Urlaub. In meinem Kopf fing es an zu rotieren. Wo ging es hin. Wir mussten Koffer packen. Hatten wir überhaupt alles  dabei, was wir brauchten? Hatte ich meine Pass dabei?
"Wo fliegen wir hin?" Meine Neugier ließ mir jetzt keine Ruhe mehr. Wieder fuhr sich Erik mit seiner Hand durch den Nacken "Ich habe gedacht, dass es für uns einen ganz besonderen Ort gibt und nur der perfekt für unseren ersten Urlaub mit dem Zwerg wäre. Wir fliegen nach...." Ich unterbrach ihn und haute "Mallorca" strahlend heraus.  Erik grinste bestimmt einmal im Kreis als er mein freudiges Gesicht sah. Lisa stöhnte theatralisch auf "Das ist ja so ekelig. Die beiden können sogar schon vorhersagen, was der andere gleich sagen will. Wie kann man nur so harmonisch sein." Jetzt schüttelte sie sich auch noch übertrieben angewidert ehe sie lauthals zu lachen anfing. Ich sprang auf und lief zu Erik, um ihm um den Hals zu fallen. Mallorca war perfekt. Er hatte vollkommen recht. Es war ein ganz spezieller Ort für uns. Dort hatten wir uns verliebt und dort hatten wir uns wieder getroffen und versöhnt. Sascha schaute uns mit aufgerissenen Augen überrascht an.  "Morgen geht es für dich in die Sonne. Dein erster Flug." Ich stupste ihn auf seine kleine Nase und bekam ein Strahlen als Antwort. "Dann müssen wir ja nachher noch packen. Mist, haben wir überhaupt genug Windeln mit und dünnere Sachen." Ich ging im Geiste alles durch, was ich mit hergenommen hatte. Gut, im Dezember war es auf Malle ja auch kein Sommerwetter. Also müsste das klamottentechnisch passen. "Engelchen, höre auf zu grübeln. Dogan und Vicki haben schon Koffer für uns gepackt und die müssten jetzt schon auf Mallorca angekommen sein. Wir reisen also nur mit Handgepäck." Wie jetzt, die hatten auch Bescheid gewusst. Ich schüttelte ungläubig den Kopf, atmete aber erleichtert auf. Obwohl, wenn Vicki meinen Koffer gepackt hatte, sollte ich wohl eher in Panik verfallen. Wahrscheinlich hatte ich mehr Dessous als warme Klamotten. Egal, könnte ja auch nicht schaden, war der Gedanke, der mir durch den Kopf schoß als ich zu Erik schielte.

"Und freust du dich schon auf morgen?" Erik schaute mich neugierig an als ich mich ins Bett zu ihm kuschelte. "Da haben wir noch eine ganze Woche nur für uns drei."  Er strich mir liebevoll über meinen Arm und eine Gänsehaut rollte über meinen Körper. "Ich freue mich unglaublich. Das ist das tollste Weihnachtsgeschenk überhaupt." Ich drückte einen Kuss auf seinen Mund. Erik schob mich ein wenig von sich und schautee mir in die Augen  "Naja, das ist ja nicht dein einziges Geschenk." Ich musste grinsen und fasste an mein Handgelenk, an dem ein wunderschöner neuer Armreif funkelte. "Der Armreif ist auch wunderschön."
"Das meine ich nicht. Ich habe noch eine Überraschumg für dich, die dir hoffentlich genauso gut gefällt." Ich schaute ihn überrascht an. "Noch etwas. Du spinnst doch. Das ist doch alles schon mehr als genug." Erik drehte sich etwas von mir weg und zog sein langärmeliges Shirt aus. Was sollte das denn? Naja gut, vielleicht war es ihm langsam mal zu warm mit dem Teil, das er schon die letzten Tage anstelle eines T-Shirts trug. Oder er war enttäuscht über meine Reaktion und lenkte sich erst einmal ab. Ich fühlte mich gerade ziemlich dämlich und undankbar. Wie konnte ich ihn dafür so anblaffen, wenn er mich überraschen wollte? Plötzlich hielt er mir seinen Arm vor die Nase. Was sollte das denn? Ich sah die große 37 und dann wanderte mein Blick weiter. Das war nicht wahr. Dort war ein Bild von Sascha und mir kurz nach der Geburt tätowiert und unsere Namen und Saschas Geburtsdatum standen darunter. Ich schaute in Eriks Gesicht, der mich genau beobachtete. "Das ist unglaublich schön. Wann hast du das gemacht?" Ich war fast sprachlos "An unserem Männertag.", grinste Erik und zog sein Handy hervor. Er öffnete seine Gallerie und zeigte mir ein Foto, wo er auf dem Tätowierstuhl sitzt und Sascha an seiner Brust kuschelt während er tätowiert wird. Das war einfach ein zu goldiger Anblick.
"Dann hattet ihr ja einen wirklichen Männertag. So wie es sich für ganze Kerle gehört, mit einem Besuch beim Tätowierer. Ich hoffe, ihr ward hinterher auch noch ein Bier in der Kneipe zischen.", musste ich lachen.
"Klar, doch.", grinste mich Erik an, ehe er mich in seine Arme zog und küsste. Dieses Weihnachten war einfach perfekt, genau wie meine kleine Familie.

Zwei Schuss, ein Treffer  ✔Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt