Kapitel 73

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"An dem Tag bei der Hochzeit von Jasi und Roman hat mich mein Berater angerufen und mir erklärt, dass der BVB und Huddersfield sich jetzt doch geeinigt hatten und ich am nächsten Tag in England antreten musste. Den Medizincheck hatte ich ja schon absolviert. Als wir dann bei dir waren, wollte ich eigentlich mit dir reden. Aber auf der ganzen Autofahrt habe ich hin- und hergegrübelt. Natürlich hätte ich dich am liebsten mit nach England genommen, aber ich wusste ja wie sehr du an Franzi, Jasi und deiner Schwester hängst. Und dein Studium war dir auch extrem wichtig. Da wollte ich dich auf keinen Fall rausreißen und vor die Wahl stellen. Ich hatte auch Angst, dass ich die Wahl verliere. Und eine Fernbeziehung hätte doch niemals funktioniert. Den Streß, dass du mich immer in England besuchst, wollte ich dir einfach nicht zumuten. Also war ich so saublöd und bin einfach gegangen." Ich schaute Erik immer noch an. Er hatte ein paar mal ganz schön schlucken müssen. Es fiel ihm nicht wirklich leicht sich alles von der Seele zu reden. Auch ich musste ganz schön schlucken. Er hatte mich also nicht einfach sitzen gelassen, weil er egoistisch war, sondern im Gegenteil, weil er an mich gedacht hatte.
"Hättest du mich nicht lieber selber entscheiden lassen können als die Entscheidung für mich zu treffen?"
"Ich hatte zu viel Angst vor deiner Entscheidung. Und im Stillen habe ich gehofft, dass wenn das Jahr um ist, wir wieder zueinander finden." Erik fuhr sich mit seiner Hand durch die Haare.
"Ich hätte mich für dich entschieden."
Erik starrte mich an "Im Ernst?" Ich nickte nur. Ehe ich weiter reagieren konnte, waren schon Eriks Lippen auf meinen, die sofort zu kribbeln begannen. Der Kuss war so zärtlich und doch voller Leidenschaft. Mein Hirn schaltete ab und ich ließ mich ganz in den Kuss fallen. Als wir uns nach einer gefühlten Ewigkeit lösten, legte ich meinen Kopf an seine Schulter und Erik strich über mein Haar.
"Du weißt schon, dass ich dich nicht noch einmal gehen lasse?"  So gut dieser Satz von ihm auch tat, so sehr wusste ich doch, dass er ihn nicht halten konnte.
"Das hört sich gut an. Aber..." Sofort wurde ich unterbrochen.
"Es gibt kein aber." Eriks Stimme war klar und überzeugt.
"Doch, es gibt ein aber. Ich bin von einem anderen Mann schwanger. Kein Mann möchte das Kind eines anderen großziehen. Außerdem wirst du nächste Saison irgendwo im Ausland spielen. Ich kann glücklich sein, dass ich ohne Abschluss den Job bei Jasi habe, um mein Kind zu versorgen. Wir haben also keine gemeinsame Zukunft vor uns." Es tat mir weh das so auszusprechen, aber wenigstens einer von uns musste realistisch bleiben.
"Also erstens ist es dein Kind und dafür, dass es einen idiotischen Vater hat, kann es ja nichts. Ich würde gerne versuchen ihm ein guter Ersatzvater zu sein. Und zweitens ist überhaupt noch nicht klar, wo ich nächste Saison spiele. Bestimmt gibt es eine tragbare Lösung für uns. Und drittens sorge ich für dich und das Baby. Du musst dann nicht mehr arbeiten. Ich habe mir das alles schon die letzten zwei Tage genau überlegt." Eriks Blick schwankte zwischen Hoffnung und Verzweifelung. Was er da sagte hörte sich mehr als gut an und ließ mein Herz in meiner Brust hüpfen. Ich wusste aber auch, dass ich mich auf keinen Fall von einem Mann abhängig machen wollte.
"Ich kann meinen Job nicht aufgeben. Ich bin ortsgebunden und ich bin jetzt auch noch für meinen kleinen Sohn verantwortlich. Und du kannst nicht deine Karriere deshalb ruinieren. Oder willst du vielleicht beim VFL Bochum spielen anstatt bei Juventus Turin?" Konnte oder wollte er die Aussichtslosigkeit nicht verstehen?
"Es wird also ein kleiner Fussballer? Ich habe mir schon immer einen Sohn gewünscht.", strahlt Erik mich an. Hatte er mir eigentlich überhaupt nicht zugehört? War nur Sohn angekommen?
"Hast du mir überhaupt zugehört?", zickte ich jetzt doch.
"Ja, habe ich. Und das mit dem Verein laase mal meine Sorge sein. Und zur Not spiele ich auch bei Bochum in der zweiten Liga. Ich lasse dich nicht wieder gehen und ich möchte den Kleinen mit dir als meinen Sohn aufziehen. Karin hat mir erzählt wie scheiße sich Marco benommen hat. Ich möchte einfach nur für dich und den Kleinen da sein. Wir als kleine Familie. Alles andere ist nicht wichtig. Ich verspreche dir, wir werden schon nicht verhungern." Das hörte sich alles wirklich zu schön um wahr zu sein an. Wir als kleine Familie und Erik würde uns zu liebe sogar in der zweiten Liga spielen. Das war die schönste Liebeserklärung überhaupt. Mein Herz sagte mir ich sollte mich darauf einlassen, aber mein Verstand brüllte mir lautstark vergiss es, das kann nicht funktionieren zu.  Eriks Blick ruhte immer noch auf mir. Er schien auf eine Antwort zu warten. Dummerweise hatte ich keine. Mein kleiner Prinz meldete sich jetzt auch noch und turnte wild in meinem Bauch. Ich stöhnte auf, weil er heftig geboxt hatte. Eriks Blick wurde besorgt "Macht der Kleine gerade Stress?" Ich nickte nur.
"Hör auf deine Mama zu ärgern.", redete er auf einmal mit meinem Bauch und legte seine Hand darauf. "Wenn du möchtest, dass ich dein Papa werde, dann sei jetzt ganz ruhig und ärgere die Mama nicht mehr." Das war jetzt aber ziemliches Risiko, das Erik ging. Was, wenn der Kleine jetzt erst recht aufdrehte? Plötzlich war Ruhe in meinem Bauch. Es war unglaublich. Erik grinste mich an. Genau in diesem Moment hatte mein Herz entschieden und der Verstand schwieg endlich.
"Mein Sohn hat mich überzeugt. Okay, lasse es uns probieren. Wenn ihr beide jetzt schon so zusammenhaltet, was soll das dann erst noch werden, wenn er größer ist. Ich werde völlig gegen euch untergehen " Ich beugte mich zu Erik und küsste ihn. Ich versuchte meine ganzen durcheinanderwirbelnden Gefühle in diesen Kuss zu packen. Erik ließ seine Hand schützend auf meinem Bauch. Der Kleine stupste einmal genau an dieser Stelle. "Ich glaube, er wollte gerade mit mir einschlagen, dass wir dich überzeugt haben.", grinste Erik und streichelte noch einmal über meine kleine Kugel. Auch wenn ich es nicht wirklich glauben konnte, wollte ich gerade in diesem Moment einfach in meinem oder besser gesagt in unserem heilen Wolkenkuckucksheim sein und nicht weiter darüber nachdenken, dass das niemals so funktionieren wird. Gerade war es mir total egal, dass ich garantiert bald wieder auf dem harten Boden der Tatsachen landen würde.
Ich hatte keine Ahnung wie lange wir so auf der Bank saßen, aber die Sonne war schon vor einer Ewigkeit untergegangen. Ich wurde langsam müde und gähnte. "Ich habe für uns ein Zimmer hier im Hotel gebucht. Komm, lasse uns schlafen gehen. Du brauchst deine Kräfte für unseren Kleinen." Erik hob mich auf seine Arme und lief los.
"Ich habe doch aber gar keine Sachen zum Schlafen hier.", protestierte ich "Und Karin macht sich auch garantiert Sorgen, wenn ich nicht wieder ins Hotel kommen." Eigentlich würde ich wirklich gerne hier übernachten, nicht nur wegen des schönen Ausblicks sondern auch weil ich wirklich stehend k.o. war. Ich würde wahrscheinlich sofort im Auto gleich einschlafen.
"Karin hat vorhin eine Tasche mit allem was du brauchst im Hotel abgegeben und sie hat mir gedroht, dass ich das ganze ja nicht versauen soll, weil sie dich heute nicht mehr sehen will.", lachte Erik als mein Handy piepste. Ich zog es aus der Tasche und musste grinsen als ich die Nachricht las
Süße, ich wünsche euch eine schöne Nacht, Karin.
Vielleicht sollte ich dem ganzen wirklich eine Chance geben. Wenn sowohl Erik als auch Karin an uns glaubten. Warum sollte ich also so skeptisch sein. Jetzt freute ich mich erst einmal auf eine wundervolle Nacht in diesem schönen Hotel mit dem Mann, den ich liebte. Denn das musste ich mir einfach eingestehen. Ich liebte Erik immer noch genauso wie vor einem Jahr oder falsch, ich liebte ihn jetzt sogar noch mehr.

Zwei Schuss, ein Treffer  ✔Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt