Kapitel 76

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"Soweit kommt es noch, dass du deinen Koffer schiebst. Das ist viel zu schwer für dich.", wetterte Erik und entriss mir meinen Koffer, den er gerade vom Gepäckband gehievt hatte. Jetzt lief er also mit zwei Koffern und zwei Rucksäcken beladen durch den Flughafen, denn mein Handgepäck durfte ich natürlich auch nicht mehr tragen. Ob ich einfach Karin unterstützen sollte? Ich griff also nach ihrem Koffer, um diesen zu schieben und überrumpelte sie damit völlig. Strahlend lief ich mit meiner Beute los als auch diese mir wieder entrissen wurde "Mensch Engelchen, kannst du mir denn nicht einmal zuhören? Ich will nicht, dass du dich so anstrengst und dir oder dem Kleinen etwas passiert." Erik schaute mich besorgt an und lief jetzt mit drei Koffern und zwei Rucksäcken weiter. Irgendwie war das ja schon ziemlich übertrieben. Ich schob doch nur den Koffer. Das war ja mal nicht so anstrengend und es war ja wohl nicht so gefährlich als würde ich auf ein Pferd steigen und reiten gehen. Ich lief also schmollend weiter hinter ihm her, während er schnaufend zum Ausgang lief.
"Hör auf zu schmollen. Der Junge meint es nur gut. Martin war auch so bei mir. Und denke mal an Roman und Jasi. Das ist völlig normal. Lass' ihm die Freude. Es scheint für Männer unwahrscheinlich wichtig zu sein, uns in der Schwangerschaft zu zeigen wie gut sie für uns sorgen können. Das hat die Natur wahrscheinlich so eingerichtet. Schade eigentlich, dass sie das nicht auf Dauer gemacht hat.", grinste Karin und zwinkerte mir zu. Naja, irgendwie hatte sie ja recht. Als ich hinter Erik durch die Glastür marschierte und davor Jasi, Roman und Vicki stehen sah, fing mein Herz an zu rasen. Boah, wie sollte ich denen denn das jetzt hier auf die Schnelle erklären? Ich hatte Angst vor ihrer Reaktion als ich auch schon die sonore Stimme meiner Schwester hörte "Kathi, was macht der Vollpfosten mit deinem Koffer und Rucksack?" Ehe ich noch etwas antworten konnte, entriss sie ihm auch schon meinen Koffer und zerrte an meinem Rucksack "Gib das gefälligst her, Durm."
Auch Jasi funkelte Erik böse an "Das du dich überhaupt wieder nach Dortmund traust." Roman stand dagegen verspannt mit seiner Tochter auf dem Arm daneben und beobachtete die beiden Furien. Wahrscheinlich war er auf der Hut vor weiteren Schimpfwörtern, um seiner Tochter rechtzeitig die Ohren zuzuhalten.
"Ähm...ähm.", fing Erik an zu stottern und seine Wangen glühten. Ich musste da jetzt unbedingt eingreifen. Aber wie? Ehe mein Kopf weiter nachdenken konnte, setzte sich mein Mund schon in Bewegung "Erik und ich sind wieder zusammen." Alle drei schauten mich schockiert an, während neben mir eine Stimme ertönte, die ich nicht im geringsten hier gebraucht hätte, die aber eigentlich zu erwarten war.
"Das ist nicht dein Ernst, Bro. Du bist doch nicht schon wieder auf diese Famebitch hereingefallen." Erik drehte sich wie von der Tarantel gestochen um und seine Augen funkelten wütend. Diesen Blick hatte ich bei ihm noch nie gesehen. Da konnte man es ja wirklich mit der Angst zu tun bekommen.
"Pass auf, wie du von meiner Freundin sprichst, Dogan. Sonst war es mal was mit Bro. ", knurrte er den Lauch an, während sich Vicki vor ihm aufbaute "Genau, hör mal auf deinen Bro, der scheint ja doch gar nicht so dämlich zu sein. Und pass auf wie du von meiner Schwester sprichst. Sonst ramme ich dich unangespitzt in den Boden, du Lauch." Wäre er ein Keks gewesen, hätte man zuschauen können, wie er zerbröselte, denn bei jedem Wort von Vicki zuckte er zusammen.
Mir war die ganze Situation mehr als unangenehm. Am liebsten wäre ich einfach weggelaufen. Aber manchmal musste man so etwas einfach ertragen. Karin schien es mitzubekommen, den sie strich mir beruhigend über meinen Arm und lächelte mich aufmunternd an.
"So, dann los.", wandte sich Vicki an mich und schaute mich auffordernd an. Ich drehte mich zu Erik um und legte meine Arme um seinen Hals, um ihm einen Abschiedskuss zu geben.
"Ich komme mit zu dir. Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dich den Koffer bis ins Dachgeschoss schleppen lasse. Und dann können wir deine Sachen zusammenpacken und zu mir fahren. Hier Alter, du kannst schon meinen Koffer nach Hause bringen. Ich rufe dich dann an, wenn du Kathi und mich abholen kannst.", wandte er sich an den Lauch, der angepisst in die Weltgeschichte schaute und ungläubig den Kopf schüttelte als er ihm seinen Koffer hinschob. Tja, das passte ihm wohl gar nicht, dass er nur zum Chauffeur degradiert wurde. Erik dagegen legte seinen Arm um meine Taille und nahm Vicki wieder meinen Koffer ab. "Wo steht denn euer Auto?" Jetzt schaute auch Vicki ihn mit großen Augen an und deutete mit ihrem Kopf Richtung Parkhaus. So sprachlos hatte ich meine Schwester selten erlebt. Roman und Jasi setzten sich auch hinter uns zusammen mit Karin in Gang.
"Das hätte ich niemals für möglich gehalten, dass der mal seine Spielerfrau so abfertigt.", hörte ich Jasi fassungslos hinter uns auf Roman einbrabbeln "Hättest du das jemals für möglich gehalten, Brummbärli?" Ich hörte ein Schnaufen von Roman "Ach Sunneschii, du weißt doch, was alles möglich ist, wenn ihr uns den Kopf verdreht habt. Wenn wir die Richtige treffen und total verliebt sind, dann wissen wir Prioritäten zu setzen. Und Erik hat das jetzt auch für sich herausgefunden."
"Ja, aber....", setzte Jasi wieder an. "Nichts aber.", unterbrach Roman sie sofort "Gib den beiden eine Chance. Glaube mir, wenn er es nicht ernst meinen würde, wäre meine Mutter schon eingeschritten." Jasi brummte nur unzufrieden als Antwort "Das schaue ich mir erst noch selber an." Ich musste grinsen. Irgendwie war es schön, dass meine Freundin so besorgt war. Sollte sie ruhig schauen. Ich war mir gerade nach Eriks Auftritt mit dem Lauch ganz sicher, dass er mich liebte. Romans Meinung hatte mir auch ein warmes Gefühl gegeben. Ja, Erik hatte sich für mich entschieden, weil ich die Richtige für ihn war und er mich liebte. Das fühlte sich so gut an. Und jeden Tag wurden meine Zweifel weniger. Man konnte sagen, sie tendierten so langsam gegen null. Ich hatte zwar noch keinen Plan, wie sich das in Zukunft entwickeln würde, aber ich war mir sicher, dass Erik das wie auch immer hinbekommen würden. Ich konnte mir mein Leben einfach nicht mehr ohne ihn vorstellen. Eine kleine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel und kullerte meine Wange hinunter. Diese blöden Schwangerschaftshormone machten mich noch sentimentaler als ich es sowieso schon war. Das war doch echt zum Heulen.

Zwei Schuss, ein Treffer  ✔Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt