Kapitel 89

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Gerade als ich mich zu meiner noch leicht dampfenden Lasagne an den Tisch gesellen wollte, klingelte es an der Tür. Ich schaute also noch einmal zu meinem Essen und stapfte missmutig zur Tür. Vicki musste mal wieder ihren Schlüssel vergessen haben. Wahrscheinlich hatte er nicht in ihre knappe Laufhose oder dieses megaknappe Bustier gepasst. Ich fragte mich echt wie man im August bei fast 30 Grad noch laufen gehen konnte. Aber das war so eine Sache, die ich bei meiner Schwester noch nie verstanden hatte. Ich riss also die Tür auf und blaffte gleich los "Konntest du mit deinem Erbsenhirn nicht an die Schlüssel denken?" Schließlich trennte sie mich durch ihre Schusseligkeit von meiner heißgeliebten Lasagne, die garantiert darauf wartete von mir verzehrt zu werden und so langsam kalt wurde.
"Ähm...ähm." Das war nicht meine Schwester, das war eine Männerstimme. Ich riss meinen Kopf hoch und schaute direkt in Dogans Augen. Man, hatte der mörderische Augenringe. Hatte der noch nichts von Concealer gehört, schoss es mir durch den Kopf und ich musste bei dem Gedanken wie er sich schminkte kurz grinsen.
"Ähm , naja Erik hat mir doch meine Schlüssel abgenommen, Sorry.", druckste er herum. Ach du dickes Ei, der dachte ich hatte ihn mit dem Erbsenhirn gemeint. Plötzlich streckte er mir einen Blumenstrauß und einen Teddybär entgegen. Okay was sollte das denn jetzt? Der Teddy sah ja auch nicht mehr so ganz taufrisch aus.
"Ähm also, ähm ich wollte mich entschuldigen.", stotterte er vor sich hin. Okay, da hatte ich ja nach seinem Abgang mal so überhaupt nicht mit gerechnet. Ich trat einen Schritt zur Seite, um ihm anzuzeigen, dass er reinkommen sollte.
"Ich habe gerade Lasagne fertig. Magst du mitessen?" Auch wenn ich eine Aussprache wollte, hieß das noch lange nicht, dass ich auf mein Essen verzichtete. Etwas abgeben okay, aber ganz verzichten ging ja mal gar nicht.
Ich lief also mit Blumen und Teddy Richtung Küche. "Nimm dir etwas. Du weißt ja wo alles steht." Ich plumpste wieder auf meinen Stuhl und griff schnell zur Gabel, um mir den ersten Happen in den Mund zu stopfen. Wenn ich satt war, würde das Gespräch mit Sicherheit besser laufen.
"Ich wollte mich  entschuldigen. Ich habe mich echt ziemlich daneben benommen. Und danke, dass du mich bei Erik nicht gleich hingehängt hast. Er scheint ja richtig glücklich zu sein." Dogan spielte mit seiner Gabel "Du hattest vorhin ausversehen den Lautsprecher an, als ihr telefoniert habt. Du passt gut zu ihm und irgendwie bist du auch in Ordnung."
"Warum hast du mich dann vorhin beschimpft und bist abgehauen, wenn ich in Ordnung bin?" schmatzte ich vor mich hin. Das verstand ich jetzt echt nicht. Dogan schaute mich erschrocken an "Ich habe doch nicht dich beschimpft. Ich habe mich selbst beschimpft, weil ich mich so scheiße dir gegenüber benommen habe, obwohl du mir eigentlich gar nichts getan hast. Und dann hast du mir gestern auch noch geholfen. Ich musste hier raus, um erst einmal etwas nachzudenken wie ich das alles wieder hinbiege. Irgendwie war mein Kopf noch nicht ganz so fit." Dogan grinste mich verlegen an. Irgendwas sagte mir, dass er das alles wirklich ernst meinte und auch wirklich eine Versöhnung wollte. Dafür musste er mir aber noch ein paar Fragen beantworten.
"Dann sage mir aber bitte mal, warum du von Anfang an so gegen mich warst. Was habe ich dir eigentlich getan?" Dogan fuhr sich mit der Hand durch den Nacken "Naja, Erik hat seit er dich das erste Mal im Vapiano getroffen hat nur noch mit dir genervt. Ständig hat er mich da hingeschleppt und als er dich dann im Flieger nach Malle getroffen hat, war er nur noch auf dich fixiert. Irgendwie kam ich mir wie in die Ecke gestellt vor. Er hatte überhaupt keine Lust noch irgendetwas mit mir zu machen."
"Du warst eifersüchtig?" Ich konnte das gar nicht fassen. "Stehst du auf Erik, oder was?" Das musste ich jetzt wirklich fragen. Dogan riss seine Augen auf "Nein, ich bin doch nicht schwul.", empörte er sich. "Erik ist für mich wie ein Bruder und wir haben immer alles zusammen gemacht. Und plötzlich war ich abgemeldet. Außerdem hatte ich Angst, dass du ihn nur genauso wie diese Laura ausnutzt. Und mit Jasmin ist er ja auch auf die Fresse geflogen. Ich wollte einfach nicht, dass er wieder ausgenutzt und abserviert wird. Er ist einfach zu gutmütig." Da musste ich Dogan recht geben. Gutmütig und gutgläubig war Erik wirklich. Aber bei Jasmin war das blöd gelaufen. Sie hatte ihn ja nicht wirklich ausgenutzt. Aber wer war diese Laura. Ich spürte so ein leichtes Grummeln in meinem Bauch.
"Was war denn mit dieser Laura?" Das musste ich jetzt wirklich mal fragen.
"Naja, die war eine ganze Zeit mit Erik zusammen. Sie war halt auf fame aus und als Erik dann nur verletzt war, hat sie sich einen anderen Fussballer mit mehr Potential von Schalke gesucht. Erik war total fix und fertig als sie ihn abserviert hat. Und ich wollte verhindern, dass ihm das noch einmal passiert." Also hatte Dogan nur seinen Kumpel schützen wollen. Das konnte ich gut verstehen. Ich würde mich ja auch um meine Freundinnen sorgen.
"Okay, dann lasse uns noch einmal ganz von vorne anfangen.", lächelte ich ihn an und hielt ihm meine Hand hin "Ich bin Kathi." Zögerlich griff er meine Hand "Ich bin Dogan. Aber Erik wird mir trotzdem nicht verzeihen." Er hatte seine Stirn gerunzelt und sah nicht sehr überzeugt aus. Ich musste grinsen "Das lasse mal meine Sorge sein. Das bekomme ich schon wieder hin." Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann funktionierte das auch. Außerdem war ich mir tausendprozentig sicher, dass Erik seinen Bro auch vermisste.
"Aber sage mal, warum hast du mir eigentlich den Teddy geschenkt?" Es war ja eher ungewöhnlich, dass man so abgeliebte Einzelstücke verschenkte. Dogan biss sich auf seine Unterlippe "Naja, das ist mein alter Lieblingsteddy, den ich von meinem Baba bekommen habe. Der ist eigentlich mein größter Schatz." Ich spürte, wie mir die Tränen kamen. Er hatte seinen Schatz für meinen Kleinen geopfert. Das war für mich ein wirkliches Zeichen, dass er es ernst meinte. Kein Mensch trennte sich freiwillig von seinem Lieblingsteddy aus Kindertagen, der so eine Bedeutung für einen hatte. "Aber sage mal, was war denn gestern mit dir los, dass du dich so abgeschossen hast?" Dogans Gesichtsfarbe wechselte zu knallrot. Okay, wenn ich so lattenstramm gewesen wäre, wäre mir das mit Sicherheit auch peinlich gewesen.
"Naja, nachdem ich euch im Vapiano geseheen habe, hat Erik mir noch mehr gefehlt. Und gestern stand dann auch noch der Gerichtsvollzieher bei meinen Eltern vor der Tür, weil ich nach dem er mich rausgeschmissen hat, erst einmal keinen Job hatte. Und das als Lieferfahrer war auch nicht gerade viel, was ich verdient habe. Der Job ist doch nur stundenweise. Ich habe halt keine richtige Ausbildung, weil ich ja immer nur Erik gefahren und seinen Haushalt geführt habe. Mein Leben ist irgendwie gerade richtig den Bach runter gegangen." Das hätte ich ja im Traum nicht erwartet. Ich musste unbedingt mit Erik sprechen, wenn er aus dem Trainingslager zurück war. So konnte das nicht weiter gehen. Wir mussten Dogan erst einmal finanziell helfen und dann dafür sorgen, dass er eine Ausbildung machte. Das war Erik ihm schon schuldig. Ich hörte, wie die Tür schloss. Das musste dann wohl Vicki sein.
"Hallo Sis, bin wieder da.", rief sie durch den Flur und schaute zu uns in die Küche. Als sie Dogan erblickte, rannte sie auf einmal los "Was macht der denn hier. Den schmeiße ich sofort raus.", brüllte sie los. Gerade als ich ansetzen wollte sie zu beruhigen, schrie sie auf einmal auf und flog der Länge lang hin.

Zwei Schuss, ein Treffer  ✔Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt