Kapitel 19

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"Was ist denn hier los?", hörte ich die Stimme von Vicki, die mich in ihre Arme zog.
"Erik ist weg.", schluchzte ich.
"Vielleicht musste er ja zum Training.", versuchte mich meine Schwester zu trösten.
"Nein, für immer weg. Er ist nach England." Ich konnte das immer noch nicht wirklich glauben. Warum hatte er dann gestern noch mit mir geschlafen? Brauchte er unbedingt noch eine Kerbe an seinem Bettpfosten? Ich kam mir so schmutzig und benutzt vor.
"Ich denke, er wohnt in Dortmund?", fragte mich Vicki verwirrt. Sie wusste ja noch gar nicht die ganze Geschichte. Wieso hatte sie ihn überhaupt nicht erkannt? Sie ging doch immer zu den BVB Spielen seit wir hier waren.
"Kennst du Erik Durm?" Vicki schaute mich komisch an "Nee, oder? Sag' nicht, dass dein Erik der Erik Durm ist."
Ich nickte "Nenne ihn nie wieder meinen Erik. Ich will mit diesem Arschloch nie wieder etwas zu tun haben. Aber wieso hast du ihn nicht auf Malle erkannt?"
"Mensch, der war doch die ganze Zeit nur verletzt. Ich habe den noch nie spielen sehen. Das ist wie dieser Rode. Da fragt sich auch jeder, ob der überhaupt noch beim BVB ist. Aber was ist jetzt genau passiert?" Ich stand auf und holte seinen zerknüllten Brief und drückte ihn Vicki in die Hand, ehe ich mich wieder in mein  Bett fallen ließ und meine Tränen den Niagarafällen ähnelten.
"Das ist doch jetzt nicht wahr. Was ist das denn für ein Wichser?", regte sich Vicki auf und zog mich in ihre Arme und strich mir über die Haare. Es tat unwahrscheinlich gut, dass sie jetzt da war. Alleine wäre ich wahrscheinlich ausgerastet. Mein Handy gab einen Nachrichtenton von sich. Ich griff danach. Vielleicht hatte es sich Erik ja doch noch anders überlegt und meldete sich bei mir, um mir zu sagen, dass er doch in Dortmund blieb. Ein bisschen Hoffnung keimte in mir auf. Diese verschwand aber sofort wieder als ich sah, dass die Nachricht von Franzi kam.
Marco hat mir das gerade von Erik erzählt. Soll ich vorbeikommen?
Egal, wie wütend und traurig ich gerade war, freute ich mich doch, dass meine Freundin sich um mich sorgte. Schon wieder piepste mein Handy. Auch diese Nachricht war nicht von Erik.
Roman hat mir von Erik erzählt. Sag Bescheid, wenn ich kommen soll.
Auf meine Freundinnen war doch Verlass.
"Der Arsch hat wirklich seinen Mitspielern Bescheid gegeben und bei seiner Freundin nicht das Maul aufbekommen.", meckerte Vicki, die mir über die Schulter gelinst hatte. "Und so wie es aussieht hat er dich aus voller Verzweifelung auch noch flachgelegt. Der soll nur noch einmal in deine Nähe kommen oder mir über den Weg laufen. Dem reiße ich seine Eier raus oder zerquetsche ihn wie eine Blattlaus. Das ist so was von das letzte. Den mache ich fertig. So etwas macht keiner mit meiner Schwester.", wütete sie. Da musste ich doch ein wenig lächeln, obwohl alles so weh tat. Meine Schwester und meine Freundinnen standen voll hinter mir. Ich war nicht alleine. Ich würde mich nicht von diesem Mistkerl kaputt machen lassen. Ich rappelte mich auf und lief Richtung Bad, um erst einmal zu duschen.
"Wo willst du hin?", fragte mich Vicki als ich fertig angezogen an der Küche vorbei lief.
"Zur Arbeit, wohin sonst." Ich schnappte mir meine Tasche und meine Autoschlüssel.
"Bist du dir sicher?" Vicki schaute mich skeptisch an "Willst du heute nicht lieber zu Hause bleiben? Jasi hat bestimmt Verständnis."
Ich schüttelte den Kopf "Hier fällt mir nur die Decke auf's Hirn und ich grübele die ganze Zeit. Ich brauche Ablenkung. Außerdem habe ich durch den Urlaub schon lange genug gefehlt. Du weißt doch bald ist Transferschluss." Ja, das hatte ich schon gelernt und nicht nur durch Erik seinen spontanen Wechsel. "Und auch die Werbeverträge sind jetzt ganz heiß. Ich will Jasi nicht noch länger fehlen." Ich war so froh, dass sie mir überhaupt die Chance gab bei ihr zu arbeiten, obwohl ich von dem ganzen Fussballgeschäft nicht wirklich Ahnung hatte. Und wenn ich Ablenkung hatte, tat mir das mit Sicherheit gut.

Ich hatte gerade meinen PC hochgefahren als die Bürotür aufgerissen wurde und Jasi hereinstürmte. Gerade als sie an mir vorbeilief, blieb sie auf einmal stehen und schaute mich an.
"Was machst du denn hier?" Ehe ich antworten konnte, wurde ich in eine feste Umarmung gezogen. Na toll. Schon wieder fingen meine Dämme an zu brechen. Menno, ich hatte mich doch gerade so schön im Griff.
"Wusstest du gestern schon, dass Erik nach England geht? Warum hast du denn nichts gesagt? Okay, das ist jetzt nicht optimal, aber so eine Fernbeziehung kann doch auch funktionieren.", versuchte Jasi mich zu trösten.
"Ich habe überhaupt nichts gewusst bis ich heute Morgen einen Brief von ihm gefunden habe.", schluchzte ich schon wieder.
"Was für einen Brief?", ertönte Jasis und Franzis Stimme gleichzeitig. Wo kam denn jetzt Franzi her?
"Ich habe dein Auto aus dem Fenster gesehen und wollte nach dir schauen." Scheinbar hatte ich sie fragend angeschaut."Jetzt sag' aber was für einen Brief?"
"Na als ich heute morgen wach geworden bin, war Erik weg und da lag nur der Brief und eine Rose auf dem Kopfkissen.", schniefte ich.
"Menschenskinder, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Was stand in dem Brief drin?" Ich wurde von beiden neugierig angeschaut.
"Na, dass er nach England ist, nicht mehr wiederkommt und es nicht geschafft hat mir das zu sagen, aber mich immer lieben wird.", fasste ich also alles kurz zusammen.
"Soll das heißen, der hat dich gestern noch mit dem Wissen flach gelegt und dann klamm heimlich die Flatter gemacht, ohne mit dir zu reden?" Schockiert sah mich Franzi an.
"Das ist doch wohl nicht sein ernst. Dem reiße ich den Arsch von hinten nach vorne auf.", ereiferte sich Jasi. "Der kann sich doch nicht einfach so mir nichts dir nichts verpissen und dich hier sitzen lassen."
"Hat der noch nie etwas von einer Fernbeziehung gehört? Marco hätte damit auch gelebt, wenn die Drops nicht dazwischen gekommen wären. Wie dumm ist der eigentlich? Der hat doch massiv zu viele Bälle an den Kopf bekommen." Franzi regte sich jetzt auch auf. "Hat er dich denn jetzt wenigstens noch einmal angerufen oder dir eine Nachricht geschrieben?"
Ich zog mein Handy aus der Tasche und schaute rauf. Da war nichts, keine einzige Nachricht. Ich schüttelte also nur deprimiert mit dem Kopf.
"Das Arschloch soll sich noch ein einziges Mal in deine Nähe trauen.", grummelten meine Freundinnen gleichzeitig. Als die Tür aufging und Marco mit Roman hereinkam.
Beide schauten erst mich und dann ihre Frauen an.

Zwei Schuss, ein Treffer  ✔Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt