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Changbin P.O.V.

Die Minuten vergingen wie in Zeitlupe. Minuten wurden zu Stunden. Stunden zu Tagen und Tage wiederum zu ganzen Jahren. Somit war es kein Wunder, dass ich mich um dreißig Jahre gealtert fühlte, seit ich Felix das letzte Mal gesehen hatte.

3 Tage ist es nun her, seit ich meinen blonden Jungen das letzte Mal anschauen durfte. Das letzte Mal, als wir uns richtig in die Augen sahen, hatte er mich geschlagen, und zwar mitten ins Gesicht, wobei ich mich noch immer fragte, wie er so einen kräftigen Schlag haben konnte. Immerhin bestand er sowieso schon fast immer nur aus Haut und Knochen. Zwar hatte er die letzten Wochen wirklich viele und auch sichtbare Muskeln aufgebaut, aber würden diese nicht mehr lange halten, wenn er noch eine Zeit lang nicht zum Training erschien.

Auch sein Essen, rührte er so gut wie gar nicht an. Jeden einzelnen Tag stellten Chan oder Woojin, manchmal auch ich, das Essen auf einer Art Tablett vor die Tür. Selten erinnerte mich der Anblick des Frühstücks, Mittagessens oder Abendessens, je nachdem welche Tageszeit wir gerade hatte, an Gefängniszellen. Nur dass er hier freiwillig in seinem Zimmer blieb. Er hatte es immer von innen verschlossen und auch den Schlüssel stecken lassen, dass kein Bandmitglied durch das Schlüsselloch schauen oder mit einem Ersatz die Tür öffnen konnte.

In den letzten Tagen hatte Felix gerade zwei Mal sein Mittag komplett aufgegessen. Ob es nun Zufall war oder nicht, konnte ich nicht sagen, aber Felix aß nur etwas, wenn Chan dies selber gebracht hatte. Kamen Woojin oder ich mit dem Teller in der Hand, stand dieser eine halbe Stunde später noch randvoll vor der Zimmertür. Man konnte nicht erkennen, ob Felix die Tür jemals geöffnet hat, doch sah es nicht so aus.

Die einzigen Momente, wo ich ihn vorfinden hätte können, war, wenn er mitten in der Nacht, oder teilweise um 4 Uhr morgens Duschen ging. Doch natürlich schliefen immer alle noch, beziehungsweise kam der Jüngere nur aus dem Zimmer, wenn keine Person anwesend zu sein schien.

Ein einziges Mal hatte das Schicksal mir erlaubt Felix zu sehen, als ich gestern Morgen hinaus ging um die Zeitung zu holen. Sobald ich mich nämlich umgedreht hätte, fiel mein Blick auf das offene Fenster. Zwischen den Gardinen stand der Jüngere und starrte zu mir herunter. Als ich seinen Blick erwiedert hatte, ließ er mit einem kräftigen Ruck die Jalousien herunter. Seit dem sah ich ihn für den Rest des Tages nicht mehr.

Doch dieser kurze Blick reichte mir aus, um zu sehen, wie schlecht es um ihn stand. Seine Wangen waren verdammt doll eingefallen und unter den stark geröteten Augen sah ich tiefschwarze Augenringe. Diese standen im unübersehbaren Kontrast zu der bleichen, ungesund wirkenden Haut. Auch seine Haare ließen zu wünschen übrig, da sie ihm fettig in die Stirn hingen und auf dem oberen Teil des Kopfes von einer zerschlissenen schwarzen Kapuze bedeckt worden waren. Im ganzen sah er einfach ungesund aus.

Seufzend nahm ich einen Schluck meines morgendlichen Tees, und dachte an Felix. Was er wohl gerade machte? Bestimmt schlief er noch, oder verbrachte wie so oft den ganzen Morgen in seinem verschlossenen, dunklen Zimmer. Möglicherweise genoss er auch einfach nur die Stille des Dorms welche uns umgab, da ich die einzige Person der Gruppe war, die schon aufgestanden ist.

Wie gerne ich jetzt zu ihm gehen würde. Doch nie im Leben würde das nun funktionieren. Wenn der Jüngere mich die letzte Zeit nicht sehen wollte, dann würde er es bestimmt auch nicht so toll finden mich jetzt anzutreffen. Natürlich konnte ich nicht hundert Prozentig behaupten, dass er sich mit keiner Person unterhalten wollte, denn ich kannte Lixi gut genug, um sagen zu können, dass ihm die Gesellschaft gleichaltriger mittlerweile fehlte.

Nur ob er mich bei sich haben wollte, war eine Frage, die vermutlich auf alle Ewigkeiten ungeklärt blieb. In Gedanken versunken trank ich die letzten großen Schlucke aus meiner Tasse und brachte diese dann zu der hölzernen Anrichte. Ohne irgendeine Art von Feingefühl legte ich diese in das Abwaschbecken aus Metall, weshalb ein lauter Knall entstand.

Play-acting || ChanglixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt