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Felix P.O.V.

Meine Tränen vermischten sich langsam mit dem gelblich-braunen Saft in der Toilette. Ich gab nur noch erstickte Laute von mir und krallte mich so fest es ging in den Klodeckel.

Ich tat es ja wirklich nicht mit Absicht. Ich wollte nicht erbrechen müssen, aber dieses Gefühl wenn einem das Essen die Speiseröhre runterrutschte war echt ekelhaft.

Mein Magen ist es einfach nicht mehr gewöhnt gewesen so viel Nahrung auf einmal aufzunehmen. Auch in dem zugegebenermaßen hässlichen Krankenhaus hatte ich ja die Mahlzeiten die Toilette runtergespült.

Es war eine wirklich effektivere Variante als das Essen dann erbrechen zu müssen. Meist achteten die Krankenhelfer nur darauf ob es im Bad stank oder nicht.

Wenn es auch nur annähernd nach Kotze roch hätten sie mich definitiv in die Klinik gesteckt, das machten sie mir am ersten Tag als ich aufwachte direkt klar. An den kleinen Nervenzusammenbruch daraufhin wollte ich gar nicht denken müssen.

Erneut bahnte sich ein Hustenreiz an, doch ich versuchte es so gut es halt funktionierte zu unterdrücken. Denn wenn das Glück schon auf meiner Seite war und bis jetzt niemand rein kam, so sollte ich dessen Geduld jetzt nicht noch testen.

Mit wackeligen Beinen stützte ich mich an der Kabinenwand hoch und spülte durch. Der saure Geschmack lag zwar noch immer in meinem Mund, aber wenigstens drehte die Welt sich nicht mehr.

Wieso eigentlich soll ich damit aufhören? Mir geht es scheiße, mein Leben werde ich sowieso bald beenden. Also was hält mich Missgeburt noch in dieser Welt?

Traurig lächelnd nahm ich mein kleines Namensschild von dem weißen Pullover und betrachtete es einige Sekunden in meinen Händen.

Aus Erfahrung wusste ich welche Schätze sich in solchen Gegenständen befinden konnten. Man musste nur wissen wo man sie her bekam.

Eine kleine, unscheinbare Klammer entfernte ich aus meinen blonden Haaren und löste somit einige Strähnen. Ich setzte sie gezielt zwischen die Plastikscheibe des Schildes und der Klammer an.

Dann drückte ich fest zu- und siehe da: zwei gebrochene Stücke Metall. Sie glänzten leicht in dem kalten Licht welches von der Decke hinab baumelte und spiegelten mein hässliches Gesicht.

Ein letzter Blick auf die verschlossene Kabinentür und der Drang die psychischen Schmerzen vergessen zu können ließen meine Entscheidung wahr werden.

Der altbekannte Schmerz durchflutete meinen Unterarm, nachdem ich diesen von den weißen Ärmeln befreit habe. Er ließ mich genießerisch aber gleichzeitig qualvoll aufkeuchen, denn zu lange konnte ich es nicht mehr spüren.

Diese Befreiung entstand, so wie es aussah, durch das öffnen meiner Adern. Wenn Changbin mich nicht aufgehalten hätte, dann wären diese nun schon komplett zerschnitten.

Ob ich ihm dafür danken sollte war die Frage. Im Prinzip hat er mir ja das Leben gerettet, aber ob ich das überhaupt wollte? Für mich ich das Leben nämlich nicht lebenswert, wenn die Person die du liebst deine Gefühle nicht erwidert.

Wie sollte man denn je glücklich sein? Wie sollte man leben wenn die Liebe deines Lebens dich hasst? Denn man liebt einen Menschen, weil man etwas in ihm sieht dass kein anderer sehen kann.

Mehr und mehr rote Striche zierten meine Haut an den Armen und mehr und mehr Tränenspuren zierten die in meinem Gesicht.

Ich bin so scheiße. Ich bin so dumm. So hässlich. So verabscheuungswürdig. So unnormal und widerwärtig. Warum esse ich noch wenn ich sowieso sterbe? Warum liebe ich noch wenn ich sowieso nur verletzt werde? Wieso soll ich vertrauen wenn ich am Ende eh wieder verarscht werde? Was habe ich in meinem Leben nur falsch gemacht?

Am liebsten wollte ich schreien und alles raus lassen, aber ich schweige wenn es mir schlecht geht.

Denn ich hatte immer Angst davor Leute die mir wichtig sind zu verlieren. Aber gab es denn auch Menschen die Angst hätten mich zu verlieren?

Bestimmt nicht. Also zog ich die leicht kratzenden Stücke Metall weiter durch meine Unterarme. Die Sache war die... wenn ich schon einmal dabei war...

Mein Blick wanderte gierig zu meinem Handgelenk. Ich könnte jetzt und hier alles beenden. Dann wäre mein Leben auf der Stelle vorbei und niemand könnte mich aufhalten.

Würden meine Member die Tür eintreten? Würden sie weinen? Würden sie den Stays die Wahrheit sagen wenn ich nicht mehr existierte?

Leicht fuhr ich mit der Spitze der zerbrochenen Klammer über meine Pulsader. Es wäre so einfach...

Zu mir selbst schüttelte ich den Kopf. Nein, ich wollte wenigstens noch einen Abschiedsbrief schreiben. In welchem ich jedem erzählen konnte wie toll die jeweilige Person doch war. Dafür brauchte ich Zeit.

Ich warf die Metallplättchen in den Mülleimer neben mir und schwankte ein wenig wegen dem starken Blutverlust. Vielleicht noch einmal überdenken ob ich auf diese Art von der Erde gehen wollte...

Leicht stolpernd drückte ich die Badezimmertür auf, meine Augen auf den Boden gerichtet. Es war mir im Moment so scheißegal was die anderen von mir dachten.

So lange JYP mich noch in der Gruppe behielt war alles für mich in Ordnung. Von mir aus durfte auch der ganze Staff meine Wunden anstarren. Doch als ich meinen Blick hob war keiner mehr zu sehen. Vermutlich hatten sie Pause oder so etwas.

Nur meine Gruppe saß noch einige Meter von meinem Standpunkt entfernt auf irgendwelchen Stühlen oder Hockern. Seungmin war die erste Person die mich sah.

Sein Blick fiel auf meine Arme und für einen kurzen Augenblick schien es mir als würden seine lächelnden Mundwinkel fallen, doch hoben sie sich nur noch mehr an.

Seine Finger winkten mir relativ unauffällig zu und deuteten mir so mich zu ihnen zu begeben. Um ehrlich zu sein hatte ich Angst vor Hyunjin, aber was anderes konnte ich eh nicht tun. Also kam ich seiner Bitte nach.

Als auch endlich der Letzte mich bemerkt hat, lagen alle Augen auf mir, beziehungsweise meinen Armen. Sie sollten mich aber bitte nicht weiter beobachten, denn die Emotionen drehten bei mir völlig durch.

Und obwohl ich die letzten 10 Minuten schon so viel geweint habe, kamen mir auch jetzt wieder die Tränen. Betroffen versteckte ich mein Gesicht hinter den Händen bevor ich leise schluchzen musste.

“Es... es t-tut mir so lei-eid...“

Play-acting || ChanglixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt