Hernández x Pavard - Entführung (Teil 13)

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Benjamins PoV

  "Gibt es etwas neues?", erkundigte sich Thomas, als wir uns gerade in der Kabine fürs Training umzogen. Es wussten direkt alle, worauf Thomas hinaus wollte. 

  "Josh darf nächste Woche mit dem Einzel-Training starten, ansonsten ist alles unverändert", berichtete Leon. 

  "Das klingt doch gut. Vielleicht hilft es ja auch beim Schlafproblem, wenn er sich beim Training etwas auspowern kann", meinte Serge. 

  "Es gibt auch andere Wege um sich auszupowern, dafür muss er nicht bis zum Trainingsstart warten", kommentierte Leroy mit dreckigen Grinsen. 

  "Stopp, wir werden mit diesem Thema gar nicht erst anfangen, weil es euch nichts angeht", versuchte Leon ein Gespräch über das Sexleben von ihm und Joshua zu unterbinden. 

  "Ich denke aber auch, dass ihm das Training gut tun würde. Es bringt wieder etwas Alltag zurück", half Manuel, um zum eigentlichen Thema zurückzukommen. 

Ich wusste, dass auch von mir eine Antwort auf Thomas Frage erwartet wurde, doch es gab keine Neuigkeiten. Lucas lag noch immer in seinem Bett und schien in seiner eigenen Welt zu sein. Er hatte es bisher wirklich nur verlassen, um auf Toilette zu gehen. Wenn er schlief, plagten ihn Albträume. Es gab kaum einen Tag an dem ich ihn nicht weckte, um ihn aus einem Albtraum zu befreien. Seit neun Tagen war Lucas nun schon Zuhause, doch er hatte noch kein einziges Wort mit mir gesprochen. Ich wusste nicht, was während der Entführung passiert war, aber dafür war der Schmerz und die Angst in Lucas Augen umso deutlicher. Er war nicht mehr er selbst und ich wusste nicht, ob ich jemals meinen Lucas wiederbekommen würde. Für mich stand jedoch fest, dass ich ihn niemals im Stich lassen würde. Ich würde an seiner Seite bleiben, egal wie schwierig es werden würde. 

  "Wie geht's Lucas?", erkundigte sich Thomas nun direkt bei mir, da ich seine vorherig Frage unbeantwortet gelassen hatte. Auch jetzt antwortete ich als Antwort lediglich mit einem Schulterzucken. Was hätte ich ihnen schon erzählen sollen? Lucas litt jeden Tag und es schien mit jedem Tag etwas schlimmer zu werden. Ich würde ihm gerne helfen, doch ich wusste nicht wie. Mehr als für ihn da zu sein, konnte ich nicht tun, doch befürchtete ich, dass das nicht ausreichen würde. Es würde nicht plötzlich eine Wunderheilung geben. Lucas schien sich aufgegeben zu haben. Schon mehrfach war mir Gedanke gekommen, ob er sich selbst etwas antun würde. 

  "Vielleicht wäre es doch gar keine schlechte Idee, wenn er zumindest für ein paar Tage bei Experten wäre", sprach Robert ganz vorsichtig das Thema an, welches ich hasste. 

  "Ich schiebe ihn nicht zu Fremden ab", widersprach ich sofort. Es war keine Option für mich, dass ich Lucas in eine Psychiatrie einweisen lassen würde. Er hatte im Krankenhaus nicht mit dem Psychologen gesprochen. Warum sollte er es also dort tun? Er wäre allein unter Fremden. Ich könnte nicht für ihn da sein und ich könnte ihn nicht bei mir haben. Wir würden beide unter der Situation leiden. 

  "Benji, so wie es aktuell ist, ist es aber doch keine Dauerlösung. Lucas braucht Hilfe. Man bekommt das sicherlich geklärt, dass du ..."

  "Nein", unterbrach ich Manuel. Bevor erneut Jemand versuchen konnte, mich überzeugen zu wollen, klingelte mein Handy. Dankbar für die Unterbrechung griff ich danach. Beim Blick auf den Display, stoppte ich in der Bewegung. Lucas Nachbarin rief mich an. Die Beiden hatten sich bereits kurz nach Lucas Einzug angefreundet, weswegen ich ihr vor einigen Tagen für Notfälle meine Nummer gegeben hatte. 

  "Alles okay?", erkundigte sich Leroy. Statt zu antworten nahm ich den Anruf entgegen. 

  "Ist irgendwas passiert?", fragte ich direkt ohne sie überhaupt zu begrüßen. 

  "Ich war gerade mit den Kindern im Garten. Von Nebenan kam ziemlicher Lärm. Bei Lucas ist im oberen Stockwerk ein Fenster offen, weswegen ich das laute Poltern, was von dort kam, ziemlich gut hören konnte. Irgendein Mann scheint dort zu sein. Ich weiß nicht, welche Sprache er spricht, aber es klang auf jeden Fall alles andere als freundlich. Vorm Haus steht ein Auto mit ausländischen Kennzeichen. Soll ich die Polizei rufen?"

  "Ja, ich mach mich auch sofort auf den Weg. Bin so schnell es geht da."

  "Du solltest aber lieber nicht ins Haus gehen. Wer ..."

  "Bis gleich", unterbrach ich sie und legte auf. Den linken Fußballschuh, welchen ich mir kurz vorm Telefonat angezogen hatte, streift ich mir wieder vom Fuß und schlüpfte stattdessen in meine Sneaker. 

  "Was ist passiert?", fragte Leon. 

  "Das war Lucas Nachbarin. Irgendjemand ist bei Lucas Haus, der dort mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts verloren hat. Ich fahr hin. Sagt ihr bitte Julian Bescheid, dass ich heute nicht mit trainiere." Hektisch schnappte ich mir mein Handy und den Autoschlüssel. 

  "Benjamin, lass das die Polizei klären. Du weißt nicht, wer dort im Haus ist und ob die Person, vielleicht bewaffnet ist", versuchte Manuel mich zur Vernunft zu bringen. 

  "Und genau deswegen, werde ich da hinfahren. Ich lasse Lucas nicht einfach im Stich."

  "Du sollst ihn auch nicht im Stich lassen, sondern der Polizei das überlassen",  erwiderte Robert. Ich erwiderte nichts, sondern lief Richtung Tür. 

  "Kingsley und ich kommen mit", rief Corentin plötzlich. 

  "Was?", kam es entsetzt von Kingsley, während Corentin bereits auf mich zu gelaufen kam. Als ich gefolgt von diesem die Kabine verließ, schloss sich uns auch Kingsley an. Corentin nahm mir unterwegs den Autoschlüssel ab und sorgte anschließend dafür, dass wir unfallfrei bei Lucas Haus ankamen. Von der Polizei war noch nichts zu sehen oder zu hören. 

  "Wie sieht unser Plan aus?", flüsterte Kingsley, nachdem wir ausgestiegen haben. 

  "Wir haben keinen", erwiderte Corentin. "Wir gehen rein und hoffen, dass wir es nicht bereuen werden." Ich nahm Corentin meinen Schlüsselbund aus der Hand, um mit diesem zur Haustür zu laufen, welche ich möglichst lautlos aufschloss. Meine beiden Mannschaftskollegen folgten mir ins Innere des Hauses. Von oben dröhnte bereits die von der Nachbarin erwähnte Stimme. Bevor ich mir Gedanken darüber machen konnte, um welche Sprache es sich handelte oder wie wir weiter vorgehen sollten, ertönten im oberen Flur Schritte, die näher kamen. 

  "Versteckt euch", hauchte Kingsley leise. Während er und Corentin Richtung Wohnzimmer liefen, entschied ich mich für die Küche. Aus Reflex schnappte ich mir ein Messer aus dem Messerblock und kniete mich mit diesem hinter die freistehende Küchentheke. Mit rasendem Herz saß ich angespannt dort und lauschte den Schritten, die tatsächlich die Treppe herunter kamen. Wieder ertönte die Stimme, doch schien sie weiter entfernt als die Schritte zu sein. Es mussten also mindestens zwei Personen sein. Die Schritte näherten sich. Jemand betrat die Küche. Ich umklammerte das Messer fester und hoffte einfach nur, dass die Polizei auftauchte und es Lucas gut ging. 

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