Hernández x Pavard - Entführung (Teil 9)

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Benjamins PoV

Die Fahrt zur mitgeteilten Adresse dauerte etwa zwanzig Minuten, fühlte sich für mich jedoch deutlich länger an. Ich war angespannt, während ich sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen ignorierte, um möglichst schnell bei Lucas sein zu können. 

Als ich die im Navi eingegebene Adresse erreicht hatte, stand ich vor einem verlassenen Fabrikgelände, dessen Metalltor offen stand. Langsam steuerte ich Lucas Auto aufs Gelände, wo sich mehrere Gebäude befanden. Es würde ewig dauern das riesige Gelände abzusuchen. Für einen Moment versuchte ich die Sorge um Lucas zu verdrängen, um mir einen logischen Plan zu überlegen. Um keine wertvolle Zeit zu vergeuden, entschloss ich, mir zunächst einen groben Überblick übers Gelände zu verschaffen. Ich fuhr weiter aufs Grundstück und musterte aufmerksam meine Umgebung. 

Sämtliche Türen, an denen ich vorbeigefahren war, waren geschlossen gewesen mit Ausnahme einer einzigen Tür. Bei einem der hinteren Gebäuden stand eine Tür offen. Eine Holzkiste verhinderte, dass sie wieder zufiel. Ich ließ das Auto einfach mitten aufm Weg stehen und stieg aus. Nachdem ich mich kurz umgeschaut hatte, ob irgendwo andere Personen zu sehen waren, lief ich zur offenen Tür und betrat das Gebäude. Im Inneren herrschte beinahe die gleiche Kälte wie draußen. 

Für einen Moment blieb ich stehen und lauschte, konnte jedoch keinerlei Geräusch hören. Ich wagte mich weiter in dunkle Gebäude hinein. Es war draußen zum Glück noch hell genug, um zumindest noch etwas im Inneren sehen zu können, dennoch trug die schlechten Lichtverhältnisse nicht zur Verbesserung der Situation bei. Ich hatte das leerstehende Gebäude gerade erst betreten und wäre am Liebsten direkt wieder umgedreht. Der Gedanke an Lucas trieb mich jedoch voran. Möglichst lautlos setzte ich meine Suche fort. 

Von der großen Halle, die ich als erstes betreten hatte, führten mehrere Türen weg, die ich nacheinander öffnete. Hinter einigen Türen lagen einzelne Räume, während sich hinter Anderen weitere Gänge befanden. Die Türen mit den Gängen ließ ich offen stehen, öffnete aber zunächst alle Türen einmal, bevor ich mich für einen der Gänge entschied. Im Gang befanden sich weitere Türen hinter denen sich jedoch lediglich leere Räume befanden. 

Nach wenigen Minuten im Gebäude wurde mir bereits klar, dass es die Suche ewig dauern könnte. Die Polizei war vermutlich schon aufm Weg oder bereits vor Ort, doch würden die mit ihrer Suche vorne beginnen, wäre ich wahrscheinlich noch Stundenlang auf mich allein gestellt. Verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare. Ich lauschte noch einmal, ob ich irgendwelche Geräusche hörte, ehe ich es wagte und Lucas Namen rief. Ich erhielt keinerlei Reaktion. 

Gerade als ich in den nächsten Gang wechseln wollte, entdeckte ich in der hintersten Ecke eine Bodenluke. Ich lief dort hin und hievte die Metallluke auf, welche mit einem lauten Knall auf den Boden fiel. Unter der Luke befand sich eine Leiter. Sollten die Entführer noch vor Ort sein, hätten sie mich spätesten nach dem Knall der Luke sowieso bemerkt, weswegen ich nicht länger versuchte leise zu sein. Die Stimme in meinem Inneren, die mir sagte, dass ich mir gerade selbst in Gefahr brachte und ich lieber auf die Polizei warten sollte, ignorierte ich. Es ging um Lucas. Ich musste zu ihm. 

Ich stieg die Metallleiter nach unten, wo es noch einmal deutlich kälter als oben war. Zudem gab es außer das weniger werdende Tageslicht, welches den Bereich unter der Luke noch minimal erhellte, keine Lichtquelle. Mit zitternden Händen holte ich mein Handy aus der Jackentasche. Während ich die Taschenlampe einschaltete, fiel mir auf, dass ich keinen Empfang hatte. Sollte Lucas wirklich hier unten sein, würde ich übers Handy keine Hilfe holen können. Das Problem verdrängte ich zunächst wieder, um mich komplett auf die Suche konzentrieren zu können. 

Im Gang, in welchem ich stand, gab es mehrere Türen und ich befürchtete bereits, dass sich hinter diesen, sowie oben, weitere Gänge mit noch mehr Türen befinden könnten. Ich begann die ersten Türen zu öffnen hinter denen sich jedoch nur leere Räume befanden. 

Mein Blick fiel, gerade als ich die nächste Tür öffnen wollte, auf eine Metalltür. Ich ließ die Tür vor mir zunächst geschlossen und steuerte stattdessen die Metalltür an. Ein Riegel, ebenfalls aus Metall, verschloss die Tür sicher. Mühsam schob ich den Riegel auf, um anschließend die Tür aufdrücken zu können. Mit dem Licht meines Handys leuchtete ich den Raum ab. 

Als im Lichtkegel eine reglos am Boden liegende Person auftauchte, setzte mein Herz für einen Moment aus, um anschließend noch schneller als zuvor eh schon weiterzuschlagen. Ich stürmte auf die Person zu, die ich beim näherkommen als Lucas identifizierte. 

  "Lucas", rief ich und ließ mich neben ihm auf die Knie fallen. Ich erhielt keinerlei Reaktion. Seine Lippe war aufgeplatzt und unter seinem rechten Auge befand sich ein großer Bluterguss. Ängstlich streckte ich eine Hand aus, um nach seinem Puls zu fühlen. Doch bereits der erste Kontakt mit seiner Haut ließ mich zurückschrecken. Er war eiskalt. "Luci, bitte", flüsterte ich, während ich erneut meine Finger an seinen Hals legte. Ich hielt die Luft an und versuchte mich für einen Moment komplett auf meine Finger zu konzentrieren. 

Erleichtert atmete ich auf, als ich Lucas Puls spürte, wenn auch nur schwach. Vorsichtig rüttelte ich etwas an ihm, während ich ihn immer wieder ansprach. Als sich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich Lucas Augen einen Spaltbreit öffneten, hätte ich vor Erleichterung weinen können. 

  "Lucas", hauchte ich und legte eine Hand an seine kalte Wange. Nur verzögert richtete sich Lucas Blick auf mich. Er öffnete den Mund ein winziges Stück als würde er etwas sagen wollen, doch kein Wort verließ seine Lippen. "Ich bin jetzt da. Alles wird gut, versprochen. Versuch bitte wach zu bleiben." Ich lehne mich vor und platzierte einen vorsichtigen Kuss auf seiner Schläfe. "Ich bin bei dir." Als ich mich wieder aufrichtete, waren Lucas Augen geschlossen. "Wach bleiben", erinnerte ich ihn, während ich mir meine Jacke auszog und diese über ihn legte. "Die Polizei müsste auch schon in der Nähe sein. Dir kann nichts mehr passieren, aber du musst wach bleiben." Ich erhielt keine Reaktion. "Lucas?" Seine Augen blieben geschlossen. 

Mein Handy, welches ich zur Seite gelegt hatte, nahm ich wieder in die Hand. Es zeigte noch immer an, dass ich keinen Empfang hatte. 

  "Ich hole so schnell ich kann Hilfe und dann bin ich wieder bei dir, versprochen." Irgendwas nuschelte Lucas, was mit ganz viel Fantasie ein Benji gewesen sein könnte, ohne die Augen dabei zu öffnen. Sofort griff ich nach seiner Hand, um sie kurz zu drücken. "Bitte, du musst nur noch ein paar Minuten durchhalten, dann ..." Ich brach meinen Satz ab, da Lucas erneut versuchte irgendwas zu sagen. "Was hast du gesagt?", fragte ich nach, wobei ich mich weitere zu ihm runterlehnte. 

  "je t'aime (liebe dich)", brachte er mühevoll, wenn auch kaum hörbar heraus. Für einige Sekunden starrte ich Lucas, der nun wieder komplett reglos und stumm dort lag, an, bis seine Worte endlich zu mir durchdrangen. In jedem anderen Moment hätte es keine schöneren Worte für mich geben können, doch in diesem Augenblick klang es mehr nach einem Abschied als eine Liebeserklärung. 

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