Kapitel 75: Ankunft in Italien

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Meine Wange klebt fast schon an der kühlen Scheibe meines Fensterplatzes, als wir über das Gebiet fliegen, wo wir demnächst landen werden. Die Landschaft ist wirklich malerisch schön, die Gegend ist von hügeligen Wiesen voll mit Weinreben gespickt, wobei zwischendurch Schotterwege mit diesen typischen spitz zulaufenden Bäumen zum Wandern einladen. Sekunde, wie hieß diese Gegend hier noch gleich?

Zypressen heißen die Bäume und das hier ist die Toskana, mein Schatz", belehrt Viktor mich lächelnd, schaut aber nicht mal von seiner Ausgabe des Hamburger Abendblattes hoch.

Ein bisschen ungebildet fühle ich mich, aber das Fach Erdkunde ist schon eine Weile her.

„Bist du überhaupt zur Schule gegangen?", platzt es dann aus mir heraus.

Hinter uns fangen Fabrice und Kilian beherzt an zu lachen, aber kommt schon, bei einem Mann aus dem Jahr 1825 kann man doch mal fragen!

„Nein, ich habe das Medizinstudium bei der Weinprobe geschenkt bekommen", haut Viktor unbeeindruckt raus.

Das finden die zwei Vampire hinter uns mindestens genauso unterhaltsam. Nach einem richtig giftigen Blick von mir, den Viktor ignoriert und dann mit einem sanften Streicheln meiner Wange besänftigt, setzt er ein Lächeln auf und holt Luft.

„Mein Vater hat damals einen Hauslehrer engagiert, bei den Familien aus meinem Stand war das so üblich, also gingen meine Brüder und ich nicht auf eine Schule, wie du es von heute kennst", erzählt Viktor mit Blick in die Vergangenheit.

Damit hat er mich.

„Erzähl mir bitte davon, vom Leben damals als du Kind warst", frage ich ganz lieb nach.

Viktor bekommt ein Lächeln auf den Lippen. Ich kann dann auch wahrnehmen, wie Kilian und Fabrice zur Seite legen, was auch immer die beiden in der Hand haben. Die interessieren sich wohl genauso brennend dafür, haben bisher dann scheinbar aber nie nachgefragt und Viktor scheint nicht sehr gesprächig dahingehend gewesen zu sein.

„Meine Familie lebte damals auf einem großen Landsitz bei Hamburg, mein Vater hat als Arzt ordentlich Geld verdient. Mein Großvater und mein Urgroßvater waren ihrerseits aber auch schon Männer der Medizin und waren sehr angesehen darin, das Erbe ist Teils unseres Wohlstands gewesen. Für uns Kinder gab es ein Kindermädchen, Mamsell wurde die Frau damals genannt. Die Mamsell hatte alles im Blick und tat was organisatorisch bei den Dienern nötig ist, um das Leben im Haus aufrechtzuerhalten. Teil davon war dann auch der Lehrer, der ein Zimmer in unserem Landsitz hatte und uns neben dem Wissen auch streng Zucht und Ordnung zu lehren hatte. Dass aus Kindern solcher wohlhabenderen Familien Leute aus gutem Hause wurden, lag bei den Hauslehrern. Und vertrau mir, wenn ich dir sage, dass du da nicht spaßeshalber gekichert hast im Unterricht. Es gab schon Schläge mit dem Rohrstock, wenn die Fingernägel dreckig waren oder die echt ekelhafte Zahnpasta auf deinem Hemd war", erzählt Viktor nun, als wäre er ein alter Greis am Lagerfeuer.

Scheiße, er ist wirklich echt alt.

„Ja, ich bin alt, es waren andere Zeiten damals. Es hatte gute und schlechte Aspekte, in dieser Zeit gelebt zu haben und aufgewachsen zu sein. Durch diese Distanz, die Kinder zu den Eltern als Hausherren hatten, bin ich schnell selbstständig geworden und habe gelernt hart zu arbeiten, wenn ich meine Ziele erreichen will. Ich hatte aber auch Glück meine beiden jüngeren Brüder zu haben, in unserer Generation haben wir diese Traditionen gebrochen und haben unserer Familie einen anderen Stellenwert gegeben. Frederik und Oskar gründeten Familien und ich war Teil davon, auch als Vampir. Die Kinder und Kindeskinder meiner Brüder wuchsen zwar auch unter gewissen Regeln auf, aber uns war die Nähe wichtig, die wir als Kinder nicht zu den Eltern hatten", berichtet er weiter.

Verbunden mit einem VampirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt