Kapitel 66: Die kleine Überraschung

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Einst waren wir alle selbst mal im jugendlichen Alter, wenn man dann aber Ende 20 ist und die Jugend von heute bestaunt, fragt man sich, ob man auch so war. Aber dazu gleich mehr!

Viktor und ich sitzen auf zwei Stühlen nebeneinander, Eckardt sitzt uns mit seinem Sohn gegenüber auf einer Bank. Ja, jetzt glaube ich dem Mann schon mehr, dass er Vater mit Leib und Seele ist. Er will seinem Sohn eine Speise nach der anderen andrehen und geben, die Leon sich dann aber selbst nimmt, weil er mit 12 jetzt auch nicht mehr wie mit 6 behandelt werden will. Man sieht schon sehr, dass Eckhardt nicht loslassen kann. Da frage ich mich, ob es wirklich Elsa ist, die sich in die Kinder verliebt hat. Leon ist ein ganz ruhiger, er berichtet aber vom heutigen Fußballspiel, wo Eckhardt interessiert Fragen stellt.

Die beiden freuen sich auch schon auf die Fußball EM, die bald losgeht.

Links neben uns an der einen Stirnseite sitzt Elsa, die nebenbei zahlreiche neugierige Fragen an Viktor und mich stellt, weil sie hier am Ende der Welt wohl nicht genug Klatsch und Tratsch mitbekommt. Sie ist aber sehr freundlich und hat eine sympathische Art. Rechts von uns sitzt Julia, die sich mit verschränkten Armen weigert am Essen teilnehmen zu wollen.

Wow, die hat ja so richtig keinen Bock.

„Julia, Schatz, was magst du denn essen?", versucht Eckhardt sein Glück.

Das ist echt besser als Familien im Brennpunkt, ich schwöre es.

„Nichts", meint sie und zückt ihr Handy, um nun vermutlich auf WhatsApp ihrem Freund zu schreiben.

„Kein Handy beim Essen, du kennst die Regeln", ermahnt Eckhardt sie erstaunlich streng.

Ok, der lässt sich wohl nicht auf der Nase herumtanzen. Und weil der Mann sicher auch Konsequenzen durchsetzt, hört seine Tochter aufs Wort. Mit einem genervten Ton steckt Julia ihr Handy wieder in die Tasche und verschränkt wieder die Arme vor der Brust.

„Möchtest du eine Bratwurst? Oder ein Putenbrustfilet?", fragt Eckhardt ungerührt weiter.

Viktor und ich verfolgen das nun wie Kino, natürlich schauen wir unauffällig auf unsere Teller und essen schweigsam. Bei mir gibt es Kartoffelsalat und Bratwurst, fürs Erste. Viktor gönnt sich das große Stück Steak, was Elsa ihm zufrieden auf den Teller gepackt hat.

Mann braucht Fleisch. Punkt.

„Ich bin Vegetarier", meint Julia dann.

„Oh, echt? Seit wann?", ist dann wohl auch Eckhardt erstaunt.

„Seit gestern. Emilio ist auch Vegetarier", erklärt Julia.

Emilio ist dann wohl ihr Freund, zu dem sie nicht darf, was sie offen heraus als richtige Scheiße empfindet.

„Wenn du vernünftig zu Mittag isst, darfst du danach zu Emilio", schlägt Eckhardt dann ein Kompromiss an.

In einem Moment wie diesem hier wirkt er nicht wie Prof. Dr. Hirsch, der die stellvertretende Klinikleitung übernimmt. Eine Antwort bekommt er nicht, Julia bedient sich dann aber an dem gemischten Salat und haut sich damit den Magen voll. Ansprechen tut sie dann keiner mehr, das Gespräch verlagert sich dann auf Eckhardt, Elsa, Viktor und mir. Leon hört interessiert zu, traut sich aber kaum mit uns zu sprechen. Die beruhigende Präsenz seines Vaters neben ihm animiert ihn auch nicht dazu. Für ihn scheint das aber in Ordnung zu sein, er verhält sich ruhig und gelassen.

Julia ist nun mit ihrem Salathaufen fertig und steht nun einfach auf, aber auch hier scheint es Prinzipien in der Familie zu geben.

„Julia", sagt Eckhardt einfach nur.

Mit einem Augenrollen bleibt sie stehen und sieht dann in Eckhardts Richtung.

„Darf ich aufstehen?", will sie wissen, obwohl sie schon steht.

Verbunden mit einem VampirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt