Kapitel 97: Vorbereitung

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„Zehn Sekunden Vorsprung, mein Schatz", sagt Viktor und löst dann die Augenbinde von meinem Kopf.

Kurz blinzele ich, dann sieht Viktor mich fragend an, weil ich noch nicht unterwegs bin.

Dann aber nehme ich die Beine in die Hand.

Als Werwolf macht das wegrennen vor Vampiren keinen Sinn, weil ich auf allen Vieren schneller bin und ich das nicht üben muss. Es ist, als habe ich das in Fleisch und Blut, wenn ich ein Wolf bin. Jetzt muss ich meine vampirische Seite trainieren. Wenn ich nützlich sein will, muss ich beide Wesenshälften kennen und die Fähigkeiten einschätzen und nutzen können. So, wie es der zweite Teil des Trainings vorsieht:

Flucht und Kampf als Vampir.

Aber leider weder mit Dorian noch mit Viktor, denn die beiden ziehen sich nun zurück. Jetzt sind es Kilian und Fabrice, die gefragt sind und das lassen die beiden sich auch nicht nehmen.

Wie richtige Vampire pirschen die beiden sich ohne Gnade an und ich nehme mit meinen Sinnen bereits wahr, wie sie mich umkreisen. Die Flucht werde ich auf jeden Fall verlieren, weil Kilian und Fabrice nicht ohne Grund an der Spitze sind und in der Jagen Fähigkeit meilenweit voraus sind. Aber das hier dient vor allem als Übung für meine Sinne, darum spielen die einen Moment mit mir und lassen mir Zeit für die Wahrnehmung.

Ich höre die vielen Geräusche, die sich lauter als sonst überlagern und kann so lokalisieren, von wo die beiden angreifen werden. Ein unpassendes Rascheln von Blättern links, ein nahezu lautloses Knacken von Ästen rechts und das Geräusch von Steinen, die durch die schnellen Bewegungen zur Seite rollen. Viktor sagt immer, dass Kilian und Fabrice sich auch wirklich komplett lautlos anschleichen können, also machen sie die Geräusche extra, damit ich mich sensibilisiere.

Ok, vielleicht haben die doch ganz leicht Gnade mit mir, weil ich ein Anfänger bin und sonst nichts daraus lernen würde. Und bei den leichten Kratzern, die ich noch immer aus den Sparrings mit Dorian davontrage, haben die beiden doch Mitleid. So lerne ich erste Geräusche zu unterscheiden, die auch noch so leise sind. Und als Vampir bin ich erstaunlich flink und wendig, sodass ich das Einfangen noch kurz hinauszögere. Dazu husche ich zwischen Weinreben durch und haue in Richtungen ab, aus denen keine Geräusche kommen.

Dann aber taucht Fabrice mitten im Weg auf und schneidet mir die Fluchtmöglichkeit ab.

Das habe ich nicht kommen sehen, weil er für dieses Manöver wirklich lautlos ist.

„Deckung!", tadelt er mich direkt.

Oh, Scheiße! Das habe ich vergessen!

Schnell ziehe ich meine Kampfhaltung hoch, denn jetzt stehe ich Fabrice als Feind gegenüber. Dann ist er heute der Auserwählte, der jeweils andere Kampfpartner, in dem Fall Kilian, sieht dann nämlich nur zu und analysiert mit mir am Ende sämtliche Fehler.

Leider bin ich zwar in Sachen Fährte und Sinne ein Überflieger, in Sachen Kampf aber eine Sofakartoffel.

Gerade so ziehe ich meine Fäuste hoch und achte darauf, dass meine Mitte geschützt ist, da holt Fabrice zum ersten Schlag aus. Sein Faustrücken trifft meine Wange, womit ich nicht rechne und dort hinterlässt er einen leuchtend roten Fleck. Das geht nun einige Male so weiter, weil Fabrice keine halben Sachen macht und ohne Skrupel seine Faustschläge auf meinen Körper regnen lässt, der immer mehr mit roten Flecken übersäht ist.

Sicher fragt ihr euch schon, warum Viktor nicht einschreitet, richtig?

Das ist ganz simpel: Als Kampfsportmeister tragen Kilian und Fabrice immer ihre schwarzen Sportsachen und um die Fäuste haben die beiden immer weiche und gepolsterte Kampfhandschuhe gewickelt, damit die Schläge nicht wehtun. Die ziehen nämlich nicht einen davon durch, die vielen roten Flecke kommen von roter Kreide, die meine beiden Kampfsportmeister an ihren Handschuhen haben. Und als Schüler trage ich weiße Sportsachen, auf denen man die rote Farbe umso mehr sieht.

Verbunden mit einem VampirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt