Kapitel 113: Die Kollegen

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Aus hellbraunen Augen, die warum auch immer eine gewisse Kälte ausstrahlen, sieht mich die hochgewachsene Frau mit normalem Körperbau an. Ihr blondes Haar ist zu einem strengen Dutt gebunden und ihre Gesichtszüge wirken hart.

Die ganze Frau wirkt hart.

„Prof. Dr. Henrike Adler. Und ich bestehe auf die Ansprache Prof. Dr. Adler, Frau Schilling", betont die Frau nun.

War ihr Dinkelquarkbrötchen heute Morgen schlecht oder was hat die für ein Problem?

Der ganze Raum ist mucksmäuschenstill und ich bin ziemlich schockiert von dieser Ansprache. Ich gebe mir echt Mühe, um das nicht zu zeigen, aber mein Blick sagt sicher alles. Wirklich jeder kam freundlich zu mir oder zumindest normal. Jeder leitende Oberarzt will per Du mit mir sein, weil ich Viktors Verlobte bin. Aber diese Frau hier schießt den Vogel ab.

„Natürlich, Frau Prof. Dr. Adler", betone ich und versuche nicht allzu sehr meine Ausstrahlung als Alpha heraushängen zu lassen.

Mein innerer Wolf will dieser Frau nämlich zeigen, was er von Leuten wie ihr hält.

Dann betritt Viktor den Raum und alle beginnen nun sich auf den Plätzen einzufinden. Viktor sichtet die Unterlagen, die ich ihm hingelegt habe und wirkt mit der Sortierung dann sehr zufrieden. Ich habe aber auch zur Sicherheit drei Mal nachgefragt, weil es mir unangenehm wäre, wenn ich meine Arbeit nicht richtig mache und alle das mitkriegen.

Hier anzufangen war sowieso schon eine gewisse Überwindung.

„Ich begrüße euch heute zur 12. Fachbereichsbesprechung in diesem Jahr. Zeitgleich ist dies auch der Abschluss des Quartals, welches ich habe aufbereiten lassen. An dieser Stelle danke ich allen, die wie immer fristgerecht ihre Übersichten und Kennzahlen mitgeteilt haben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich unsere neue Kollegin Leni Schilling noch gerne willkommen heißen. Wie ich mitbekommen habe, hast du dich mit den meisten schon vertraut gemacht, aber ich will dennoch eine kurze Vorstellungsrunde einleiten. Name und Abteilung reicht, denke ich", beginnt Viktor mit einer echt heftigen Ausstrahlung als Leiter des Klinikums das Meeting.

Es ist das erste Mal, dass ich ihn so in seiner verantwortungsvollen Position aktiv handeln sehe. Und ich sehe deutlich, wie er von jedem hier uneingeschränkt den Respekt genießt. Weil er die Leitung der Klinik ist und hier alles fest in der Hand hat. Das Meeting wirkt für ihn auch wie Routine und ich werde schon nervös, weil ich gleich „Leni Schilling, Verwaltung" sagen muss. Er hat mich vorgewarnt, dass das einschüchternd wirken wird, aber ich habe seine Worte nicht allzu ernst genommen.

Hätte ich das mal.

Nach und nach wirft nun jeder Oberarzt seinen Namen und die zuständige Station ein. Ich versuche ein paar Namen und Gesichter zu behalten, besonders die Stationen, für die ich zuständig bin. Es sind sogar die zwei Taubstummen dabei, die sich dann mit der Gebärdensprache vorstellen. Neben ihnen sitzt ein Hörender der Abteilung, der den beiden zur Not die Sachen von Viktor übersetzt, sollte er mal nicht in die Runde gucken.

Die Vorstellung ist dann auch schnell vorbei und Viktor fährt fort.

Jeder der leitenden Oberärzte schildert nun die aktuelle Lage auf der Station. Bei den meisten läuft alles glatt und es gibt kaum etwas auszusetzen. Hier und da werfen die Leute Dinge ein, zu denen Viktor sich Notizen macht. Jeder hat ein Block dabei und trägt so die ungeklärten Fachfragen seiner Station vor, die sich aber eher auf die Struktur und den Umgang beziehen, als auf den fachlichen Inhalt. Der Fachaustausch erfolgt in einem anderen Plenum, habe ich mir sagen lassen.

Ganze vier Stunden geht dieses Meeting und ich habe nach einer Weile Schwierigkeiten mit dem Zuhören, weil ich mit den meisten Dingen nicht so viel anfangen kann. Gelegentlich notiert Gregor sich etwas als Personalfall, was er für mich aktuell noch stellvertretend mit übernimmt. Ich soll aber schon teilnehmen, um ein erstes Gefühl dafür zu bekommen.

Verbunden mit einem VampirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt