„Oh Scheiße, so kannst du mich nicht zu Viktor bringen!", kommt es dann aus mir heraus.
Mittlerweile sitze ich auf Dorians Rücken und hänge leicht vorne übergebeugt, um mich an seinem Fell festhalten zu können. Es fühlt sich natürlich an, sowas zu tun und sein Fell ist sehr weich. Und er ist wirklich bequem, falls ich mal Werwolf Ausflüge in den Bergen mache und mir auf halber Strecke die Kraft ausgeht.
Dennoch schmiege ich mich lieber in Viktors Arme, wenn ich die Wahl hätte. Dorian mag zwar mein Beta und sowas wie ein enger Freund sein, aber Viktor ist mein Seelengefährte.
Und Viktor ist Prof. Dr. Derfelden, der sich dringend mal meine komplett blutigen Arme und Beine ansehen sollte. Durch die Rangelei und den Kampf mit Dorian habe ich überall leichte Kratzspuren, die erstaunlich wenig wehtun. Das ist so ein Werwolf Ding, aber als jemand, der vor nicht allzu langer Zeit ein Mensch gewesen ist, empfinde ich das noch als besorgniserregend.
„Oh doch, dein Arzt muss die Wunden desinfizieren. Du wirst erst mit der Zeit robustere Haut in Wolfsform entwickeln. Bis dahin wirst du versorgt werden müssen nach deinen Lehreinheiten", meint Dorian unbeeindruckt und rennt dann los.
Mit einem Aufschrei klammere ich mich an sein Fell und drücke mich an ihn, weil ich sonst von seinem Rücken gefallen wäre und auf den Boden aufgekommen wäre. Dann kann Viktor gleich ein Knochenbruch behandeln oder mich beerdigen, wenn mein Genick dabei bricht.
Scheiße, Dorian hat Recht.
Und er läuft langsam, damit ich einerseits nicht herunterfalle und andererseits nun Zeit habe, um Viktor zu kontaktieren.
„Sag mal, bist du noch mit Klara im Gespräch?", hake ich vorsichtig nach.
„Nein, ich liege am Pool. Was ist passiert?", will Viktor nun wissen.
Er fragt nicht, ob was passiert ist, sondern was passiert ist.
Noch mehr Scheiße.
„Ich, ähm, habe mich in einen Werwolf verwandelt", beginne ich das Gespräch, weiß dann aber nicht, was ich sagen soll.
„Das hat das ganze Landgut gehört. Leni, sag mir einfach, was los ist!", betont er nun streng.
Verdammt, ich kann ihm doch jetzt nicht sagen, dass meine Arme und Beine komplett aufgekratzt und blutverschmiert sind!
„Was?", brüllt Viktor quer durch mein Geist.
Oh, der Gedanke war dann wohl nicht gut genug abgeschirmt. Was aber auch praktisch ist, weil ich nun nicht mehr in Erklärungsnot komme. Ich kann über das Band direkt seine Sorge wahrnehmen und auch, dass er sofort aufspringt.
„Ich hole meine Medizintasche, er soll dich einfach in unser Schlafzimmer bringen! Keine Diskussion!", befiehlt Viktor streng.
Ein „Nein" ist nicht erwünscht und wird abgelehnt, aber ich bin auch dankbar, dass Viktor noch immer die Ruhe behält. Ich leite an Dorian weiter, was ich mit Viktor besprochen habe. So halte ich mich dann mit vor Anstrengung zitternden Armen an Dorians Fell gekrallt fest, damit er mich zurück zum Landgut bringt.
Kurz empfinde ich das dann als ziemlich entspannte Reisemöglichkeit und frage mich, warum ich eigentlich nie Reiten gegangen bin. Das ist zwar sicher nicht so übertrieben cool, wie auf einem Werwolf zu reiten, aber das muss sich auch so erhaben und majestätisch anfühlen.
„Wenn du noch mehr schwärmst, greife ich Dorian gleich doch noch an!", warnt Viktor mich in Gedanken.
Oh, ups, das will ich natürlich nicht. Die Situation ist aber auch echt verzwickt, weil Viktor mir nun mal nicht das Leben eines Werwolfs beibringen kann. Und Dorian wird gerade so toleriert unter den Vampiren. Immerhin muss er nicht draußen in einer Hundehütte schlafen und hat eines der Gästezimmer neben Kilian, Fabrice, Émile, Viktor und mir. Selbst Daniele ist in das Haupthaus umgezogen, sein Zimmer ist aber neben Rouvens und Klaras, damit er zur Not für Klara da sein kann.
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Verbunden mit einem Vampir
FantasyBis zu diesem Augenblick im Einkaufsladen nahm Leni an, Vampire seien nur Erfindungen des menschlichen Einfallsreichtums. An genau diesem Abend wurde sie dann eines Besseren belehrt. Was Leni noch nicht weiß: Der Mann, mit dem sie zusammenstößt, hei...