Kapitel 101: Alpha im Zwiespalt

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Viktor bekommt jede einzelne emotionale Regung von mir mit. Er kann sogar meine Gedanken über die Seelenverbindung wahrnehmen, als wären sie seine eigenen Gedanken. Und ich wiederum spüre, dass jeder einzelne Gedanke davon gerechtfertigt ist, weil ich in Viktor keine Ablehnung darüber sehen kann.

Das bekommen wir hin, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür, mein Schatz. Du bist noch nicht soweit und ich riskiere nicht dein Leben. Wenn du vorher stirbst, kannst du kein richtiger Alpha werden", betont Viktor in meinem Geiste.

Er nimmt nun sanft meine Wangen in seine Hände, streichelt mit seinen Daumen über meine Wange und sieht mich mit einem liebevollen, aber auch besorgtem Blick an. Ich kann spüren, wie sehr er mich versteht. Ich kann aber auch spüren, dass das eine Grenze ist, die Viktor nicht bereit ist zu überschreiten.

Wenn ich mich jetzt weigere, geht das unschön für mich aus.

Sie wollen mir die Chance geben aus eigener Entscheidung den Rückzug anzutreten.

Ich will es aber wirklich, ich will alle stehen lassen und voran in das Zentrum des Feindes sprinten, nur um das kräftige Gebiss meines Alpha Wolfs in den Kehlen der Abtrünnigen zu versenken. Und diese blutrünstigen Gedanken erschrecken mich nicht einmal, was ich heftig finde, wenn ich näher darüber nachdenke!

Aber wenn ich jetzt eine Szene mache, werde ich überwältigt und am Ende noch betäubt. Wenn mich diese Vampire hier schon klein kriegen können, kann ich das gegen ein ganzes abtrünniges Rudel, das eine Hasskappe gegen mich schiebt, vergessen.

Dann gehe ich lieber erhobenen Hauptes und deshalb, weil ich zeigen will, dass ich die Dringlichkeit und Richtigkeit der Lage verstehe. Viktor bekommt ein sehr stolzes Lächeln und drückt seine Lippen kurz auf meine. Es fühlt sich wie eine sehr große Niederlage an, jetzt nicht zu tun, was ein Alpha tun muss, aber es ist besser so.

Erwachsener. Reifer. Durchdachter. Sinnvoller.

Alpha sein und mir einen Namen machen kann ich immer noch. Es stimmt, dafür muss ich überleben.

Gerade löse ich mich von Viktor und drehe mich mit Fabrice um, da höre ich eine Bewegung.

Das Knacken mehrerer Äste, das Rascheln von Büschen und das Schaben von losen Steinen über den Boden.

Vor uns tauchen mehrere Personen auf, alle in verdreckte und zerschlissene Klamotten gehüllt, die den Besitzern fast wie Lumpen vom Körper hängen. Die Meute umkreist uns bereits und ich erkenne erste bekannte Gesichter, bei denen mir das Blut in den Adern gefriert. Und nicht nur mir, ich spüre durch Viktor tiefe Furcht aufkeimen.

Furcht um mich, nicht wegen der Situation.

Wie im Namen der Hölle haben wir so eine Ansammlung von Leuten nicht bemerkt?

Fabrice steht nun direkt hinter mir und schlingt seine Arme um mich, als würde er mich damit vor Angriffen abschirmen.

Personenschutz bekommt gerade eine ganz neue Bedeutung.

Nicht bewegen!", schallt Viktors Stimme durch meine Gedanken.

Er stellt sich genau vor mich und baut sich auf. Seine große und athletische Statur verdeckt die Sicht auf mich ein bisschen, für den Rest versinke ich in Fabrices Umarmung.

In mir keimt ebenso die Furcht auf und ich drücke mich aus Reflex fast schon mehr in Fabrices Arme, damit er mich besser beschützen kann.

Ja, wow, was für ein toller Alpha ich doch bin.

„Der Alpha des Nordküsten Rudels. Zusammen mit dem Beta und der vampirischen Spitze aus Norddeutschland. Oh und sogar der berühmt berüchtigte Vampir reinen Blutes. Es ist mir eine Ehre, Leni Schilling, Dorian von Schwarzfels, Viktor Derfelden und Rouven Thiele", ertönt eine tiefe kehlige Stimme.

Verbunden mit einem VampirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt