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Die Frau lächelt mir freundlich zu, obwohl man sofort sieht, dass das Lächeln gefaket ist. Sie deutet mir an, ihr zu folgen, was ich mit einem lustlosen Gesichtsausdruck tue. Wir gehen gemeinsam in das Krankenzimmer, in dem ich mich auf das Bett legen soll und sie sich einen Stuhl an das Bett zieht und dann darauf Platz nimmt.
"Niklas.", beginnt sie langsam und faltet ihre Hände auf dem Schoß zusammen. Ich liege kerzengerade auf der Liege und blicke auf die Decke. Ich versuche gar nicht zu überlegen weshalb sie mich geholt haben könnte. Ich werde es ja eh nicht herausfinden.
"Mir wurde gesagt, dass du in letzter Zeit nicht ganz beim Unterricht dabei bist. Willst du darüber reden?", bietet sie mir an und als ich ihr einen flüchtigen Blick zuwerfe sehe ich, wie sie mich mitfühlend anguckt. Ich versteh nicht ganz was ich ihr erzählen sollte und schweige einfach. Nicht weil ich nicht will, sondern weil ich verwirrt bin und auch weil ich zu faul bin um meinen Mund zu öffnen.
"Hast du familiäre Probleme?", fragt sie nun noch mitfühlender und legt ihre Hand auf meinen Oberschenkel. Ich schaue sie verständnislos an und lege meinen Kopf leicht schief, den ich mittlerweile zu ihr gerichtet habe.
"Wieso sollte ich?", frage ich und kann ihren mitfühlenden Blick immer noch nicht deuten.
"Nun ja.", meint sie ernst und lehnt sich wieder an den Stuhl, während sie ihre Hand von meinem Oberschenkel entfernt. SIe überschlägt ihre Beine und richtet ihre Brille auf der Nase neu, die meiner Meinung nach nie schief oder zu weit unten hing, "Das ist nunmal ein häufiger Auslöser für Depressionen."
Ich verenge meine Augen. Depressionen. Wie hat sie sich denn das zusammengesponnen?
"Deine Lehrerin scheint sehr besorgt um dich zu sein und hat mich darum gebeten, mit dir unter vier Augen zu reden. Du weißt, ich habe Schweigepflicht, du kannst mir alles erzählen.", redet sie weiter als sie meinen fragenden Blick bemerkt. Besorgt? Und darum denkt sie jetzt, dass ich Depressionen habe? Ich muss zugeben, dass ich in den letzten Tagen wirklich nicht sonderlich fröhlich herüberkam, aber dann gleich davon auszugehen, dass ich Depressionen habe ist doch etwas weit hergeholt.
"Verletzt du dich denn selber?", geht sie erneut auf das Thema ein und kommt mir schon wieder bedrohlich nahe. Ich zucke leicht zusammen und schüttel verständnislos den Kopf.
"Es ist etwas ganz normales, du musst dich nicht dafür schämen, aber du musst dir helfen lassen!", redet sie weiter auf mich ein und kommt mir noch näher. Ich rücke so weit wie möglich an die Wand und fühle mich wie im falschen Film.
"Ich habe keine Depressionen und verletze mich auch nicht selber...", versuche ich langsam zu erklären, was wohl ein wenig Panik als Grund hat. Panik davor, dass sie in mir gräbt. In meinen Gedanken sucht und mir verdrehte Fragen stellt, auf die ich nur eine falsche Antwort geben kann und es immer so aussieht, als wäre ich ein mental instabiles Wesen. Plötzlich greift sie nach meinem Arm und beginnt meinen Ärmel hochzuziehen. Perplex ziehe ich meinen Arm weg und halte ihn mit meiner anderen Hand fest. Mit großen Augen blicke ich sie an. Warum habe ich das gerade getan? Ich war so überrascht, dass ich gar nicht anders wusste, dabei ist das ja mehr als verräterisch. Ich sehe schon, wie ihre Augen leicht aufglitzern und sie erneut meinen Namen sagen will, da beschließe ich schnell aufzustehen und aus dem Zimmer zu rennen. Gedacht, getan, stehe ich vor dem Raum und weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Eins weiß ich zumindest, solche Gespräche werde ich nach diesem missglückten sicher noch häufiger haben.

Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt