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An der Seite meiner Mutter betrete ich das Gebäude. Im Inneren ist alles weiß und steril. Es kommt mir fast wie ein Krankenhaus vor. Außerdem ist es sehr still. Fast etwas zu still, meiner Meinung nach. Meine Schritte werden langsamer. Der Empfangsbereich ist recht groß. Die Empfangsdame blickt bei dem Geräusch auf, welches meine Mutter und ich durch das Laufen verursachen und starrt erst etwas kritisch über ihren Brillenrand hinweg, ihre Gesichtszüge werden allerdings schnell weich, als sie uns sieht. Ja, sie beginnt schon beinahe zu lächeln. Als wäre es das Normalste der Welt, stolziert meine Mutter auf sie zu und empfängt sie herzlich. Die beiden unterhalten sich, das übliche Getratsche. Ich höre gar nicht hin. Stattdessen schaue ich mir den Raum genauer an. Neben der Tür steht jeweils auf jeder Seite eine große Pflanze, welche ich nicht genau identifizieren kann. Neben dem Empfangtisch stehen vier Stühle in einer Reihe. Auf der anderen Seite das Gleiche noch einmal. Die Stühle sehen bereits leicht abgenutzt aus und auf einmal widert es mich richtig an, wenn ich mich auf einen davon setzen müsste. Die Decke ist recht hoch und ist in einem komischen Cremeton gestrichen. Ich stecke meine Hände in meine Hosentaschen. So im Ganzen wirkt der Raum sehr bedrückend auf mich. Trotz der Größe bekomme ich Platzangst und meine Atmung beginnt gerade, etwas schneller zu verlaufen, als mich meine Mutter leicht an der Schulter antippt und mir symbolisiert, ihr zu folgen. Ich atme erleichtert auf. Die Empfangsdame verabschieded sich noch von meiner Mutter und nennt sie komischerweise beim Vornamen. Ich mache mir nicht wirklich viele Gedanken darüber, sondern folge meiner Mutter einfach schweigend. Ob in diesem Krankenhaus immer alles so schnell verläuft? Beurteilen kann ich das nicht wirklich, wir sind ja die Einzigen momentan.

Meine Mutter führt mich zu einem Raum, auf dem eine kleine 8 geschrieben steht. Ich habe überhaupt keinen Plan wo wir sind, noch was wir hier tun und als meine Mutter mich in den Raum schiebt, ich sie gerade mit Fragen überhäufen will, schließt sie plötzlich die Türe hinter mir wieder. Ich will sie gerade wieder öffnen und sie fragen, wieso sie nicht mitkommt, doch da werde ich auch schon angesprochen. Leicht irritiert drehe ich mich um und erblicke einen ungefähr 40 jährigen Mann, welcher mich sachte anblickt und auf einem Stuhl hinter einem Schreibtisch sitzt. Im Moment weiß ich nicht, was mir mehr angst machen sollte, dass er meinen Namen kennt oder dass mir diese Stimme unglaublich bekannt vorkommt. Perplex bleibe ich starr stehen, meine Hand bereits auf der Klinke.
"Setz dich doch", rät der Mann mir und zeigt auf eine Liege, welche sich vor seinem Schreibtisch befindet. Ich verstehe nicht ganz und setze mich. Dieser Raum sieht komplett anders aus als das, was ich bisher gesehen habe, so heimisch und gemütlich. Er regt ein wenig zum Dableiben an. Der Mann räuspert sich und guckt dann seine Unterlagen an.
"Es ist schön, dass wir uns wiedersehen", sagt er in einem unglaublich weichen Ton, der zum Einschlafen einlädt und blickt mich dabei freundlich an.
"Obwohl das eigentlich nichts gutes bedeutet", fügt er leise hinzu und wendet seinen Blick wieder auf seine Unterlagen. Ich bin noch von der ganzen Situtation überfordert und weiß weder, was ich mit dem ersten, noch mit dem zweiten Satz anfangen soll. Ich habe diesen Mann zuvor noch nie gesehen und auch dieser Raum und dieses Gebäude ist mir komplett unbekannt. "Am Besten fangen wir wieder von ganz vorne an", beginnt er und lehnt sich mit seinen Armen auf den Tisch, den Oberkörper leicht zu mir gelehnt. Seine Unterlagen hat er beiseite gelegt, "wie geht es dir denn heute?"
Ich brauche wohl etwas lange, bis ich etwas herausbringe und ich erkenne schon beinahe Trauer in den Augen des Mannes. Wir starren uns einfach nur an.
"Das habe ich mir schon fast gedacht", meint er, als ich immer noch nichts von mir gebe, "war das letzte Mal ja auch so, nicht?"
Bei seiner rhetorischen Frage blickt er mir wieder direkt in die Augen, welche er zuvor wieder auf seinen Tish gewendet hatte. Ich verstehe immer weniger und starre auf meine Hände, welche ein wenig zittern. Das fühlt sich an wie das eine Mal, als ich aus dem Unterricht genommen wurde, doch hier kann ich weder wegrennen, noch aus der Situation sonst irgendwie entkommen.


Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt