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Das Wochenende vergeht sehr schnell und ehe ich mich versehe, ist auch bereits wieder Montagmorgen. Voller Energie gehe ich in die Schule und freue mich schon darauf, meine Freunde wieder zu sehen. An das neue Kapitel habe ich gar nicht mehr gedacht, doch ich werde sofort wieder daran erinnert, als ich in mein Klassenzimmer trete. Die ganze Klasse verstummt und schaut mich komisch an. Zuerst denke ich mir das ganze einzubilden, doch auf einmal beginnen alle zu tuscheln, als ich an ihnen vorbei laufe. Schnurstracks laufe ich auf meinen Blatt, wo mich Alex und Yannick bereits schief grinsend erwarten. Sie tauschen mal wieder ihre komischen Blicke aus.
"Hey", begrüße ich die beiden so fröhlich wie möglich und schalte die ganzen anderen Tuschelnden aus.
"Hey", sagt Alex nur kurz und räuspert sich darauf hin.
"Wie geht's?", fragt Yannick und grinst mich weiterhin schief an.
"Super, ich hatte ein tolles Wochenende und euch?", frage ich direkt und fange an eine komische Vermutung zu bekommen. Erneut blicken sich die beiden an.
"Ja, ja, wir auch", sagen sie, beinahe wie ein schlechter Chor. Ich lächele ihnen ebenso schief zu. Dass hier etwas nicht stimmt sieht ja jeder Blinde direkt. Außerdem werde ich das Gefühl nicht los, dass ich angestarrt werde. Sobald ich mich umdrehe, wenden sich die Blicke meiner Mitschüler komisch ab, nur um kurz drauf direkt mit ihrem Nachbar weiterzureden. Mein Blick schweift weiter durch das Klassenzimmer und bleibt an Noahs leerem Stuhl hängen. Es fällt mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich. Das Buch. Daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Ich habe das Kapitel nicht einmal mehr fertig gelesen. Wissen sie jetzt, dass ich damit gemeint bin. Dass Noah der Autor ist. Dass wir beide bereits eine Vorgeschichte haben. Mich überkommt Panik.
"Ich geh nochmal schnell aufs Klo", sage ich schnell zu Yannick und Alex, welche immer noch starr auf ihren Stühlen sitzen. Ich warte auf keine Antwort und verlasse sofort das Klassenzimmer. Auf dem Klo schließe ich mich in eine Kabine ein und zücke mein Handy. Schnell scrolle ich zu der Stelle, an der ich stehen geblieben bin. Sofort versinke ich in den Zeilen. Zuerst wird noch etwas über die Freundschaft von Niklas zu Tom erzählt, doch dann kommt Noah ins Spiel. Er beichtet seine Gefühle, spricht Niklas direkt an, und wird daraufhin von Tom ausgelacht. Niklas gesteht, dass auch er etwas für Noah empfindet und dann endet das Kapitel. Total überfordert wische ich ein paar Mal die letzte Seite hin und her. Das wars? Was soll das schon wieder? Das ergibt mal wieder überhaupt keinen Sinn. Und die Wahrheit ist es auch nicht. Zumindest nicht direkt. Ohne lange zu überlegen gehe ich auf WhatsApp und beginne Noah zu schreiben. Was ihm mal wieder einfällt und wie er darauf kam. Dass er gar kein Profilbild hat, fällt mir dabei nicht auf. Auch beim Abschicken bleibt nur ein kleiner grauer haken. Ich denke mir nichts dabei und stecke mein Handy wieder in die Hosentasche. Vermutlich hat er gerade kein Internet oder so, er wird es schon noch lesen.
Als ich wieder beim Klassenzimmer ankomme, hat der Unterricht bereits begonnen. Es ist mir etwas peinlich, als ich durch die Türe geschlichen komme. Meine Lehrerin beachtet mich nicht wirklich und bittet mich nur, platz zu nehmen. Leise setze ich mich und werfe Alex und Yannick nur einen kurzen Blick zu, welche mich besorgt anschauen. Das ganze ist mir so unangenehm, vor allem da ich nicht weiß, ob jeder das Kapitel versteht, ob jeder sich sicher ist, dass das wirklich ich bin. Und ich kann ja schlecht einfach aufspringen und sagen „Ja, das bin ich, aber in Wahrheit ist es anders". Schließlich habe ich ja wirklich Gefühle für Noah und ich möchte das nicht unbedingt öffentlich machen.

Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt