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Die restliche Woche fliegt nur so an uns vorbei. Bei jedem Ausflug wird genau auf mich geachtet. Als ob sie so viel Angst davor haben, dass ich erneut verloren gehe. Auch auf der Heimfahrt muss ich plötzlich ganz vorne sitzen. Noah scheint das aber offensichtlich nicht zu stören. Wir haben seit dem Vorfall in unserem Zimmer auch kein Wort mehr geredet. Ich komme ja immer noch nicht so ganz darauf klar, dass er N ist, dass er schwulen Geschichten schreibt und vor allem dass er mich als Hauptcharakter gewählt hat. Seine Art einen an vergangene Ereignisse zu erinnern ist doch etwas speziell, muss ich sagen. Ich verbringe die ganze Fahrt eigentlich mit Schlafen. Die Musik meiner Klassenkameraden ist aus und es ist ziemlich leise. Es herrscht eine komische Atmosphäre und bei jedem Stopp werde ich extra geweckt und gefragt, ob ich nach draußen will. Etwas ist komisch, keine Frage, aber ich komme nicht darauf was und vor allem weiß ich auch nicht, ob ich es wissen will. 
Nach der eh viel zu langen Fahrt  warten bereits alle Eltern aufgeregt auf ihre Kinder bei der Schule. Das ist total verständlich. Sie haben sie ja eine Woche nicht gesehen. Auch meine Mutter steht mit dem Auto da, doch ihr Blick ist nicht erfreut, sie tritt nicht angespannt von einem Fuß auf den anderen und rennt vor allem nicht direkt los, sobald der Bus steht, um ihr um alles geliebtes Kind in den Arm zu nehmen. Nein. Sie steht einfach da, die Arme vor der Brust verschränkt, leicht mit dem linken Zeigefinger auf ihren rechten Unterarm tippend und mit einem leeren Blick auf den Boden, der sich erst leicht hebt, als der Bus einfährt. Sie bleibt auch einfach stehen, als ich auf sie zu komme. Tolle Begrüßung. Nicht, dass ich jetzt eine üppige Umarmung erwartet habe oder sogar wollte, aber gar nichts ist trotzdem etwas deprimierend. 
"Hallo", meint sie nur kühl und versucht dabei zu lächeln. Sie fährt mir halbherzig über den Kopf und reicht mir dann die Autoschlüssel. Sie muss nichts sagen, dass ich das verstehe. Schweigend gehe ich zum Auto und verstaue meinen Koffer im Kofferraum. Noch etwas müde setze ich mich auf den Beifahrersitz, darauf eingestellt, dass meine Mutter ebenso gleich kommen wird. Doch das tut sie nicht. Durch die Frontscheibe erkenne ich, dass sie nun mit den Lehrerinnen redet. Ihre abwertenden Blicke auf mich übersehe ich dabei nicht. Dabei kann man sie nicht wirklich abwertend nennen, eher etwas betrübt, mit Nervosität und auch Spott. Sie diskutieren ein wenig. Leider verstehe ich nichts, ich wüsste zu gerne, was die beiden ihr zu erzählen haben. Ist es etwa, weil ich ausgebrochen bin? Es waren eh alle so komisch zu mir nachdem ich am Strand war. Aber mit mir redet niemand. Sie reden alle hinter meinem Rücken und jetzt sogar meine Mutter. Es ist schön, wieder zuhause zu sein.

Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt