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Der Weg bis zu meiner Schule zieht sich ewig hin und ich habe sogar fast noch Angst, dass wir zu spät kommen. Ich bin zuvor noch nie mit einer Person gefahren, die sich so sehr an die Verkehrsregeln hält. Dazu kommt noch, dass er durchschnittlich 7 km/h unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit fährt.
"Das Auto ist neu. Da möchte ich natürlich vorsichtig sein. Hat mich ganze sechs Monatsgehälter gekostet. Doch was tut man nicht alles für ein gutes Auto", plappert mein Vater drauf los, als würde er meine Gedanken lesen.
"Außerdem bin ich kein Freund von Krediten. Wenn man es sich nicht leisten kann, sollte man es auch nicht kaufen", fügt er noch weise hinzu. Das Alles interessiert mich ehrlich gesagt wenig. Ich denke weder über die Anschaffung eines Autos, noch einen Kredit nach. Doch das ist vermutlich die verdammt langweilige Welt der Erwachsenen.
Endlich kommen wir an meiner Schule an und ich kann gar nicht schnell genug aus dem Auto steigen. Als ich den Schulhof betrete sind alle Augen auf mich gerichtet. Ich bleibe stehen und muss schlucken. Das ist unangenehmer als gedacht. Doch wieder ins Auto zu meinem möchtegern-Vorzeigevater zu steigen erscheint mir auch als keine Lösung.
"Ich hol dich dann später wieder ab. Viel Spaß in der Schule."
Mit diesen Worten fährt er von der Einfahrt davon. Ich schaue ihn nicht einmal mehr an, bevor er um die Ecke ist. Diese komische Situation habe ich gerade nur ihm zu verdanken. In Gedanken meinen Vater verfluchend trete ich meinen Weg ins Schulgebäude an. Das Tuscheln um mich herum wird immer größer und immer mehr Augenpaare richten sich auf mich. Am liebsten würde ich im Erdboden versinken. Der ganze Auftritt gestern wird sicher noch lange in Erinnerung bleiben. Aber das hätte man sich bereits denken können.
So gut wie möglich ignoriere ich meine Mitschüler und schaffe es ohne weiteren Zwischenfall zu meinem Klassenzimmer. Als ich eintrete verstummt die Klasse. Natürlich. Wie in Zeitlupe schleppe ich mich auf meinen Platz. Geschafft lasse ich mich auf dem Stuhl nieder und schalte um mich herum ab. Fragen und Gespräche der anderen kann ich gerade gar nicht gebrauchen. Ganz genau spüre ich die Blicke von Alex und Yannick in meinem Rücken. Doch ich möchte mich nicht umdrehen. Ich möchte nicht ihre traurigen Gesichter sehen und dann erst richtig realisieren, dass sie sich unglaubliche Sorgen um mich machen. Bei diesem Gedanke läuft mir ein Schauer über den Rücken. Ich habe es satt, dass mich ständig jemand bemuttert. Doch all zuviel Zeit darüber nachzudenken habe ich eh nicht mehr, da genau in diesem Moment unsere Lehrerin das Klassenzimmer betritt. Sie lächelt mir müde zu, als sie mich sieht. Nur sehr kläglich erwidere ich es. Was die Lehrer wohl darüber denken? Dass sie es nicht mitbekommen haben steht außer Frage. Doch daraufhin frage ich mich, ob sie vielleicht mehr wissen als ich denke. Weiß sie, wieso genau Noah wegzieht? Wieso er die Schule verlässt? Die Fragen häufen sich mal wieder in meinem Kopf an. Nichts stimmt und nichts davon lässt mich in Ruhe. Mein Kopf dreht sich immer schneller und ich wusste, dass es keine gute Idee war zur Schule zu gehen. In Gedanken verfluche ich meinen Vater erneut. Er muss ja jetzt nicht hier sitzen. Sondern ich. 

Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt