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Überrascht blicke ich zu Noah, welcher sich nun komplett abgewendet hat. Aber ich verstehe ihn. Ich würde an seiner Stelle genauso reagieren. 
"Wir haben uns immer mehr angefreundet, bis dann irgendwann Sarah kam. Du warst wie besessen von ihr und ich wusste nicht, was ich dagegen unternehmen sollte. Ich versuchte dir irgendwie einzureden, dass das nicht gut ist, was du da in deinem Kopf fantasierst."
Tim lenkt wieder meine Aufmerksamkeit auf sich und kommt mit ein wenig näher. Starr blickt er in meine Augen, in welchen man sogar seine Angst von damals wiederfinden kann.
"Allerdings ging es die nächsten beiden Jahre gut, zwar fühltest du dich angezogen, hast aber nichts dummes getan. Es war einfach nur ein Schwarm wie jeder andere", erzählt Tim weiter. Ehrlich gesagt erstaunt es mich, wie ich auf die anderen gewirkt habe. Mir selber fällt so etwas natürlich nicht auf. 
"Doch im letzten Jahr hat sich alles geändert. Das letzte Jahr, in dem wir wirklich Kontakt hatten."
Tims Miene wird ernst. noch ernster als eh schon. Er jagt mir schon beinahe Angst ein. 
"Noah hat wohl irgendwie Wind von deinen Gefühlen bekommen und hat dann diese dämliche Nachhilfe ins Leben gerufen. Als wäre es nicht schon genug, dass du deine Liebe an eine Lehrerin verlierst. Nein. Er muss natürlich noch das Sahnehäubchen hinzufügen und sie dir auf dem Silbertablett servieren", schnaubt Tim böse auf. Meine Angst vor ihm wird größer und eigentlich habe ich das nie so gesehen.
"Das stimmt nicht."
Tim und ich drehen uns gleichzeitig um, als Noah auf einmal etwas von sich gibt. 
"Ich hab das doch nicht getan, um Noah näher an Sarah zu bringen..."
Man kann deutlich den Spott in seinem Ton hören und irgendwie ist mir die Sache gerade peinlich. Ich weiß ja, wieso Noah so gehandelt hat. Doch ob Tim das weiß? Ob Noah möchte, dass Tim das weiß?
"Du wolltest mir Niklas wegnehmen, dass er mehr Zeit mit Sarah verbringt als mit mir, gib es doch zu. Wenn du mich nicht als besten Freund haben kannst, dann darf ich auch keinen anderen haben", keift Tim Noah direkt an, welcher sofort seine Augen verengt.
"Ich hatte nichts dergleichen im Sinne. Ich war es doch, der Niklas näher kommen wollte. Ich wollte ihn dir nicht wegnehmen. Ich habe nie an so etwas wie Rache gedacht. Das wäre doch komplett kindisch. Fast so kindisch wie deine Anschuldigungen."
Tim scheint sichtlich angegriffen zu sein, da er bei Noahs Worten leicht seine starke Haltung verliert.
"Ja toll, und was hast du jetzt davon? Hättest du es nicht einfach lassen können? Oder dir einen anderen Lover suchen?"
Noah verdreht genervt die Augen: "Denkst du ich hätte es so getan, wenn es anders gegangen wäre? Ich versteh echt nicht, wieso du so ein schlechtes Bild von mir hast."
Die beiden schauen sich rivalisch in die Augen.
"Vielleicht weil du Menschen manipulierst. Weil du Lügen erzählst, zu seinem Vorteil. Weil du nie die volle Wahrheit erzählst und dann so tust, als wärst du das Opfer."
Es herrscht Stille. Man kann sogar den Wind vorm Fenster hören. Verzweifelt blicke ich vom einen zum anderen. In der Luft liegt Spannung, welche man schon fast förmlich sehen kann. Die beiden bieten hier einen Starrkampf vom Feinsten. Mir wird ganz warm und schwindelig. Am liebsten würde ich gerade ganz weit weg. An einen Ort, der nicht zwischen den beiden hier ist. Am besten in mein Bett. Wie sehr ich es mir wünsche nicht hier ausgestiegen zu sein. Einfach nicht Teil dieser Konversation sein. Doch auf einmal bricht Noah den starren Blick ab. Er steht auf und geht einfach. Verwirrt blicke ich aus dem Fenster und sehe, wie er das Grundstück verlässt. Ich verstehe die Lage nicht mehr. Ahnungslos blicke ich zu Tim, welcher ebenfalls Noah auf der Straße verfolgt. Er atmet tief aus, er scheint wohl erleichtert über dieses Ende zu sein. Ich hingegen bin so unwissend wie zuvor. Sie waren befreundet, das weiß ich nun, doch selbst damit kann ich nicht wirklich viel anfangen. Dass Noah mein Zusammenkommen mit Sarah aus egoistischen Gründen in die Wege geleitet hat wusste ich ja schon. Tim dreht sich zu mir und versucht mich anzulächeln, doch ich sehe genau, wie ihn das gerade mitnimmt. So wirklich möchte ich das Thema jetzt auch gar nicht mehr ansprechen, weshalb auch ich mich erhebe und gehe. Tim sagt nichts dazu. Er sitzt weiter steif da und auch als ich Tschüs sage regt er sich nicht. Ich beschließe, dass er jetzt erst einmal Zeit für sich braucht. 

Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt