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Die Stimmung wird immer angespannter und ich kann gar nicht beschreiben, wie froh ich bin, als der komische Mann mir zum Abschied die Hand gibt und mir sagt, dass er sich darauf freut, mich nächste Woche wieder zu sehen. Zuerst bin ich etwas verwirrt und als ich aus der Türe trete und meine Mutter erblicke, welche bereits sehnsüchtig auf mich wartete, war ich immer noch nicht schlauer. Erst als ich das Gebäude wieder verlasse wird mir klar, was das bedeutet.

Ich werde hier noch einmal hin müssen.
Und danach vielleicht noch einmal und noch einmal, ohne Ende. Ich sehe schon bildlich das schwarze Loch vor mir aufgehen, wenn ich nur daran denke, auch nur noch einmal mit diesem komischen Mann alleine in einem Raum Zeit verbringen zu müssen. Heute war es ja noch ganz erträglich, doch zum Ende hin hat er mir immer unangenehmere Fragen gestellt, vor allem Fragen, die ich nicht hören oder gar beantworten wollte. Fragen zu und um Sarah. Alleine bei dem Namen werde ich ruhig und ich traue mich dann gar nicht mehr wirklich, etwas von mir zu geben. Es schien fast so, als würde er mich besser kennen als mir lieb ist oder sogar besser als ich. Er kannte einfach alle Hintergrundinfos, sogar wie Sarah aussah, wie mein bester Freund hieß und Sarahs Todesursache. Was mich allerdings immerhin ein wenig beruhigt hatte war, dass er mit keinem Wort Noah erwähnte. Das hätte das Fass wirklich zum Überlaufen gebracht. Dann wäre ich vermutlich aus dem Raum gestürzt. Auch so musste ich mich schon echt beherrschen, nicht gleich in Tränen auszubrechen. Schweigend setzen sich meine Mutter und ich ins Auto. Sie fragt nicht wie es war, sie fragt nicht wie es mir geht. Sie erklärt auch nichts. Es ist, als wäre ich nie hier gewesen. Sie sagt generell nichts, ist sogar vom Gefühl her noch schweigsamer als heute Morgen, als wir hier hin gefahren sind. Manchmal werde ich aus ihr echt nicht schlau aber wenn man eins sagen kann dann, dass sie immer in den richtigen Momenten weiß, wann sie etwas sagen muss und wann nicht. Und genau dieser Moment ist einer dieser, in der sie lieber nichts sagen solle. Gemeinsam fahren wir schweigend nach Hause und halten davor noch bei McDonald's. Das machen wir echt selten, wohl eher nie. Ich weiß nicht recht, ob ich das als eine Art Belohnung für heute sehen darf, aber ich finde ehrlich gesagt, dass ich es auch verdient habe und irgendwie macht es das heutige Ereignis auch ertragbarer. Ja, ich freue mich sogar fast über meinen Big Mac, welchen ich in Windeseile verschlinge, bevor wir wieder ins Auto steigen. Der gute Nebeneffekt des Essens ist außerdem noch dieser, dass man währenddessen eh nicht besonders reden kann und somit die Atmosphäre zwischen uns nicht einmal angespannt oder gezwungen war.
Als wir zuhause ankommen, lässt meine Mutter mich sofort auf mein Zimmer gehen, während sie im Wohnzimmer verschwindet. Beim Betreten meines Zimmers fühle ich mich automatisch irgendwie leichter. Vielleicht wegen der gewohnten Umgebung. Vielleicht auch, weil ich mich zuhause sicher fühle, weil ich hier von niemandem zur Rechenschaft gezogen werde. Weil ich hier keine komischen Fragen beantworten muss, welche ich gar nicht beantworten will und vielleicht auch, weil meine Mutter mir heute einen großen Gefallen getan hat nach der Sitzung und ich ihr nun irgendwie mehr vertraue. Leichtfüßig lasse ich mich auf mein Bett fallen. Mit dem Landen auf der Matratze ist es fast so, als würden mit dem Aufprall ebenso alle Sorgen von mir fallen und zum ersten Mal seit der letzten Zeit fühle ich mich wieder richtig wohl.


Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt