Seite 109

123 11 0
                                    

Als ich nach der Schule nach Hause gehe fühle ich mich komisch. Alex und Yannick waren den restlichen Morgen ganz still und redeten nur wenn es wirklich nötig war mit mir. Meiner Mutter versuchte ich so gut es ging aus dem Weg zu gehen, allerdings gelang das nur bis zum frühen Nachmittag, als sie an meine Zimmertür klopft.
"Niklas, Telefon für dich."
Ich liege auf meinem Bett und bin versucht so zu tun, als würde ich schlafen. Erneutes Klopfen. 
"Niklas?", fragt meine Mutter noch einmal und nach einer viel zu kurzen Pause steht die Türe auch schon offen. 
"Ich wollte gerade kommen", lüge ich und versuche nicht allzu niedergeschlagen zu schauen. 
"Ist alles okay?", fragt meine Mutter als sie mich sieht und mustert mich vorsichtig. Ich bejahe ihre Frage schnell, nehme das Telefon und schicke sie, so schnell sie gekommen ist, wieder aus meinem Zimmer. Leise schließe ich die Türe, bevor ich das Telefon an mein Ohr halte: "Hallo?"
"Hallo, Niklas. Ich bin's, Tim."
Sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen.
"Ah, schön, dass du dich meldest, ich wollte dir schreiben, aber mein Handy ist leider kaputt, tut mir leid, dass ich es dir nicht früher gesagt habe", entschuldige ich mich schnell.
"Achso, ja, ich hab mich schon gewundert, aber das ist gar nicht der Grund, wieso ich anrufe. Ich wollte einfach mal nachgefragt haben, ob das stimmt, was in dem Kapitel steht."
Ich halte kurz die Luft an: "Es gibt ein neues Kapitel?"
"Ja, kam so vor einer Stunde raus."
"Was steht denn darin, dass du wissen willst, ob es stimmt?", frage ich natürlich sofort und bemerke, wie mein Mund etwas trocken wird. Tim schweigt für einen Moment und holt dann tief Luft: "Stimmt es, dass ihr miteinander geschlafen habt?"
Die Frage überrumpelt mich etwas. So sehr, dass ich nicht einmal weiß, ob ich ihm die Wahrheit sagen soll oder nicht. Zu gerne wüsste ich jetzt, was Noah genau geschrieben hat und wie viel er erzählt hat.
"Ähm.... ja", antworte ich ganz langsam und leise. Am anderen Ende ist es still. Die Röte schießt mir ins Gesicht und ich bin froh, dass mich Tim gerade nicht sieht. 
"Ich verstehe ja, dass du ihn liebst und all das, aber denkst du wirklich, das ist eine gute Idee, wenn er demnächst wegzieht?"
Tims Worte versetzen mir direkt einen Stich ins Herzen. Natürlich wusste ich davon Bescheid und natürlich war es mir klar. Allerdings habe ich versucht es irgendwie zu verdrängen. 
"Ändern kann ich es jetzt ja nicht mehr", gebe ich etwas patzig als Antwort, um zu verstecken, wie mich der letzte Satz doch getroffen hat.
"Ja, das stimmt wohl. Aber wie kam es überhaupt dazu?", hakt Tim nach. Ich denke zurück an die Nacht. Wie komisch sie doch war, überhaupt nicht stimmig. Und eine Antwort auf meine kleine Predigt bekam ich auch nicht. Ungewollt atme ich laut aus. 
"Keine Ahnung", sage ich nur und finde gerade wirklich keine besseren Worte dafür. 
"Und was machst du jetzt? Oder eher was macht ihr jetzt?", stellt er direkt die nächste Frage. Momentan bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich auf Noah sauer sein möchte oder nicht. Ich lasse ihm wirklich viel durchgehen, ohne ihn zur Rechenschaft zu ziehen. 
"Erreichen kann ich ihn ja nicht ohne Handy und zuhause schlägt er mir sicher wieder die Tür vor der Nase zu", bemerke ich und erst jetzt fällt mir auf, dass ich nicht an das Danach gedacht habe. 
"Na wenn es nur das ist. Ich hoffe mal du bekommst jetzt keine Probleme da er das alles ja bereits veröffentlicht hat."
Ein kalter Schauer überkommt mich: "Denkst du ich könnte deswegen Probleme bekommen? Die Personen heißen wie wir, aber das sagt doch noch lange nichts aus, oder?"
Mein Herz schlägt schneller. Eigentlich ist es wirklich unverschämt von ihm, dass er unser Privatleben so veröffentlicht. Für ihn mag das vielleicht okay sein, doch mich gefragt hat er nie. Länger darüber nachgedacht habe ich auch noch nie, ob ich damit einverstanden bin oder nicht. Dafür blieb gar keine Zeit und schon bevor ich etwas sagen konnte, waren die ersten Kapitel draußen.
"Wer auch nicht kennt klar, aber wenn man euch kennt kann man die Ähnlichkeit nur schlecht leugnen."
Ich antworte nicht darauf. Tim hat in diesem Punkt recht. Selbst wenn Noah das Kapitel noch zurückzieht haben es sicher bisher genug gelesen. Wenigstens wussten Yannick und Alex davor bescheid, denn ich weiß ja aus eigener Erfahrung, dass es nichts Schlimmeres gibt, als etwas über mehrere Ecken zu erfahren. 
"Ich muss dann mal gehen. Ich dachte ich frage dich lieber persönlich, bevor der noch was erfunden hat und dich dann mit reinzieht. Einen schlechten Ruf hast du echt nicht verdient."
Mit diesen Worten verabschiedet Tim sich, ich schaffe es gerade noch so ein kurzes Tschüss in den Hörer zu flüstern. Seinen bitteren Ton habe ich dabei jedoch nicht überhört. Er scheint wirklich angefressen zu sein von dem Kapitel. Ein wenig schmeichelt es mir, dass er sich so für mich einsetzt. Alex und Yannick schauen mich ja nur komisch von hinten an. Ich seufze und möchte das Telefon gerade wieder meiner Mama bringen, als ich, noch in meinem Zimmer sitzend, höre, wie an unserer Tür geklingelt wird.


Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt