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Da ich der starken Ansicht bin, dass mir diese Frau nachrennt, beschließe ich kurzerhand nicht in den Unterricht zu gehen und mich zu 'verstecken'. Auf Unterricht habe ich eh keine Lust, vor allem nicht, nachdem sich meine Lehrerin ja solche Sorgen um mich macht. Ohne viel zu überlegen begebe ich mich auf das Jungsklo, wohin mich diese Frau eh nicht verfolgen kann. Leicht benommen setze ich mich auf den Klodeckel in einer Kabine und schließe die Tür. Ich habe Glück und bin der Einzige, der sich im Moment im Raum aufhält. Aber das Jungsklo ist eigentlich immer leer. Es kommt selten vor, dass man mal jemandem begegnet. Ich kauere mich auf dem Deckel zusammen und versuche die Situation in meinem inneren Auge zu wiederholen. Erst muss ich unter meiner tragischen Vergangenheit leiden und die Folgen davon sind dann sogar noch, dass die Gefahr besteht, dass ich in die Psychatrie muss. Wirklich toll. Es fühlt sich so an, als würde gerade alles den Berg ab gehen. Ich wollte doch einfach ganz normal auf eine ganz normale Schule gehen, auf der niemand von meiner Vergangenheit weiß. Ich ziehe meine Beine noch näher an meinen Körper und merke, wie sich langsam aber sicher Tränen in meinen Augen sammeln. Natürlich könnte ich mir jetzt die Frage stellen 'Wieso ich?', aber ich weiß erstens ganz genau, dass ich darauf keine Antwort bekommen werde und zweitens, dass diese Frage einfach nur eine Ausrede für die meisten ist, die sich in so einer Situation befinden, um ihren Misserfolg oder ihr Pech auf etwas anderes, höheres zu schieben, das in Wirklichkeit nicht existiert und den sie dann für ihr Versagen verantwortlich machen, zwar nicht direkt, aber schlussendlich läuft es darauf hinaus. Es ist halt einfach so. Ich muss irgendwie damit umgehen, oder lernen damit umzugehen. Andererseits habe ich es doch schon einmal geschafft, warum also nicht ein zweites mal? Motiviert von meinen eigenen Gedanken stehe ich vom Klodeckel auf und wische mir schnell mit meinem Ärmel über das Gesicht. Pa, da können sie mir lange hinterher rennen. So schnell wie heute werde ich sicher nicht mehr weich. Nicht mit mir. Ich trete mit meinem Fuß gegen die Kabinentür und stoße diese schon fast aus der Halterung. Ich werfe einen Blick in den Spiegel. Ich seh wie immer aus, nur in meinen eigenen Augen komme ich sehr überzeugend herüber- als wäre ich für mich der eindrucksvollste Mensch der Erde geworden. Das ist gut, das ist wirklich gut, dass ich mich selber so sehe, dann wird es umso schwerer für andere sein mich zu durchbrechen. Die können lange warten, bis sie ein Wort von mir hören und Glück brauchen sie, um überhaupt erst an mich heran zu kommen. Mit geschwollener Brust will ich aus dem Raum treten und erschrecke fast zu Tode, als eine weitere Person in mein Sichtfeld tritt. Seine Augen funkeln mich mysteriös an und ich komme immer noch nicht darauf, woran sich mich erinnern. Ich werfe Noah einen komischen Blick zu und laufe dann an ihm vorbei. Warum muss ich auch immer ausgerechnet ihm begegnen?

Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt