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Irgendwann wird es draußen wieder hell und ehe ich mich versehe, bin ich auch bereits mit meinem Handy in der Hand eingeschlafen. Als ich erneut die Augen öffne, kitzelt mich die Sonne an der Nase. Etwas schlaftrunken blinzele ich und reibe meine Augen. Ich taste nach meinem Handy, welches ich allerdings nicht finde. Erst nachdem ich mich aufgerichtet hatte, erblickte ich es auf dem Boden verweilen, den Display auf den Boden gerichtet. Etwas widerwillig strecke ich meinen Arm danach aus. Der Display ist noch an und hell freudig strahlt mir Wattpad entgegen. Ich hatte es doch tatsächlich wieder zu der Stelle im Krankenhaus geschafft, in der Adrian mit Michael redet, seine Hand nimmt und ihm gesteht, dass er weiß, was Michael empfindet. Im Nachhinein stelle ich mir diese Szene wunderbar vor. So innig und heimisch. Als wäre sie Wirklichkeit. Es dauert sogar einen Augenblick, bis ich realisiere, dass es nicht Wirklichkeit, sondern Fiktion ist. Auf irgendeine Weise kann ich mich mittlerweile mit dem Gedanken anfreunden. Der Gedanke, von Adrian gemocht zu werden, ich empfinde es nicht mehr als ekelhaft, doch das Gleiche für ihn werde ich wohl nicht empfinden können. Etwas erleichtert schließe ich das Kapitel und die ganze App. Melancholisch blicke ich aus dem Fenster. Was passiert eigentlich gerade mit mir? Was ich gestern als unmöglich verstand, ist heute bereits fast normal. Ich seufze tief und schließe die Augen, öffne sie allerdings genauso schnell wieder. Welcher Tag ist heute? Wie spät ist es? Panisch nehme ich mein Handy erneut zur Hand. Montag. 7:45 Uhr. In 10 Minuten wird meine Schule beginnen und ich sitze hier, in meinem Schlafanzug, noch halb im Schlafe und ohne wirklichen Antrieb. Allerdings will ich auch den heutigen Tag nicht verpassen. Etwas zieht mich in die Schule, als wolle ich nach dieser Woche wieder die anderen treffen, dem normalen Alltag nachgehen. Dass es eventuell Noah ist, welche mich anziehe, ziehe ich dabei gar nicht in Betracht, weiß aber dennoch tief im Inneren, dass er eigentlich der Grund ist. Dieses unsättigende Gefühl in mir, nicht in seiner Gegenwart zu sein, stört mich irgendwie. Ich hätte so viele Fragen ab ihn, welche ich doch nicht stellen werde. In windeseile ziehe ich meine Kleider über, werfe irgendwelche Schulunterlagen in meinen Rucksack, stolpere halb schuhebindend aus meinem Zimmer und bin auch schon fast aus der Haustüre verschwunden, als meine Mutter meinen Namen ruft. Etwas genervt gehe ich die paar Schritte zurück, sehe sie in der Küche am Tisch lehnen, ihre Hände leicht verkrampft. Auf ihrem Gesicht liegt ein Lächeln, doch es ist nicht echt und es fällt ihr schwer, es aufrecht zu halten.
"Due gehst heute nicht in die Schule", sagt sie so sachte wie es ihr möglich ist. Ich realisiere ihre Worte nicht, bleibe einen Moment perplex stehen, bevor ich leicht den Kopf schräg lege und sie mit fragenden Augen anblicke.
"Wir beide gehen heute wo anders hin", fügt sie hinzu, nachdem ich nicht darauf reagiere und sie fragend anblicke. Die Worte fallen ihr dabei schwer, als würde sie sich selber dazu überwinden. Einen kurzen Augenblick denke ich sogar, Tränen in ihrem Gesicht zu erhaschen, doch sie schluckt sie schnell wieder hinunter und setzt wieder ihr Lächeln auf, ihr gespieltes Lächeln. Etwas traurig lasse ich meinen Rucksack auf den Boden fallen. Bin ich wirklich traurig darüber nicht in die Schule zu gehen oder wollte ich einfach nur Noah wieder sehen? Ich werfe meiner Mutter noch einmal einen Blick zu und gehe dann zurück in mein Zimmer.

Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt