„Noah, warte doch...", springe ich sofort auf und laufe Noah hinterher. Doch er ist bereits verschwunden. Ich bekomme einen Kloß im Hals und mich beschleicht das komische Gefühl, dass er die ganze Situation gerade falsch gedeutet hat. Sofort muss ich wieder an sein neues Kapitel denken, an das Buch und was er darin geschrieben hat. Wie er Tim und mich darin dargestellt hat. Dass wir ihn ignorieren, ausgrenzen und weglassen. Ich bekomme das dringende Gefühl mich erklären zu müssen. In Gedanken laufe ich noch ein paar Meter, sehe aber schnell ein, dass er verschwunden ist. Mit gesenktem Blick gehe ich zurück zu Tim, welcher fragend auf der Bank sitzt: „Alles okay?"
Ich nicke nur leicht und setze mich dann wieder neben ihn. Sofort legt er einen Arm um mich und schaut mich traurig an.
„Da gibt es noch etwas, was passiert ist", beginne ich, bevor er etwas sagen kann. Entschlossen drehe ich mich zu ihm und setze mich gerade hin, „Noah hat mir seine Liebe gestanden. Vor der ganzen Schule."
Tims Augen weiten sich etwas und er sieht unschlüssig aus: „Wann?"
Ich lehne mich an den Rücken der Bank. Irgendwie hat mich das Aussprechen gerade erleichtert.
„Gestern nach der Schule. Er hatte es quasi davor schon angekündigt in seinem Buch. Du kennst doch seine Bücher, oder?", erzähle ich und schaue Tim wieder fragend an. Dieser nickt nur.
„Auf jeden Fall hat er ein neues Kapitel geschrieben. Über ihn und mich und auch über dich, dass wir beide ihn ausgrenzen. Er gestand dem Fiktion-Niklas seine Liebe, woraufhin ‚Tom' ihn auslachte", schildere ich schnell die Handlung und deute mit meinen Fingern Anführungszeichen bei dem Namen Tom an. Tim verengt seine Augen ein wenig.
„Ganz zum Schluss hat Niklas dann Noah ebenfalls seine Liebe gestanden", komme ich zum Schluss und werde etwas leiser. Ich mache eine kurze Pause und schaue Tim vorsichtig von der Seite an, „und damit hatte er recht."
Tim nickt leicht. Er scheint es schon erwartet zu haben.
„Und das hat er dann in die Tat umgesetzt?", fragt er, aber nicht spöttisch, eher als würde er ermitteln. Ich nicke und muss erneut an diese Szene denken. Wir beide vor allen Schülern der Schule. Das ungute Gefühl kommt wieder in mir hoch. Eigentlich war es mir total unangenehm, aber irgendwie war es auch... romantisch. Ich hätte nicht gedacht, dass Noah so etwas macht.
„Ich denke du solltest mit ihm reden", sagt Tim schlussendlich.
„Ich weiß nur nie, wo er ist. Er taucht immer auf einmal auf, er rennt vor mir weg. Ich weiß nicht, wie ich ihn erreichen soll. Zuhause öffnet er mir nicht die Tür oder redet in Rätseln", beichte ich und rede mir damit erneut die Sorgen von der Seele.
„Gib mir mal dein Handy", sagt Tim bestimmt und nimmt dann mit ausgestreckter Hand mein Mobiltelefon entgegen. Als er Noahs Nummer wählt und anruft, bricht der Anruf allerdings sofort ab. In mir zieht sich alles zusammen.
„Ernsthaft?", ruft Tim ein wenig genervt. Auch als er auf WhatsApp geht findet er nur die grauen Haken, den Kontakt ohne Profilbild und meine wütenden Nachrichten. Er liest sie schnell durch: „Ich kann dich verstehen. Ich hätte vermutlich auch so reagiert."
Enttäuscht gibt er es mir wieder zurück.
„Wie es aussieht möchte er gar nicht, dass du dich bei ihm meldest."
Ich zucke mit den Schultern. Das ist mir auch schon aufgefallen.
„Du gibst mir jetzt seine Nummer und ich schreib ihm dann von meinem Handy aus. Leider habe ich es zuhause gelassen, aber ich kann ja versuchen ein Treffen zu organisieren", schlägt Tim vor und strahlt dabei immer mehr, „Das wird schon."
Ich muss auch leicht lächeln und will mich gerade bedanken, da klingelt mein Handy auf einmal. Für einen kurzen Moment hoffe ich, dass es Noah ist und fische es so schnell wie noch nie aus meiner Hosentasche, nur um dann die ernüchternde Wahrheit zu sehen. Ich verdrehe die Augen und hebe ab: „Ja?"
„Niklas? Wo bist du? Das Essen ist fertig!"
Genervt blicke ich auf die Zeit.
„Ja, ich bin schon unterwegs, bin gleich da."
„Das hoffe ich doch!"
Mit diesen Worten lege ich auf und verdrehe die Augen.
„Mein Vater", sage ich nur knapp, als mich Tim fragend von der Seite anschaut. Er gibt nur ein leises aha von sich und im gleichen Moment stehen wir auf.
„Ich weiß gar nicht, wie ich dir dafür danken soll. Ich schätze es wirklich, dass du mir so helfen möchtest", bedanke ich mich und suche nach den richtigen Worten.
„Das ist doch selbstverständlich. So etwas macht man doch unter Freunden", winkt er ab und lächelt mich wieder mit seinem ehrlichen Lächeln an. Ich überlege nicht lange und schließe ihn kurz in meine Arme. Für einen kurzen Moment zuckt er zusammen und verkrampft sich, doch gleich darauf legt auch er seine Arme um mich. Ich löse mich, schaue ihn nochmal fröhlich an und gehe dann winkend in die andere Richtung, in die Noah verschwunden ist.
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Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)
RandomNiklas glaubt er hat den Verstand verloren, als er sich immer mehr mit dem fiktiven Hauptdarsteller eines Buches vergleichen kann, doch was genau hat der ruhige Noah in seiner Klasse plötzlich mit ihm und weshalb bekommt er jedes Mal ein Déjà-vu, we...