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Unbeholfen wird mir die nächste Flasche direkt in die Hand gedrückt. Ich bemerke nicht einmal von wem. Die Musik erscheint mir mit einem mal viel lauter und die feiernden Gäste bewegen sich immer wilder zum Takt. Plötzlich finde ich die Situation unglaublich lustig. Ich fange an zu lachen und trinke einen großen Schluck. Etwas mühevoll drängele ich mich zwischen den Menschen durch zu dem Platz, auf welchem ich vorhin stand. Der Tisch mit den Snacks steht wieder und die Schüsseln sind erneut gefüllt. Auf dem Boden erkennt man jedoch immer noch den dunklen Fleck der Bowle. Erneut greife ich zu den Flips und entdecke dann Alex und Yannick, welche nicht weit von mir entfernt stehen. Die Flips spüle ich mit einem großen Schluck Bier herunter und winke den beiden dann zu.
„Was ist denn mit deiner Hand?", fragt Yannick direkt, als sie zu mir kommen.
„Ach, das ist nichts", sage ich schnell und verstecke sie hinter meinem Rücken.
„Wir spielen jetzt Bierpong, willst du mitmachen?", fragt mich Alex ohne weiter auf meine Hand einzugehen. Seine Wangen sind leicht gerötet und auf seiner Stirn erkennt man bereits etwas Schweiß. Außerdem strahlt er heller als die Sonne am Morgen und ich bin mir sicher, dass er in dieser kurzen Zeit schon mehr getrunken hat, als er sollte. Ich ignoriere den heftigen Akhohlgeruch und verkneife mir eine Anmerkung, dass es doch eigentlich mal genug Alkohol gewesen sein muss, und nicke einfach nur stumm. Alex Lächeln wird noch etwas breiter und schon ergreift er meine Hand. Yannick ist dicht hinter uns und auch er ist bereits etwas mehr als angeheitert. Gemeinsam gehen wir in einen abgegrenzten Raum, in dem sich bereits ein paar Leute um einen Tisch versammelt haben. In der Runde kenne ich lediglich Raphael, die anderen sind mir fremd. Schnell wird für und Platz gemacht und ehe ich die Regeln ganz verstehe, geht es auch bereits los. Ich war ehrlich gesagt noch nie ein guter Werfer und so kommt es, dass ich bereits in der ersten Runde beinahe alle Becher leer trinken musste, bevor ich überhaupt getroffen habe. Yannick auf der anderen Seite sieht mich verschmitzt an und versenkt den Ping-Pong Ball im letzten Becher. Die Menge grölt und ich schütte das Bier mit einem verzogenen Gesicht in mich rein. Es schmeckt mit jedem Mal scheußlicher, aber mit jedem Mal realisiere ich es auch weniger.
Die nächste Runde setze ich aus und schaue mir das Ganze aus sicherer Entfernung an. Ich kann schon nicht mehr so gut auf den Füßen stehen und mein Kopf arbeitet so langsam, dass ich gar nicht realisiere, dass ich bereits wieder hinter dem Tisch stehe und den Ball in der Hand habe. Dieses Mal spielen wir in zweier Teams und der fremde Junge und ich verlieren erneut haushoch. Vermutlich nur wegen mir. Doch das eigentlich Schlimme diese Runde ist, dass nicht Bier wie davor in den Bechern ist, sondern Vodka. Meine Sicht wird mir jedem Schluck vernebelter, bis ich mich wirklich nicht mehr halten kann und auf den Boden falle. Die Menge um mich herum grölt wieder auf und erneut finde ich die Situation unglaublich lustig.
„Ich leg mich mal ins Bett", lalle ich mit halboffenen Mund und krieche dann aus dem Zimmer. Was die anderen dazu sagen höre ich gar nicht. Irgendwie schaffe ich es auf die Beine und gelange wieder zu den anderen Partygästen. Mehr stolpernd als laufend versuche ich mir ein neues Bier zu öffnen, scheitere aber kläglich und lasse die Flasche dafür auf den Boden fallen. Für einen kurzen Moment sind alle Augen auf mich gerichtet, doch ich grinse nur dämlich vor mich hin und betrachte die Scherben und das verlaufende Bier auf dem Boden.
„Niklas, du siehst ja gar nicht gut aus", dringt es an mein Ohr und weckt mich somit aus meiner Biertrance. Ich blicke der Person fragend ins Gesicht, kann aber nicht erkennen, wer da vor mir steht: „Ich hab bisschen getrunken."
Die Person vor mir beginnt nicht wie ich zu lachen und das macht das Ganze nur noch lustiger. Ich kichere wie ein kleines Mädchen und scheitere bei jedem Versuch, das zu verhindern. Ohne es wirklich zu bemerken zieht mich die Person hinter sich her und gemeinsam gehen wir in ein anderes Zimmer, in dem es viel ruhiger ist. Leise schließt sie die Türe hinter uns und ich lasse mich auf das Bett fallen, welches mitten im Raum steht.
„Möchtest du schlafen?", werde ich gefragt und kann mittlerweile wieder so klar denken, dass ich die Stimme einem Mädchen zuordnen kann.
„Nein, ich bin hellwach", gebe ich empört von mir und rolle mich einmal auf die andere Seite. Geschafft schließe ich die Augen und könnte schwören, dass ich in der nächsten Minute einschlafen werde. Ich merke, wie die Matratze neben mir leicht nach unten geht und dann eine Hand auf meinem Rücken. Zuerst zucke ich leicht zusammen, doch dann genieße ich das Streicheln schon beinahe.
„Niklas...", sagt sie ganz sachte und fährt mit ihrer Hand immer wieder über meine Wirbelsäule, „du musst dich doch gar nicht betrinken. Du bist doch schon ohne Alkohol toll."
Ich schweige nur und versenke meinen Kopf weiter in der Matratze. Durch meinen Kopf fliegen die Ereignisse der letzten Tage, mit meinem Vater und Tim und für einen kurzen Moment möchte ich mein Herz ausschütten, doch das verwerfe ich ganz schnell wieder. Genau diese Gedanken wollte ich doch nicht haben. Darum bin ich ja hier.
„Es ist einfach alles gerade ein wenig... kompliziert", bringe ich deshalb nur zustande und drehe mich erneut um. Mein Kopf dreht sich auch nachdem ich wieder still liege weiter und auch mein fester Blick auf die Decke hilft nicht dagegen.
„Möchtest du darüber reden?"
Ich schüttele nur den Kopf und merke dann wieder, wie sie mir mit der Hand über den Kopf streichelt. Irgendwie fühlt sich das gut an. Langsam richte ich mich wieder auf und fixiere das Mädchen vor mir so gut es geht. Ich kann mir beim besten Willen nicht an solch ein Gesicht erinnern.
"Wie spät ist es eigentlich?", frage ich und bemerke, wie mein Kopf zu pochen beginnt.
"Halb drei."
Mein Kopf schmerzt nur noch mehr, als ich versuche diese Information zu einer logischen Schlussfolgerung zu kombinieren.
"Ich schätze, ich sollte nach Hause gehen", meine ich nur kurz, da mir das Denken zu viel wird, und stehe von dem Bett auf.
"Nein, warte bitte...", werde ich gebeten und merke, wie sie mich an meinem Ärmel festhält. Ich versuche mich gar nicht zu wehren, sondern setze mich wieder langsam auf das Bett und bringe nur ein okay raus. Sie rutscht etwas zu mir und greift nach meiner Hand: „In dem Zustand kannst du doch nicht nach Hause gehen."
Ich schaue sie nur wortlos an. Wieso sorgt sie sich so?
„Übernachte doch einfach hier in morgen gehst du ganz normal nach Hause."
Ich wende meinen Blick ab: „Ich weiß nicht, wie meine Mutter darauf reagieren wird."
Erneut will ich mich zum Gehen auf machen, doch werde wieder zurück gehalten.
„Niklas, jetzt warte doch...", versucht sie panisch mich aufzuhalten und zieht mich wieder auf das Bett zurück. Etwas ungeschickt lande ich auf der Matratze und suche erneut ihren Blick und hoffe, daraus etwas lesen zu können. Sie sucht verzweifelt mit ihren Augen mein Gesicht ab, als hätte sie etwas verloren. Dass sie erneut etwas näher zu mir gekommen ist, ignoriere ich komplett.
„Niklas, ich will doch nur dein Bestes", flüstert sie beinahe, streicht mir über meine Wange und bevor ich es hätte ahnen können, beugt sie sich zu mir vor und legt ihre Lippen auf meine. Fast automatisch schließe ich meine Augen, erwidere den Kuss und bin für einen Moment wie ausgeschaltet. Meine Gedanken an Zuhause sind wie ausradiert und in meinem Kopf dreht sich die Umgebung nicht mehr. Ich konzentriere mich nur auf den Kuss und als wir uns lösen und ich meine Augen öffne, bin ich mir sicher, dass Noah gerade vor mir sitzt. Ich erkenne seine Gesichtszüge und sein leichtes Lächeln. Schnell ergreife ich sein Gesicht mit beiden Händen und bin es dieses Mal, der seine Lippen auf die andern legt. Stürmischer als zuvor küsse ich ihn und merke, wie die andere Person es mir gleich tut.
„Noah...", bringe ich zwischen den Küssen hervor, „ich hatte schon angst du könntest das falsch verstehen."
Mit einem Mal stoppt das Küssen. Verwirrt löse ich mich und nehme die Hände von den Wangen.
„Noah?", dringt es flüsternd mit einer Mächenstimme an mein Ohr. Sofort bin ich nüchterner als zuvor und merke, dass vor mir nicht Noah sitzt, sondern Julia, welche mich mit leicht verwirrtem un leicht enttäuschtem Blick mustert. Meine Wangen werden warm und ich kann ihrem Blick nicht standhalten.
„Ich glaube, ich sollte gehen...", quetsche ich zwischen meinen Lippen hervor. Auf einmal ist mir die ganze Situation unglaublich peinlich. Ich hielt sie für Noah, einen Jungen. Wie betrunken kann man denn sein. Etwas langsamer als zuvor stehe ich auf und begebe mich zur Türe. Kurz bevor ich sie öffne blicke ich noch einmal zurück. Julia sitzt immer noch gleich da, den Blick auf das Bett fixiert und ihren Kopf von mir abgewandt.
„Es tut mir leid...", hauche ich noch, bevor ich aus dem Zimmer verschwinde.

Das Leuchten des Mondes (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt