Die Liste

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JUS POV:

"Wo willst du hin?", fragte Marie etwas erschrocken.

"Zu Simon. Muss da helfen", erklärte ich kurz. Marie streifte meine Hand vorsichtig ab und machte Anstalten, mir zu folgen. In ihrem Blick lag nicht diese Freude, wie sonst immer. Wahrscheinlich war sie einfach zu beschäftigt in ihren Gedanken. Wie immer fuhren wir mit dem Longboard, Marie trug das Stativ auf dem Rücken, ich den Rest in meinem Rucksack oder den Händen. Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. Marie verhielt sich anders, langsam konnte ich es nicht mehr auf Versunkenheit abschieben. Sie war irgendwie ruhig, abwesend, so gar nicht das Mädchen, das ich kannte. Ich traute mich nicht, ein Blick in ihre Augen zu werfen, aus Angst, das Glitzern darin wäre verschwunden. Solange ich keinen Gegenbeweis hatte, konnte ich mir immerhin einreden, dass es noch so war. Auch wenn ich tief in mir drinn nicht so richtig überzeugt davon war.

MARIES POV:

Wir trafen auf Simon, ein paar hundert Meter hinter der Hohenzollernbrücke. Ich ließ meinen Blick zurück auf die Millionen Schlösser schweifen. Als ich klein gewesen war, hatte ich nie begriffen, wieso die Leute so etwas taten. Warum brauchte man einen Gegenstand, der an die Liebe erinnerte? Waren die Leute nicht fähig dazu, sich selbst daran zu erinnern und die Liebe allein fest zu halten? Mittlerweile hatte ich meine Meinung geändert. Seitdem ich wusste, wie zerbrechlich Liebe war. Ein kleines Ereignis konnte das komplette Denken und Leben durcheinander rütteln, dass man sich aufgebaut hatte. Ich wünschte, dass ein Schloss von mir an dieser Brücke befestigt worden wäre. Um genau zu sein, bräuchte ich sogar Vier. Eins für meine Eltern, eins für meinen Bruder, eins für Nele und das vierte... ich traute mich nicht, diesen Gedanken zu Ende zu bringen. Ich hatte viel Hilfe gebraucht, um über die anderen drei Personen noch über die Trennung hinaus Liebe zu empfinden und sie zu behalten, für mich, damit sie mich stärkte und unterstützte. Wenn ich einen Gegenstand gehabt hätte, der sie schon davor in sich eingeschlossen hätte? Hätte eine Berührung ausgereicht, um mir genug zu geben? Oder zwei? Oder hätte sie es noch schlimmer gemacht? Davon war ich jedenfalls nicht überzeugt, nach all' dem, was ich bis jetzt erfahren habe, war es auf jeden Fall an der Zeit, es zu versuchen. Meine Liebe in einen Gegenstand zu sperren. Zumindest einen Teil davon. Meine Augen wanderten wieder zu Simon und Ju. Simon zeigte zu der Brücke, auf der meine Konzentration bis vor ein paar Augenblicken noch gelegen hatte. Seine Lippen formten Worten, die ich nicht hören konnte, weil ich zu weit weg stand. In diesem Moment blickte auch Ju über seine Schulter in Richtung Brücke und traf mich mit seinen Augen. Innerhalb einer Millisekunde veränderte sich der Ausdruck auf seinem Gesicht. Jus Mundwinkel zuckten nach unten, in seine Augen trat Schmerz und Enttäuschung. Ich senkte meinen Kopf, um ihm auszuweichen und das zerreissende Gefühl in meinem Inneren zu verdrängen, dass mich durch den Schmerz in seinen Augen gepackt hatte. Meine Hände wanderten wie von selbst in die Taschen meiner Jacke und ich ging auf die beiden zu, um das Stativ abzustellen und aufzubauen. Simon redete weiter auf Ju ein, während ich mich neben ihnen meiner Aufgabe zuwand. Ich spürte die Hitze, die von Jus Körper ausging und unterdrückte den Drang, mich an ihn zu schmiegen. Meine Entscheidung stand noch nicht fest. Ob ich gehen sollte oder blieb. Aber für den Fall, dass ich verschwinden würde, von hier aus Köln... Vielleicht war es einfacher, es als eine Art Vorsichtsmaßnahme zu beschreiben. Ich wollte mich nicht noch mehr mit Ju verbinden als nötig, um den vermeindlichen Abschied einfacher zu machen. Zumindest, bis ich entschieden hatte, was ich wirklich tun wollte. Noch konnte sich alles ändern. Es konnte sich sowieso alles in wenigen Sekunden ändern. Besser, ich war darauf vorbereitet, als die unendlich andauernde Zeit danach zu viel Schaden daran zu nehmen. Es war pures Glück, dass bis jetzt noch nichts sich zwischen uns getrieben hatte wie ein Keil. Es war auch pures Glück, dass wir nach diesem einen Vorfall, der ja eigentlich nur insziniert war, den mit dem Video meinte ich, noch immer volles Vertrauen in einander hatten. Zumindest von meiner Seite. Vielleicht tat ich mir damit ja einen Gefallen, für später. Im Kopf ging ich wieder einmal die Gedanken durch, die pro und contra-Liste, die ich mir zusammen gebaut hatte. Pro wegfahren: 1. meinen Kindheitstraum verwirklichen 2. neue Leute kennen lernen 3. meine Fähigkeiten ausbauen.Contra wegfahren: 1. Ju alleine lassen (Fernbeziehung) 2. meine restlichen kölner Freundschaften vernachlässigen (Jan, Regina, Andre, Sarah, Cengiz etc.). Es standen mehr Punkte auf der pro-Seite, das konnte ich nicht verneinen. Allerdings waren die contra-Argumente, besonders das erste, stärker gewichtet, als zwei der pro-Argumente. Ich versuchte, das Ganze etwas sachlicher anzugehen, wie ich es vor elendig vielen jahren in der Schule gelernt hatte, was mir natürlich misslang. Ich konnte nicht darüber richten, was ich wirklich tun sollte. Nur darüber, was ich tun wollte. Irgendwie war ich mir nicht wirklich sicher, ob ich zum Nachdenken über solche wichtigen Angelegenheiten überhaupt in der Lage war. Einerseits hatte ich Angst vor meiner Entscheidung, andererseits hatte ich Angst davor, später nicht zufrieden zu sein und das Alles zu bereuen. Ich zog die Beine des Statives heraus und klipste sie fest. Ich würde aufhören müssen, Ju zu helfen, wenn ich weg fuhr. Diese ganze Video-Geschichte hatte ich schon ziemlich ins Herz geschlossen. Aber vielleicht konnte ich ja einen Teil davon in Frankfurt am Main weiter ausleben, in einer anderen Form versteht sich. Schneiden als Austausch gegen Flugzeugen Befehle geben. Viel zu spät bemerkte ich, dass dies' ein weiteres Argument auf der contra-Seite war. 3. meine entwickelte Leidenschaft für Film aufgeben. Jetzt stand es 3 zu 3. Was sollte ich nur tun? Wenn Gleichstand herrschte, zwischen den Argumenten, dann sollte man auf sein Bauchgefühl vertrauen, hatte ich gehört. Und das tat ich.

JUS POV:

Ich sog den Duft ihrer Haare ein, als sie diese nach hinten warf. Simon erklärte mir, sich ständig wiederholend, wie es sich die Szene vorstellte. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu und nickte ab und zu. Mein Blick ruhte auf Marie, ihrer irgendwo auf der anderen Seite des Rheins. Sie wirkte wieder abwesend und distanziert. Es gefiel mir nicht, wie sie sich irgendwie abschottete. Mir kam der Gedanke, dass es sie genau so sehr kümmerte wie mich, diese vielleicht letzten Male von allem, was wir taten und ich nur besser darinwar, es zu überspielen, verwarf ihn aber wieder. Bei Marie musste noch mehr dahinter stecken. Sie war nicht schwach, das war sie noch nie gewesen. Aber etwas schien sie innerlich zu zubrechen. Ich überlegte, ob sie das überhauot bewusst wahr nahm, diese Splitter, die sich in ihrem Körper nach außen durchbohrten, wie Spenkel von Glasscheiben. Nein, es waren die von Diamenten, Glas war nicht hart genug, um sich durch ihre Haut zu bohren. Zumindest das Methaphorische. Nachdem Simon seinen Monolog endlich beendet hatte, und mich fragte, ob ich verstanden hatte, was ich natürlich bejahte, ging ich zu Marie, legte meinen Arm um sie und wollte ihr das fertig aufgebaute Stativ aus der Hand nehmen, als sie unter meiner Berührung zusammen zuckte. Erschrocken blickte ich sie an, sie blickte mich an und erneut musste ich das nicht mehr vorhandene Glitzern in ihren Augen betrachten. Diese eine kleine Sache reichte aus, um meinen Hals schon wieder zuschwellen zu lassen. Ich schluckte und spürte, wie meine Augen heiß wurden, doch ich riss mich aus meiner Starre los und zwang mich, den Blick abzuwenden, um das unvermeidliche noch irgendwie zu verhindern. In Kombination mit dem Schlafmangel war das alles einfach zu viel.

Fettes sorry, Leserchens,

weil die letzten Tage nichts kam, ich war ein bisschen... ich weiß nicht, mir war einfach nicht nach schreiben. Aber jetzt habt ihr ja wieder etwas zum Lesen... einen schönen Montag euch dann morgen, beginnt die Woche positiv, dann wird sie auch so enden. Habe ich jedenfalls so gehört. ihr wisst schon, was ich meine. Hab euch lieb <3 Voten, Kommentieren... <3<3<3<3<3<3

LG Kaeferchen

Wenn du alles aufgeben würdest... (Julien Bam FF FanFiction) (Zum Teil Apecrime)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt