MARIES POV:
"Hallo Marie." Dans Stimme klang noch ekelig weicher, als ich sie in meiner Erinnerung hatte. Ich erwiderte nichts, zu groß war mein Hass auf ihn. Und wenn ich ihm diesen entgegenschleudern würde, könnte ich mich auf viel mehr Schmerzen als nötig gefasst machen. Mein Begleiter schob mich nach Vorne. Beinahe stolperte ich über meine eigenen Füße. Dan packte mich grob am Oberarm. Hinter der Tür, die er geöffnet hatte, war nichts als Dunkelheit. Ich senkte den Blick und lief von alleine darauf zu, doch Dan hielt mich zurück. Ich blieb stehen. Atmete ein. Atmete aus.
"Wo willst du hin?", fragte er. Beim Klang seiner Stimme verschluckte ich mich an meinem Atem. Davon musste ich leicht aufkeuchen. Ich biss mir auf die Lippe, um nicht zu antworten. Zu gerne, viel zu gerne würde ich ihm meine gottverdammte Meinung sagen. Alles das, was er je mit mir gemacht hatte, wie er mich ausgenutzt hatte, bedroht hatte. Und das alles nur für Nico. Die Wut strömte durch meine Adern und verbreitete sich wie ein Fegefeuer bei den Gedanken daran, wie oft er mich angefasst hatte. Wie oft ich ihn gebeten hatte, aufzuhören. Doch er hatte niemals aufgehört. Selbst meine Schreie scheinen ihm niemals ein schlechtes Gewissen gemacht zu haben. Ein stumpfes Knurren erklang aus meiner Kehle, als der Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand über mein Kinn strichen. Dan griff zu.
"Na na na!", drohte er. Ich keuchte lauter auf und zischte, spürte, wie sich seine Finger gegen meine Kehle drückten, während sich Daumen und Zeigefinger noch immer um meinen Kiefer schlossen. Er zog meinen Kopf hoch. Ich senkte die Augenlider. Keinen Blickkontakt. Alles, nur das nicht, keinen Blickkon-
"Mach deine verdammten Augen auf", brüllte er mir ins Gesicht, so intensiv, dass ich ein paar Tröpfchen auf einer Haut spürte. Der Gedanke, dass er mich angespuckt hatte, schüttelte mich. In meinem Hals stieg etwas warmes hoch. Der Geschmack von Erbrochenem erfüllte kurzzeitig meinen Mund. Ich schluckte es herunter. Verdammt, verdammt, verdammt! Was tun, wa-
"Muss ich sie dir aufreißen?", schrie Dan. Ich erzitterte, als das letzte Wort über seine Lippen ging. Was sollte ich tun? Beides, ihn ansehen und hinunter zu sehen fing mir verdammte Schellen. Oder schlimmeres. Ich ließ meinen Blick vorsichtig nach oben schweifen. Nur ein Stück, bis ich den Kragen seines Hemdes erreichte. Er lachte zynisch.
"Geht doch!" Der Druck seiner Finger ließ ein wenig nach. "Na komm, ein Stückchen noch!" Ich schluckte. Nein. Nein. Nicht weiter, auf gar keinen Fall gucke ich noch weiter h-
"Jetzt schau mich an!", feuerte er mir entgegen. Ich erschrak mich so sehr vor seinem Schlag auf meine Wange, dass ich aufschrie und fluchte. Nicht besonders leise. "Ah, sie kann auch sprechen", zischte Dan in mein Ohr. Ich schluckte und kniff die Augen zusammen, meine zusammengekrümmte Haltung ließ das letzte Bisschen Selbstsicherheit von mir weichen.
"Jetzt lass es doch gut sein und sperr sie einfach ein", erklang plötzlich eine dunkle tiefe Stimme. Ich hatte völlig vergessen, dass er noch hier war. Dan zischte.
"Du-", er löste seine Aufmerksamkeit leicht von mir. "Du hast doch gar keine Ahnung, was die Göre alles schon verbrochen hat! Dieses Mistviech hat mich beinahe meinen kleinen Finger gekostet!" Die Selbstgefälligkeit durchströmte mich. Gut zu wissen, dass ich ihn anscheinend doch besser getroffen hatte, als gedacht. Wie zu erwarten antwortete der Mann, der mich hier her geschleppt hatte nichts. Dan lachte dreckig auf, dann zog er mein Kinn wieder hoch. Dieses mal ging das alles zu schnell, als dass ich noch wegschauen konnte. Meine Augen fixierten Dans Gesicht. Er legte seine Hand auf meine Wange und strich mit seinem Daumen über meine Augenbraue. Ich unterdrückte das Verlangen, mich aus seinem Griff zu wenden.
"Sie sind dunkler", stellte er fest. "Und klarer." Erst da wurde mir klar, dass er von meinen Augen sprach und nicht von meinen Haaren. "Hast du das deinem Freund zu verdanken? He? Hat er dich mit seiner Liebe", er sprach das Wort aus, als würde es Ekel in ihm hervorrufen, "stark gemacht und getröstet?" Ich antwortete nicht, stattdessen starrte ich nur in seine tiefblauen Augen. Eigentlich war für ihn alles perfekt. So viele Mädchen, die sich von blauen Augen verführen ließen. Dan hatte es nie schwer im Leben gehabt. Doch mich konnte er nicht täuschen. Wahrscheinlich, weil ich ihn in einem anderen Zusammenhang kennen gelernt hatte. Er war der letzte von Nicos Freunden, von denen ich erwartet hatte, dass sie mir irgendwann helfen würden, aus dem Ganzen irgendwie heraus zu kommen. "Hat er das?" Dans Stimme ging mir durch Mark und Knochen, ich konnte spüren, wie mir die Tränen in die Augen traten.
"Er hat damit nichts zutun!" Ich wollte fauchen, doch aus meinem Mund kam nur ein jämmerlich schwacher Ton, unterlegt von einem Zittern.
"Och Süße, sentimental bist du jetzt auch geworden..." Fast schon zärtlich wischte er die Träne aus meinem Augenwinkel. Dan schmunzelte. "Aber eigentlich hat er Recht. Wie wäre es, wenn du darüber jetzt mal nachdenkst. Alleine." Mit diesen Worten drängt er mich rückwärts in den schwarzen Raum. Ich stolperte über die Türschwelle und fiel nach hinten. Reflexartig drehte ich mich leicht zur Seite, um den Sturz abzufangen, doch ich war nicht schnell genug. Meine Hüfte rammte sich in den harten Boden. Ein letzter Blick auf Dan und den anderen Mann. Ich erstarrte. Der Mann schüttelte den Kopf und formte mit seinen Lippen ein paar Worte. Sein Blick war keineswegs aggressiv. Doch bevor ich genauer hinschauen konnte, fiel die Tür zu. Ich hörte mehrere aufeinanderfolgende Geräusche, die dem Aufeinanderprallen von zwei Metallstücken ähnelten. Ich rappelte mich auf, es war stockdunkel. Das laute Knarren und Knallen leitete mich zurück zur Tür. Vorsichtig legte ich mein Ohr dagegen. Nichts. Keine Stimme. Kein einziges Wort. Ich schlug mit meinen Fäusten gegen die Tür.
"Hey", kreischte ich. "Lasst mich hier raus!" Dan antwortete mir.
"Das willst du gar nicht, du miese Göre!" Ich hämmerte weiter gegen das Metall und schrie, bis mir die Stimme wegblieb und meine Hände taub vor Schmerz wurden. Meine Augen waren schon lange glühend heiß. Irgendwie war es befreiend, als endlich die Tränen der Verzweiflung hervor traten und mir über die Wangen liefen. Es war alles umsonst gewesen. Wenn Dan mit von der Partie war, würde der Mann Ju nicht retten können. Egal, welch schlechtes Gewissen ich ihm auch gemacht hatte.
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Wenn du alles aufgeben würdest... (Julien Bam FF FanFiction) (Zum Teil Apecrime)
FanfictionWenn man es genau nimmt, ist Marie so gut wie tot. Doch sie zeigt es nicht. Ihre Panik verschwindet in der Nacht und den leeren Gassen, in denen man ihre Schreie nicht hören würde. Aber plötzlich ist Marie in der Nacht nicht mehr allein. Ihr halbtot...