Wann und wo auch immer

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MARIES POV:

Langsam ging ich auf den Tisch zu, der in der Mittedes Raumes stand. Ich lies meine Finger über das Material streifen. Kaltes Metall. Der Beamte zog den Stuhl vom Tisch hervor und bedeutete mit einer Handgeste, mich hinzusetzten. Vorsichtig kam ich dem nach. Der kalte Stuhl machte mir eine Gänsehaut. Ich fühlte mich nicht wohl hier. Es war zu eng, zu dunkel und ich hatte das Gefühl, als wurde ich von tausenden aufmerksamen Augen beobachtet. Der Beamte setzte sich mir gegenüber auf die andere Seite des Tisches. Zwischen uns hing etwas von der Decke herunter. Ein langes Kabel mit einer Art Aufnahmegerät am Ende. Ich hatte den Blick auf meine Finger gesenkt, das Haar hing mir halb im Gesicht. Mein Stuhl kratze über den Boden, als ich die Füße anspannte.

"Nun gut, Marie Kriesch, richtig?", fragte der Mann. Ich lies den Blick gesenkt und nickte nur.

"Wann haben sie Nele Juhl zuletzt gesehen?"

Ich dachte kurz nach. Wann war das gewesen? Eigentlich war es der Tag, an dem sie vom Dach gesprungen war, jedenfalls hatte mir Jan davon erzählt. Es schien also wirklich passiert zu sein. War sie danach noch einmal bei mir gewesen? Ich konnte mich an die Tage danach kaum noch erinnern.

"Vor einigen Monaten. Ende April", sagte ich. Mir war unwohl dabei, dass ich nichts um mich herum wahrnahm, also war ich gezwungen, den Kopf ein wenig zu heben. Ich sah den Beamten an. Er machte sich gerade Notizen und der Stift kritzelte mit einem ekelhaften Geräusch über das Papier. Ich bekam schon wieder Gänsehaut.

"Hatten sie Streit an diesem TGag mit der Person?", fragte der Beamte, nachdem er seinen Kopf wieder gehoben hatte.

"Nein", antwortete ich. "Es war so wie immer. Sie war ein wenig zickig, genervt. Aber es war sonst alles wie immer."

"Was bedeutet wie immer?", hakte er nach und ich schloss kurz die Augen. Eigentlich hatte ich das nicht vorgehabt. Ich wollte nicht in meinen Erinnerungen nach Nele bohren. Ich wollte nicht von ihr erzählen. Es tat zu sehr weh. Ich hatte Angst, dass ich zurück fiel. Ich hatte Angst, dass ich daran kaputt ging. Aber Verdrängung konnte nichts heilen, das wusste ich. Ich habe es schon die ganze Zeit gewusst. Irgenwann musste ich es erzählen. Und wann und wo auch immer, es würde genauso schlimm sein.

"Was ist eigentlich mit ihren Eltern? Haben sie die mal angerufen?", fragte ich. Ich wuuste gar nicht, ob mir das zustand, aber ich drückte mich davor, zu erzählen, was ich eigentlich erzählen musste.

"Wir konnten sie leider nicht erreichen. Zurück zu meiner Frage. Was bedeutet wie immer? Können sie mir etwas aus Neles Leben erzählen?", wiederholte er und ich atmete einmal tief durch. Du schaffst das. Rede einfach und hör dir selbst nicht zu. Das wird helfen. Du musst dich nicht selbst damit auseinander setzten, dass machen die anderen schon für dich.

"Wir kennen uns seit der Grundschule. Wir waren eigentlich immer die besten Freundinnen. Irgendwann bin ich dann weggezogen und wir haben uns auseinander gelebt. Vor einigen Jahren hat ihr Vater die Familie verlassen und seit dem hatte sie keinen Kontakt mehr zu ihm. Ihre Mutter hat gleich neu geheiratet und Nele hat sich oft mit mir getroffen. SIe wurde immer dünner und ich wusste, dass sie ein wenig depressiv war. Sie hat zwar immer gesagt, alles sei bestens, aber mir konnte sie nichts vorspielen. Sie hat mehrere Male gedroht, sich umzubringen, aber sie hat sich nie getraut. Oder sie hat es nie gemacht. Ich habe sie nicht mehr so ganz Ernst genommen und wir haben uns oft ein wenig angezickt. An dem Tag habe ich sie mit zu ein paar Freunden genommen. Dort ist sie dann fast vom Dach gesprungen, aber einer meiner Freunde hat sie festgehalten." Ich keuchte kurz, weil ich lange nicht mehr so viel gesprochen hatte. Meine Augen erhitzten sich schon und ein tiefer Schmerz breitete siuch in meine Körper aus. Ich hatte es nicht geschafft, mich selbst zu ignorieren. Stattdessen hatte ich jedes Wort doppelt und dreifach verstärkt ins Ohr geschrien bekommen. Mein Hals wirkte wie zugeschwollen. Ich fragte mich, wie ich ebend überhaupt hatte reden können. Ein einziges Mal kniff ich heftig die Augen zusammen und wischte mir mit der Handfläche darüber. Reiß dich zusammen! Du hilfst niemandem mit einer Art!

"Haben Sie nichts getan, nach Neles Selbstmordversuch?", fragte der Beamte.

Damit hatte er einen wunden Punkt getroffen. Wie sollte ich das jetzt erklären?

"ich war in der Zeit danach"; beagnn ich und machte eine Pause. Sortierte meine Worte. "... nicht ganz bei mir. Mir wurde nur erzählt, dass sie nach einigen Tagen aus der Wohnung meiner Freunde verschwunden ist und seitdem hatte niemand Kontakt zu ihr. Jedenfalls niemand, von dem ich wusste." Der Beamte schwieg eine Weile. Ich zupfte nervös an meinen Haaren herum und verlagerte mein Gewicht von einer Seite auf die andere. Mein Stuhl knarzte. Ich bekam schon wieder eine Gänsehaut. Dieser Raum machte mir Angst. Jeden Moment konnte irgendjemand hinter mir hervorspringen und mich erschießen oder erstechen, ich hätte gar nicht den Nerv, mich zu wehren. Bei dem Gedanken daran, welche Leute hier schon alle auf diesem Stuhl gesessen haben könnten... Mörder und Vergewaltiger, vielleicht sogar Nico. Ich erschauderte. Daran hätte ich nicht denken sollen.

"Wo waren sie denn heute früh um 0:15-0:30 Uhr?", fragte der Beamte plötzlich. In meinem Gehirn begannen die Zahnräder wieder langsam zu arbeiten.

"In einem Club", sagte ich und wunderte mich sofort, dass man meine Stimmer überhaut hatte verstehen können, so wie sich mein Hals gerade anfühlte.

"Gibt es dafür Zeugen?", fragte der Mann.

"Ja. Ein paar Freunde von mir waren mit mir dort"; presste ich heraus und keuchte direkt danach. Gierig so ich wieder Luft auf, was mit diesem dicken Hals und den Schmerzen im ganzen Körper wirklich schwierig war. Immerhin musste ich nichts mehr von Nele erzählen. Ich weiß nicht, wie lange ich das ausgehalten hätte.

"Welche Freunde? Können sie mir die Namen sagen?"

"Reg-gina Hickst"; stotterte ich. "Julien-", sagte ich weiter und brach ab. WIe hieß er eigentlich mit Nachnamen? Bam? Oder war das nur ein Künstlername? "Andre Schiebler und Jan Meyer"; zählte ich auf und tippte dabei auf meine FInger, beovor mein Gehirn komplett versagte und ich einen Blackout dieser Nacht bekam. Ich hatte das Gefühl, das war eine Vorsichtsmaßnahme und ich war meinem Kopf dafür sehr dankbar. Doh obwohl ich mich nicht mehr an sie erinnerte, fraß sich der Schmerz vollständig zu mir durch. Ich hatte versucht, so wenig wie möglich daran zu denken, ihr zu ignorieren, aber jetzt war er viel zu stark. Ich hatte keine andere Möglichkeit, als mich wieder komplett zu vermauern, um nicht wirklich daran kamputt zu gehen. Ich hätte die Frage des Beamten nicht beantworten sollen. Ich hatte es geahnt. Später wäre es nicht so schlimm gewesen. Hätte ich es doch bloß später getan. Un dann kippte ich vom Stuhl. Mein Körper knallte auf den kalten steinigen Fußboden. Ich machte mir keine Mühe, mich abzufangen. Es war zu spät. Den Schmerz registrierte ich gar nicht mehr.

So das war der nächste Teil, liebe Leserchens.

Ich hoffe wie immer, es hat euch gefallen, heute fällt mir irgendwie nichts anderes ein, was ich hier hin schreiben könnte, mein Kopf ist so leer gefegt.

LG Kaeferchen

Wenn du alles aufgeben würdest... (Julien Bam FF FanFiction) (Zum Teil Apecrime)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt