MARIES POV:
Der Rest des Tages verlief ziemlich ereignislos. Wir besuchten die verschiedenen Kurse, hörten uns Vorträge von den Ausbildern an, schrieben ab und zu mal etwas mit und wiederholten ein paar Grundvoraussetzungen der Physik und Mechanik, von denen einige hier noch nie etwas gehört zu haben schienen. Wie auch immer, ich bemühte mich, die Ausbilder nicht mehr als nötig anzugucken, da mich immernoch einer von ihnen an Cengiz erinnerte. Selbst die Stimme kam dem Original ziemlich nahe. Ich hatte versucht, mir die Worte in Textform vorzustellen, wenn er sprach. Doch jedes Mal, wenn ich hochsah, weil er etwas zeigte oder mein Nacken anfing, weh zu tun, traf ein kleiner Funken meine Brust und erhitzte meine Augen, ließ meinen Hals zuschwellen und meine Herz sich kurz zusammen ziehen. Ich saß also den Software-Kurs beim Cengiz-Imitat aus und atmete erleichtert auf, als ich erfuhr, dass wir Sprachmanagement erst morgen hatten. Dann hatte ich noch ein bisschen Zeit, um mich auch auf das Andre-Imitat einzustellen. Der zweite Kurs an diesem Tag verging zum Glück ohne Stiche in meiner Brust. Die Frau, die Multitasking fürdern sollte, ließ uns die Hälfte der Zeit an einigen Bildschirmen Aufgaben bearbeiten. Während der Kurse redeten wir untereinander kaum bis gar nicht. Es war manchmal fast gespenstisch still. Als ich dann endlich um 17:00 Uhr in mein Zimmer zurück kam, knurrte mein Magen schon viel zu stark. Noch in der Mittagspause war mir schlecht gewesen, ich hatte nichts essen wollen. Doch jetzt hatte ich Hunger. Ich packte also wieder mein Handy und mein Port-Monnaie. In der Tür kam mir Ailyn entgegen. Sie blieb stehen und ich erhaschte eine Blick auf ihr blasses Gesicht und ihre leicht geröteten Augen. Sie drängte sich schnell an mir vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Ich sah Ailyn eine halbe Sekunde hinterher, dann ging ich zu meinem mit Alex verabredeten Treffpunkt.
Alex sah zwar Jan ähnlich, verhielt sich jedoch komlett anders. Keine Selbstsicherheit, kaum Mitgefühl, ziemlich egoistisch, aber mit einer Schwäche für Leona. Und irgendwie auch wieder ganz lustig. Ich schüttelte den Kopf darüber, wie man so unterschiedliche Gegensätze in einer Person wieder finden konnte. Alex saß schon mit einer Suppe am Tisch von heute morgen und hatte mir den Rücken zu gekehrt. Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht zu kichern, während ich mich vorsichtig von hinten an ihn heran schlich. Mit einem Ruck legte ich ihm beide Hände auf die Schultern. Sie wurden nur Millisekunden danach praktisch mit dem dreifachen an Wucht wieder hoch geschleudert und Alex gab ein seltsam dröhnendes Geräusch von sich. Kaum lösten sich die Zähne von meiner Unterlippe, drang ein lautes Quietschen gemischt mit einem Lachen aus meinem Mund. Alex wendete sich schlagartig zu mir, ein völlig entsetzter Ausdruck im Gesicht und die Hände hoch erhoben. Ich sah auch warum. Sein komplettes Gesicht war über und über mir roter Suppe besprenkelt. Ich sog kurz die Luft ein.
"OHOH!", sagte ich gemischt mit einem Lachen und fiel beinahe auf die Knie, doch ich stützte mich an Alex Stuhl ein wenig ab.
"'Du hast da was!", lachte ich und zeigte ihm mit dem Finger entgegen. Alex schnaufte.
"Warum hast du das gemacht?", fragte er. Ein dritter Anfall von Lachen und Bauchkrampf überkam mich. Ich schloss die Augen und knümmt mich, weil ich es sonst kaum noch aushielt.
"Hier", stotterte ich und tastete auf dem Tisch herum. Als ich etwas seviettenartiges gefunden hatte, gab ich es ihm. Noch immer vom Lachen geschüttelt kämpfte ich mich um die Ecke des Tisches herum und ließ mich dort auf einen Stuhl fallen. Ich hielt mir eine Hand vor den Mund, um das Kichern wenigstens zu dämpfen. Alex wischte sich die Suppe aus dem Gesicht und versuchte, auch ein paar größere Kleckse von seinem Pulli abzurubbeln.
"Das tut mir furchtbar leid", gab ich zu. Es fiel mir schwer, den Lachkrampf so lange zu unterdrücken, bis die Worte zu Ende gesprochen waren. "Immerhin hast du jetzt ein Recht auf Rache! Siehs positiv!" Alex schaute mich bitterböse an.
"Oh, die wirst du kriegen", sagte er mit gesenkter Stimme und schmiss mich damit in meinen nächsten Lachkrampf hinein. Ich versuchte wieder, mit meinen Zähnen in den Hanrücken zu beißen, um nicht ganz so viel neue Aufmerksamkeit zu erregen. Obwohl, jede Person in diesem Raum hatte wahrscheinlich spätestens bei Alex Aufschrei von dem Dilemma um meine Selbstbeherrschung mitbekommen. Ich schloss die AUgen und versuchte, kontrolliert zu atmen.
"Ach schön", sagte ich halb unter den Lachtränen.
"Interessant, was du alles lustig findest...", murmelte Alex.
"Oh, du hättest dich sehen müssen, das war so...", ich beendete den Satz und versuchte wieder, tief durchzuatmen, um eine erneute Lachattacke zu vermeiden. Doch das Bild von Alex mit dem roten Spenkeln im Gesicht verschwand einfach nicht aus meinem Kopf. Oh, das würde es nie, glaubte ich.
"Ja toll, haha!" Alex genervter Unterton war nicht zu überhören.
"Ach komm schon", meckerte ich und boxte ihn spielerisch gegen die Schulter. Sein Körper wackelte und sein Kopf schwenkte hin und her, doch er schloss nur kurz die Augen und saß meinen kleinen Boxer aus. Seinem Pullover gewidmet kaute er genervt auf der Unterlippe. Ich boxte ihn noch einmal. Er stöhnte auf.
"Boa Marie, lass das jetzt mal!" Aber die kleine Falte in seinem Mundwinkel sagte etwas anderes. Ich boxte ihn ein drittes Mal und das Eis brach. Er lachte auf.
"Okay okay, ja, es war lustig! Zufrieden?"
"Jap!" Ich klatschte kurz in die Hände und stand dann auf, um mir etwas zu Essen zu kaufen.
"Hey", hielt mich Alex zurück. Ich zog eine Augenbraue fragend hoch. "Bringst du mir einen Pudding mit?" Ich lächelte. "Klar." Ich kaufte also mir eine Kürbissuppe und den Pudding für Alex. Dann nahm ich mir noch ein großes Glas Wasser. Er hatte es geschafft, den Tiisch wieder sauber zu bekommen, als ich mit dem Essen bei ihm ankam. Vorsichtig, um die Suppe nicht überschwappen zu lassen, stellte ich mein Tablett an meinen Platz und reichte Alex seinen Nachtisch.
"Danke. Wie viel hat der gekostet?", fragte Alex. Ich winkte ab.
"Für die Suppe, die meinetwegen nicht in deinem Magen gelandet ist", entgegnete ich. Dann begann ich, mein eigenes Abendessen zu löffeln. Es war wunderbar warm und genau das, was ich jetzt brauchte.
"Weißt du eigentlich, wo Leona ist?", bemerkte Alex plötzlich. Und wie aufs Stichwort kam sie herein geschneit mit einem ernsten Ausdruck auf den Lippen. Jonathan war nicht bei ihr.
"Hey Leo"; begrüßte ich sie. Sie lächelte leicht und setzte sich neben mich. Mit beiden Händen fuhr sie sich durch die Haare und atmete stotternd aus.
"Wa ist los mit dir?", wollte Alex wissen. Leona erstarrte in ihrer Bewegung und sah uns skeptisch an.
"Habt ihr es nicht gesehen?", fragte sie.
"Was denn?", entgegnete ich. Ihr Gesicht wurde kalkweiß.
DU LIEST GERADE
Wenn du alles aufgeben würdest... (Julien Bam FF FanFiction) (Zum Teil Apecrime)
FanfictionWenn man es genau nimmt, ist Marie so gut wie tot. Doch sie zeigt es nicht. Ihre Panik verschwindet in der Nacht und den leeren Gassen, in denen man ihre Schreie nicht hören würde. Aber plötzlich ist Marie in der Nacht nicht mehr allein. Ihr halbtot...