MARIES POV:
Ich öffnete die Augen und blickte auf Jus Brust, in den V-Ausschnittes seines T-Shirts. Seine starken Arme hielten mich an sich gedrückt und sein Kopf lag über meinem. Ich machte eine Hand aus der Decke los und strich mit dem Finger über die Struktur der Muskeln auf seinem Oberkörper. Es erschlug mich nicht wie mit einem Stromfluss, wie sonst. Vielleicht lag es ja daran, dass Ju wahrscheinlich noch schlief. Sein Brustkorb hob und senkte sich jedenfalls regelmäßig. Plötzlich zuckte er kurz und regte den Kopf.
"Marie?", flüsterte er. "Was genau soll das werden?" Ich schmunzelte über seine kratzige Stimme und griff mit einem Finger vorsichtig in den Ausschnitt seines T-Shirts, zog ihn runter und wollte sein Tattoo betrachten, doch da war gar kein Tattoo! Ich schrie kurz auf. Dann hob ich den Kopf und sah den Typen an, neben dem ich wirklich lag. Es war Andre.
"Was machst du hier?", kreischte ichund rückte panisch ein Stückchen von ihm weg. Andre kicherte. "Was gibt es da zu lachen?"
"Nele hat genau das gleiche gesagt, als sie hier aufgewacht ist", meinte Andre und rollte sich auf den Rücken. Nele. Er konnte den Namen einfach so aussprechen. Einfach so. Ohne, dass ihm dabei die Tränen kamen. Oder Erinnerungen, so wie mir jetzt.
"Ich habe von ihr geträumt", sagte ich leise. Meine Stimmung wechselte schlagartig.
"Das ist doch schön", erwiderte Andre halb ermunternd, doch in seiner Stimme hörte ich etwas, was nicht so ganz zu ihm passte. Es war irgendwie zerbrechlich und schwach. Er legte eine Hand auf meine Schulter. Ich sagte nichts. Andre streichelte langsam meine Schulter. Ich legte meinen Kopf an die seine, so dass ich sein Gesicht nicht mehr sehen musste.
"Ich soll dich von ihr grüßen", sagte ich. Andre schluckte und etwas nasses traf meine Stirn. "Weinst du etwa?", frsgte ich nun sichtlich verwirrt. So etwas passte überhaupt nicht zu Andre.
"Nein, nein, das ist nur eine Tränendrüsenfehlfunktion, das geht gleich wieder weg", flüsterte Andre, ich wollte auch gar nicht hören, wie er mit Stimme geklungen hätte. "Was hat sie noch gesagt?"
"Sie meinte, dass es nicht unsere Schuld war. Sie meinte, jemand hätte Schuld, aber den kenne ich nicht. Aber vielleicht kennt er mich und ich soll wachsam sein. Ich verstehe das alles nicht mehr. Ich blickte einfach nicht mehr durch!", sagte ich und spürte, wie auch in mir die Tränen aufstiegen.
"Weinst du?", fragte Andre und strich mir über mein Haar.
"Nein", sagte ich und lachte kurz. "Das ist nur eine Tränendrüsenfehlfunktion, das wird gleich besser." Auch Andre lachte. Weitere kalte Tropfen landeten auf meiner Stirn, aber Andre lachte. Und ich lachte auch. Auch ich weinte, aber ich war so froh, dass mir wenigstens Andre wieder ein wenig Halt gab. Vielleicht tat ich das ja auch selbst. Vielleicht war es auch die Nele aus meinem Traum. Vielleicht war es aber auch noch jemand anderes.
"Das darf ja keiner sehen, dass ich geheult habe. Die denken noch, ich bin verrückt geworden oder so", sagte Andre und drückte mich einmal kurz an sich.
"Ich sag's nicht weiter, vesprochen. Lenk dich ab, dann denkst du nicht mehr so sehr an das alles", riet ich ihm und weschelte Andre durch sein Haar, wie einem kleinen Bruder. Mit einem Ruck setzte ich mich auf und schwang die Füße über die Bettkante.
"Ich geh' mal nach Ju gucken", sagte ich. Andre nickte, die roten aufgequollenen Augen geschlossen, damit ich sie nicht sah. Ich wusste trotzdem, dass sie da waren. Genauso, wie die meine da waren. Ich schenkte Andre ein kleines Lächeln, auch wenn er es nicht sah, glaubte ich, dass er es spürte, denn er lächelte zurück. Dann drehte ich mich zur Tür und öffnete sie. Ju schlief, war an der Wand zusammen gesunken, der Kopf war abgeknickt und lag auf seiner eigenen Schulter. Ein lautes Atmen ging von ihm aus. Ich sog einmal tief Luft ein und ließ mich neben ihm an der Wand herunter gleiten. Dann stütze ich meinen Kopf an seinen. Ju zuckte und bewegte sich ein wenig, ein Arm schlang sich um mich und ich ließ es zu. Der Arm gab mir Kraft und Energie für das, was ich jetzt vor hatte. Etwas, dass ich schon viel früher hätte verstehen müssen. Es hatte mich zu sehr zerstört, aber besser jetzt, als nie.
Phase Fünf. Nele war tot. Nele würde tot bleiben. Ich konnte nichts daran ändern, auch, wenn ich es wollte. Es war egal, wie sie nun gestorben war oder wer daran Schuld war, sie war tot und damit würde ich leben müssen.
Auf wiedersehen, Nele. Ich werde dich nie vergessen. Und ich werde dich immer lieb haben, was auch passiert.
Ich konzentrierte mich stark auf meine ehemalige beste Freundin, auch wenn ich wusste, dass sie mich nicht hören konnte. In diesem Moment wünschte ich mir, mit den Toten kelten zu können, falls das überhaupt funktionierte. Logischerweise nicht, aber es passieren immer Wunder. Manchmal mehr und öfter, als man es sich erhofft hatte, manchmal zu wenig, dass man auf die brutale Realität stößt und sich ganz allein gelassen fühlt. Aber dazu gibt es ja Träume. Um all' die Wunder wahr werden zu lassen. Und ich hoffte, ich würde Nele einmal wieder treffen. Vielleicht in einem Traum. Vielleicht war sie mein Wunder oder das Wunder war etwas anderes. Vielleicht würde der Traum auch zu real sein, dass ich es nicht glauben könnte, aber ich würde es glauben. Denn in Träumen stellt man die Realität nie in Frage. In Träumen ist man der naivste Mensch in sich selbst. Vielleicht war ich so naiv gewesen zu glauben, wäre alles ein Traum gewesen. Aber in diesem Moment wusste ich, dass es keiner sein konnte. Auch, wenn ich es mir noch so sehr wünschte. Sie war nicht mehr hier und wie meinen Bruder trug ich einen Teil von ihr in mir weiter. Und wie bei meinem Bruder hoffte ich, dass ich ihr gerecht wurde. Das Leck, dass mich zerstört hatte, war geschlossen.
Danke
Auch, wenn ich nicht geheilt war. Aber Wunder passieren. Und wenn nicht, habe ich immern noch Träume. Träume, in denen ich sie sehen kann.
Soo Leserchens,
sorry, dass die letzten beiden Tage nur so kurze Kapis kamen, aber ich wollte die Cuts einfach so setzen.
Zu dem Begriff kelten oder auch Kelting: Für alle, die das nicht wissen (bzw. sixteen moons nicht gelesen haben) Kelting ist eine Art Gedankenübertragung zwische besonders verbundenen Personen, man kann es aber auch durch üben auf andere unbekannte Personen ausweiten.
LG Kaeferchen
DU LIEST GERADE
Wenn du alles aufgeben würdest... (Julien Bam FF FanFiction) (Zum Teil Apecrime)
FanfictionWenn man es genau nimmt, ist Marie so gut wie tot. Doch sie zeigt es nicht. Ihre Panik verschwindet in der Nacht und den leeren Gassen, in denen man ihre Schreie nicht hören würde. Aber plötzlich ist Marie in der Nacht nicht mehr allein. Ihr halbtot...