Guter Schmerz

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MARIES POV:

Ich legte auf und schmiss das Handy quer durch das Zimmer, wo es mit einem dumpfen Pochen zwischen meinen Klamotten in dem offenen Schrank landete. Die Matratze federte meine Faustschläge ab, mit denen ich sie überzog, während die Tränen mein komplettes Gesicht unter Wasser setzten. Ich schluchzte und rang nach Luft, ich schrie, bis meine Stimme versagte, zwischendurch musste ich keuchen, um nicht zu ersticken. Immer wieder durchbrach ein schrecklicher Hustenanfall nach dem nächsten meinen Heulkrampf. Meine Fäuste droschen weiter auf das weiche Bett ein, immer wieder wurden sie zurück geschleudert, so dass meine Arme hochflogen und in mir Kopfschmerzen und Schwindelgefühle hervorriefen. Mir tat alles weh, meine Augen waren so heiß wie Feuer, inklusive meiner Wangen und dem Rest meines Gesichtes. Ich lag auf dem Rücken im Bett und versuchte krampfhaft, mich zu beruhigen. Die langen Fingernägel kratzten an meinem Hals, um den Schmerz von Ju zu übertönen, Blut und Haut sammelte sich darunter und ich wich auf meine Armbeugen aus, bis auch diese wund und blutig waren. Ich keuchte und versuchte immer wieder den Kloß in meinem Hals herunter zu drücken, was den Druck in meinem Kopf nur noch größer machte und mich glauben ließ, dass er bald zerplatzte. Mit den blutigen Fingernägeln raufte ich mir das Haar, zog kräftig daran und kratzte mich am Kopf. Ich tat alles, um mich den Schmerz von Ju vergessen zu lassen oder wenigstens zu übertönen, aber nicht tat mehr weh, als das, was er gesagt hatte. Würde ich jetzt zu ihm gehen, würde er mich abweisen. Einfach so. Jedenfalls hatte er das so gesagt. Ich dachte gar nicht erst darüber nach, ob er es wirklich ernst gemeint hatte. Ju würde mich nicht so extrem bedrohen, wenn dahinter nichts stände und ich brauchte Ju. Ich durfte ihn nicht verlassen, was auch passierte. Ohne ihn war ich nichts, niemand und ganz nebenbei bemerkt unglücklich. Mehr als unglücklich. Ich wollte Ju festhalten, genau in diesem Moment wollte ich mich an ihn schmiegen, seinen Duft einatmen und mir selbst sagen, dass alles wieder gut werden würde. Dass sich alles wieder einschaukelte, ich glücklich sein würde, bei Ju sein könnte. Aber das ging nicht, denn Ju war nicht hier. Er erlaubte mir noch nicht einmal, zu ihm zu kommen. Ju hatte gesagt, er wollte mich das tun lassen, was mich glücklich mag. Im selben Atemzug verklickert er mir, dass ich hier nicht weg darf. Dass ich nicht das tun darf, was mich glücklich macht. Ich. Darf. Nicht. Ich hasste es, wenn man mir etwas vorschrieb oder verbot, aber noch schlimmer war es so, wie es jetzt war. Ich konnte nicht ausweichen, ich wollte dieses Verbot nicht umgehen, denn würde ich es tun, würde ich Ju verlieren. Ich dachte nicht auch nur im Traum daran, dass dies eine leere Drohung sein könnte. Ich hatte gar nicht vor, das zu tun. Ich hatte niemals vor, Ju anzuzweifeln, egal, was er sagte oder gesagt hatte. Ju war der einzige Mensch auf der ganzen Welt, dem ich bis an die Grenze meiner Menschlichkeit vertraute. Bis auf... Jan vielleicht. Bertraute ich Jan so sehr wie Ju? Oder sogar noch mehr? In meinem Hinterkopf schlich sich der Wunsch, Jan anzurufen und mit ihm zu sprechen. Vielleicht verstand er mich ja oder konnte mir wenigstens sagen, was zur Hölle mit Ju los war. Warum hatte er das getan? Ich verstand ihn nicht mehr. Wieso brach er seine eigenen Versprechen? Wieso drohte er mir? Wieso wurde er zu so einem Monster? Ich glaubte nicht, dass mir Jan diese Fragen beantworten konnte, also ließ ich es lieber mit dem Anrufen und konzentrierte mich daran, das Blut unter meinen Fingernägeln wegzukratzen. Hauptsache war, dass ich jetzt ruhig blieb. Ich hatte schon genug Aufmerksamkeit auf mich gezogen, da durfte ich nicht auch noch morgen mit blutigen Händen, Hals und Armbeugen irgendwo unter die Augen eines Kritikers treten. Ich würde rausfliegen, wenn sie dachten, ich hätte psychische Probleme. Die beste Methode war immer noch, meinen Körper komplett anzuspannen, so dass er leicht verkrampfte. Das nahm Konzentration in Kauf, verdrängte die Gedanken und den Herzschmerz durch den Schmerz der Krämpfe und war morgen nicht sichtbar, anders als mein blutig gekratzter Körper. Mit bereits verkrampften Zehen stolperte ich zu meiner Tasche und nahm mir eine Kortison-Creme heraus. Das Zeug war das reinste Wundermittel. Morgen würde man von den Kratzern kaum noch etwas sehen. Ich öffnete die Tube und presste eine zahnpastagroße Menge Creme auf meine Hand. Dann verteilte ich es auch auf meiner anderen Hand und rieb meine beiden Arme gleichzeitig ein. Es brannte und ich unterdrückte meine kurzen Schreie nicht. Es tat gut, wegen etwas anderem zu schreien. Als meine Arme komplett glänzten, nahm ich noch einmal eine halb so große Menge und verteilte sie auf meinem Hals. Das tat noch mehr weh. Wieder schrie ich auf und kniff die Augen zusammen, um eine Träne heraus zu pressen. Sie lief an meinem Gesicht entlang und tropfte auf die Matratze. Mit dem Finger berührte ich den feuchten Punkt, schmiss mich in das Kissen und strampelte mir die Decke bis zu meinen Händen. Schnell rollte ich mich auf den Rücken und machte mich fest. Jeder Muskel in meinem Körper spannte ich an. Es dauerte nicht lange, bis es schmerzte. Ich tat nichts dagegen. Die Tränen liefen über meine Wangen und fielen in meine Ohren, danach auf meine Haare. Ich biss mir fest auf die Lippe und spürte, wie auch sie zerquetscht wurde. Meine Muskeln und Sehnen waren bis zum Anschlag gespannt, ich spürte sie fast zerreißen. Es tat so unendlich weh und es war so unendlich befreien, nur an diese Art von Schmerz denken zu können. Mein Körper schmerzte, meine Lunge tat weh, aber mein Herz schlug. Regelmäßig, so, wie es sein sollte. Mein Hals war frei. Kein Kloß, noch nicht einmal ein Mandarinenkern. Alles was ich spürte, war der Schmerz meiner Muskeln. Es war ein guter Schmerz, denn er kam von mir selbst. Er war befreiend und zu kontrollieren. Auch wenn es weh tat, fühlte es sich gut an. Es fühlte sich gut an, zu wissen, dass man kontrolieren konnte, wie sehr es schmerzte. Das, was Ju getan hatte, war das komplette Gegenteil. Es war ein schlechter Schmerz. Er kam nicht von mir, sondern von ihm. Ju hatte mir keine Zeit gelassen, mich darauf vorzubereiten. Es kam plötzlich und ohne Vorwarung und traf mich somit wie ein nasser Sack, der mich zu Boden riss und mich unter sich begrub. Ich konnte nicht fliehen, außer ich machte einen größeren guten Schmerz. Vielleicht tat er etwas zu sehr weh, dieser gute Schmerz, aber es war besser, als kontrolllos zu fühlen. Ich konnte den Schmerz beenden, auch wenn ich es nicht tat, aber ich konnte es. Ich knnte es selbst beenden. Den schlechten Schmerz konnte nur einer beenden und das war Ju. Es sei denn, ich schaffte es, darüber hinweg zu kommen, aber dafür brauchte ich vorerst eine genügend große Ladung an Ablenkung und diese war hier in Form von gutem Schmer. Ich redete mir immer wieder ein, dass diese beiden völlig unterschiedlich waren. Ich redete mir ein, dass ich nichts böses tat, wenn ich mich selbst kontrollieren wollte. Ich wusste jedoch, dass es so war. Es gab keinen Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Schmerz. Es gab nur den Unterschied zwischen Kontrollzwang und Hinnahme. Hinnahme, Akzeptanz und Verarbeitung. Drei Dinge, die mir schon immer unglaublich schwer fielen.

Es tut mir wieder einmal furchtbar leid, Leserchens,

dieses mal war es aber wirklich nicht meine Schuld, Wattpad war von ca. 21:30 bis soweit ich weiß 22:30 offline, ich konnte also nichts hochladen, deswegen erst jetzt.

Ich hoffe wie immer, es hat euch gefallen, gebt eure Meinung inklusive Senf und Ketchup unten in die Kommentare, Votes freuen mich auch immer- Ihr seid die größte Motivation, 25 K Reads und 1,5 K Votes, Danke für alles, liebe Leserchens, ihr seid einfach die größten, ohne Schiete.

LG Kaeferchen

Wenn du alles aufgeben würdest... (Julien Bam FF FanFiction) (Zum Teil Apecrime)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt